6539306-1946_32_05.jpg
Digital In Arbeit

Will-Fried-für-österreidi

Werbung
Werbung
Werbung

Es erscheint fast wie ein Treppenwitz jüngster Geschichte, daß eine der ältesten Widerstandsbewegungen im Donauland gerade in Südmähren entstand. Dies deshalb, weil heute oft die Rede davon ist, wie sehr im sudetendeutschen Gebiet nazistisches Gedankengut verbreitet worden sei, aber so wenig Kenntnis dafür besteht, daß gerade in Südmähren und Südböhmen ein konservatives, tief christliches Volkstum daheim war, das gegen den Nazismus eine Immunität bewahrte, wie sie anderwärts nicht allzuoft zu finden war. Nicht umsonst war einer der führenden Männer des antinazistischen Aktivismus der besonnene und volkstümliche Abgeordnete und zeitweilige tschechoslowakische Minister Erwin Z a j i c e k ein Sohn des' deutschsprachigen Südmährens.

Es ist nur eine geschichtliche Tatsache, wenn wir feststellen, daß sich die südlichen Teile Böhmens und Mährens schon 1918 darum bemühten, an Österreich angeschlossen zu werden — ein Beginnen, dem der Erfolg allerdings versagt blieb. Die weitere politische Entwicklung in diesen Gebieten war durch eine gemäßigte, christlich-bäuerliche Politik sowie durch das gänzliche Fehlen alldeutscher und nazistischer Gedankengänge gekennzeichnet. Hier haben die beiden deutschbürgerlichen Regierungsparteien bis 1935 zwei Drittel aller Stimmen verzeichnen können. Dann kam die kurze, aber wohl vorbereitete Zeit des politischen Trommelfeuers aus Berlin, das unter geschickter Ausnützung der Überrumpelung Österreichs das Feuer auf die Tschechoslowakei vorverlegen konnte.

Wie in ganz Österreich, so wurden auch in Südmähren noch im Oktober 1938 die Führer der antinazistischen Parteien verhaftet. Schon damals hatten die Führer der südmährischen Bauern längst erkannt, wohin das Schiff trieb. Im Jänner 1939 vereinigte sich eine Schar heimatliebender Männer und schuf die erste Organisation, die den Namen „W ill-Fried-für-österreich“ erhielt. Der Name war ein Programm, denn er brach mit der politischen Vergangenheit des deutschen Aktivismus, indem Südmähren als ein integrierender Bestandteil Österreichs betrachtet wurde. Die Gründer kamen aus allen früheren politischen Parteien und waren zumeist Bauern. Ihr Führer war der langjährige Prager Abgeordnete Hans Wagner, der 1938 auch stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Landwirte gewesen war.

Die „Willfriedbewegung“ breitete sich im Laufe ihres Bestehens in Südmähren aus, hatte aber auch Anhänger in Brünn und Iglau. Auch eine schlesische Gruppe unter Führung des ehemaligen Abgeordneten H a 1 k e bestand. Ein fein ausgeklügeltes System von „Ketten“, das Gewähr gegen Aufdeckung bot, ist der Gestapo immer ein Rätsel geblieben. Der „Willfried“ (WFÖ) trat seit 1942 auch mit anderen binnenösterreichischen Widerstandsbewegungen (so dem „Ring freier Österreicher“) in Verbindung.

Neben der bekannten und aktiven „Will-friedbewegung“ gab es aber in Südmähren zeitweise auch noch z,wei andere antinazisti-, sehe Gruppen, die als „Dunkle Rose“ im Nikolsburger, als „Gernot“ im Zlabingser Bezirk eine unterirdische Tätigkeit entfalteten.

Zunächst war lediglich die Enttäuschung über die anmaßende Art von vielfach jungen Parteifunktionären, die meist aus dem Altreich stammten, in der Bevölkerung sehr groß — aber noch erweckte die Voraussage eines Krieges als Folge der hochstaplerischen Politik des Diktators ein ungläubiges Lächeln. Das erschwerte die Propaganda.

Zwei Momente waren es, die der südmährischen Widerstandsbewegung, die zunächst auf einen kleinen Kreis von Anhängern beschränkt blieb, bei ihrer Werbung zugute kamen. Eines von ihnen war die einsetzende Verfolgung gegen Kirche und Glauben. In Südmähren, dem Land einer gläubigen katholischen Bevölkerung, fanden weder „Morgenfeiern“ noch Rosenberg-bücher Anklang. Als der Erlaß, der die Entfernung der Schulkreuze vorsah, bekannt wurde, kam es zu Aufläufen und Demonstrationen, so in Naschetitz; der Erlaß wurde selbst von höheren Schulstellen, wie im Nikolsburger Schulinspektorat sabotiert. Die Erbitterung gegen die Befehle von oben hatten einen solchen Grad erreicht, daß seither Beitritte zur NSDAP nur sporadisch stattfanden und alle Sammlungsaktionen für den Krieg mit einem ausgesprochenen Mißerfolg endeten.

Wohl wuchs die Zahl der Widerständler schon im Winter 1939/40 derart, daß es notwendig wurde, genaue Register anzulegen, die in einem Bienenhaus verborgen gehalten wurden — aber den Auftakt für das öffentliche Auftreten der „Willfriedbewegung“ gab erst die Kriegserklärung an die Sowjetunion. Am 22. Juni 1941 trat zum erstenmal der Störsender der südmährischen Antifaschisten in Tätigkeit, der im Heizhaus einer Znaimer Fabrik aufgestellt war, und der vor allem durch Zwischenrufe und Warnungen viel Beachtung fand. „N azi untergehen — Österreich erstehen“ — das war der Wahlspruch, mit dem die Sendungen, die bis 1944 andauerten, geschlossen wurden.

Durch Vermittlung eines Offiziers und einer Engländerin konnte im Frühjahr 1941 in Hamburg eine kleine Druckpresse beschafft werden, die in Wien-Landstraße Aufstellung fand und mit der im Monat rund 10.000 Flugzettel hergestellt wurden. Das Papier wurde von Gesinnungsgenossen, die in Ämtern saßen, besorgt und wurde bereits bedruckt in Wien und Südmähren verstreut.

Ein gut funktionierendes Kundschaftersystem verhinderte das Gelingen iiier Aktionen, welche die Gestapo gegen die Widerstandsbewegung unternahm. Selbst Bürgermeister gehörten dem „Willfried“ an und durch Stenotypistinnen in den Kreisleitungen wurde die Führung von allen Verordnungen und Geheimerlässen verständigt, bevor an deren Durchführung geschritten wurde. Sogar in der Redaktion des „Völkischen Beobachters“ saß zeitweise ein Verschworener, der gute Dienste leisten konnte.

Obwohl die Häscher der Gestapo seit 1942 von dem Bestehen einer Widerstandsgruppe in Südmähren wußten, war ihnen trotz verschiedener Hausdurchsuchungen (die vorher avisiert waren) nichts Näheres bekannt. Erst im Sommer 1944 setzte eine große Verfolgungsaktion ein, nachdem man einem Kurier eine ganze Sendung Flugzettel abgenommen hatte. Er selbst konnte aber entkommen.

Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes begann die ungeheure Tragik der südmährischen Widerstandsbewegung. Der eine ihrer Programmpunkte, nämlich der Kapipf gegen die nazistische Gewissenstyrannei war siegreich beendet. Ein gerechter Frieden nach den Grundsätzen der Atlantik-Charta wurde erwartet. Von ihm erhoffte man eine Erfüllung des Wunsches nach endgültiger Zusammengehörigkeit mit den österreichischen Brüdern südlich der Thaya.

Die von der Führung geplante Besetzung der Ämter in Südmähren kam jedoch nicht zustande, da die tschechischen Partisanen, die andere Direktiven hatten, die Alleinherrschaft an sich rissen. Wohl wurde — besonders am Anfang — die Tätigkeit der südmährischen Antifaschisten — die noch während der letzten Kämpfe die Sprengung der Znaimer Brücken verhindert hatten — von der tschechischen Partisanenführung anerkannt und ihnen auch gewisse Begünstigungen gewährt — später jedoch ging man daran, auch die Anhänger de* „Willfriedbewegung“ zu verhaften. Viele von ihnen gingen nach Österreich. Vielleicht wird eine Differenzierung aller Deutschsprachigen in Volksdeutsche und Volksösterreicher jenen, die noch in Österreich weilen, Gerechtigkeit zuteil werden lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung