6664796-1960_27_04.jpg
Digital In Arbeit

Wird nun endlich etwas geschehen?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Gründung eines Vereines „Österreichischer Forschungsrat“ ist ein Ereignis für die österreichische Wissenschaft. Der Verfasser ist in zahlreichen Artikeln für einen Forschungsrat eingetreten (so bereits 1950 in der „Österreichischen Furche“), wiederholt hat die Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft in Denkschriften die Schaffung einer entsprechenden Organisation verlangt und dafür demonstriert, und der Notring der wissenschaftlichen Verbände hatte bereits vor zehn Jahren mit Zustimmung der Akademie der Wissenschaften und aller österreichischen Hochschulen die von den Professoren Duda, Marinelli und dem Verfasser ausgearbeiteten Satzungen unwidersprochen der Vereinsbehörde eingereicht. Als aber einige Bibliotheken und Museen gegen den Entwurf opponierten, weil für sie — entsprechend den Normen anderer Länder — Sitz und Stimme nur indirekt vorgesehen waren, legten die Proponen-ten ihren Auftrag zurück; denn sie hatten ja die österreichische Forschung zu einer Gemeinschaft schweißen, nicht aber spalten wollen. Gewiß, die“ - damalige Opposition^ ->wa* ■.. ein,,schwerer, Fehler, durch den der österreichischen Wissenschaft viele Millionen verlorengegangen sind. Schwerer aber fällt noch ins Gewicht, daß heute, zehn Jahre später, der Forschungsrat eine politische Frage geworden ist. Wohl verkündete der Präsident des neuen Forschungsrates, Professor Dr. R o h r a c h e r, nachdrücklich die alte und ewig neue Weisheit, daß sich die Wissenschaft nach ihrem ureigensten Charakter, dem objektiven Streben nach Wahrheit, aus jeder Parteipolitik heraushalten wolle. Wird man ihm aber Gehör schenken in einem Lande, das dem Dogma vom Primat der Politik fast bis in die Staubgefäße in den Parkanlagen verfallen ist?

Er verkündete weiter, daß die höchsten wissenschaftlichen Organisationen, Akademie und Rektorenkonferenz, den Forschungsrat ins Leben gerufen haben, und wirklich kann hier niemand die Zuständigkeit bestreiten. Das Dach, unter dem das Neugeborene aufwachsen soll, ist fest gefügt. Wie aber steht es um das Fundament des Hauses, um die Finanzierung? Der Deutschen Forschungsgemeinschaft standen im Vorjahr 100 Millionen DM zur Verfügung; selbst das kleine Belgien wandte 1,5 Millionen Francs für die Forschung auf. Kein Kulturland, das heute nicht Millionen für Forschungszwecke auswirft; denn die Konjunktur läßt sich nur durch Aufwertung der nationalen Produktion von der Forschung her erhalten. So hat auch in Österreich das Parlament seit Jahren dem - nicht existenten - Forschungsrat 7 beziehungsweise 6 Millionen Schilling bereitgestellt, und gewiß würde der Unterrichtsminister dem neugegründeten Verein diesen Betrag zu treuen Händen übergeben, sobald die Parteien, das heißt das Parlament, ihn dazu ermächtigen. Aber werden sie es tun? Virulent könnte unser Forschungsrat erst werden, wenn diesem Jahresbetrag eine Null angehängt würde. Satzungsgemäß hat das Kuratorium, dem auch der Notring der wissenschaftlichen Verbände Österreichs angehört, die Mittel bereitzustellen. Doch die Bundeshandelskammer soll es bereits abgelehnt haben, einem solchen Gremium beizutreten. Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer müssen noch ihre Entschlüsse präzisieren, ehe das Kuratorium mit Erfolg fungieren kann. Die Vereinigung Österreichischer Industrieller zeigt sich zur Stunde eher reserviert.

Daß sich endlich alle mißgebenden Forschungsinstitute (wenn auch nicht alle Forscher) auf einen Entwurf geeinigt haben, obwohl auch jetzt Museen und Bibliotheken nicht als Mitglieder vorgesehen sind, löste eine Genugtuung aus, die gegenwärtig durch Gerüchte gedämpft wird, daß die zweite Regierungspartei mit einem neuen Konzept hervortreten wolle. Leicht könnte hier ein Abraham a Santa Clara kanzeln, wie sehnsüchtig man dem ungeborenen Kind Geschenke in die Wiege legte, wie man aber sein Haar nach der Geburt bald zu dunkel, bald zu licht fand. Muß auch der Forschungsrat raten, wie man die Forschung finanziert?

Da unsere besten jungen Kräfte nach dem Ausland abwandern, verfügen heute manche Institutionsdirektoren über keine Assistenten mehr, laborieren Staatsbetriebe und Privatfirmen mit Ersatz zur Füllung der Lücken und spitzen sich die Lehrverhältnisse an den technologischen Schulen katastrophal zu. Die Ursache dieser eigenartigen Auszehrung liegt dSf1n,9l8aß We mwtäftncfiP AutdrriSBd'n ÜäS1 Verhältnis zwischen manuellen und geistigen Arbeitern verschiebt: Fabriksäle Teeren' sich, Konstruktionsbüros füllen sich. Wohl erreicht dieser Wandel bei uns noch nicht die Ausmaße wie in den westlichen Industrieländern, doch wirkt es bei uns verschärfend, daß hier die geistigen Berufe in beengten Wirkungsstätten weit schlechter als dort bezahlt sind. Gewiß sollen unsere Nachwuchskräfte im Ausland ihren Gesichtskreis erweitern, aber sie müßten dann wieder zurückkehren, um mit ihrem vermehrten Wissen dem Vaterland zu dienen, das für ihre Ausbildung immerhin Opfer gebracht hat.

Gemeinsam mit dem Verband der Auslandsösterreicher hat der Notring der wissenschaftlichen Verbände eine Erhebung der österreichischen Prominenz in aller Welt mit Hunderten von Namen hochqualifizierter Geistigkeit durchgeführt. Viele von unseren Wissenschaftlern im Ausland wollen nicht zurück, die meisten aber können nicht zurück, weil ihnen hier keine angemessene Bezahlung, kein entsprechender Wirkungskreis, keine Zukunftsaussicht oder keine Wohnung geboten wird. Es ist ein Gebot der Stunde, eine Organisation ins Leben zu rufen, die sich der heimkehrwilligen Wissenschaftler in der Fremde annimmt, indem sie die Bande zur Heimat neu knüpft und den Weg zur Rückführung ebnet.

i “Vöh'-'jeher hat der österreichische Raum als das Tor nach dem Osten gegolten. Der Zerfall der Monarchie und die politischen Umwälzungen haben zwar viele ausgefahrene Gleise zerstört; doch haben wir selbst wenig getan, um die naturgegebenen Wege offenzuhalten. Wir bekritteln den Eisernen Vorhang, der vor uns herabgesenkt wurde, übersehen dabei aber, daß wir selbst in uns einen solchen Vorhang zur Abwehr geschaffen haben. Wenn sich Österreichs Bevölkerung auch fast einmütig zum Westen bekennt, so sollte sie sich darum doch nicht wieder in eine Rolle der „Ostmark“ drängen lassen. Wir sind kein Endbahnhof, an dem die Welt mit Brettern vernagelt ist, sondern wir wollen wie seit eh und je der Mittler zwischen Ost und West sein, was ja auch politisch durch den Status der Neutralität Ausdruck gefunden hat. Für die Wissenschaft gilt das in besonderem Maße. In allen Oststaaten entwickeln sich Lehre und Forschung in atemberaubendem Tempo. Während bei uns die zum Ingenieurberuf drängende lugend bald aus Raumnot, bald aus Mangel an Lehrkräften abgewiesen wird, schleust staatliche Förderung jenseits unserer Ostgrenzen sie zu Zehntausenden durch Fachschulen und Hochschulen. So fern mir hier eine wirtschaftliche Deutung dieser Zustände liegt, halte ich es für die höchste Zeit, daß wir den Kopf nicht länger in den Sand der Politik stecken oder gar unwillig abwenden, während im Osten, und vornehmlich in der Sowjetunion, modernste Institute, gigantische Forschungsstätten und neue Methoden entwickelt werden.

Der Zweck der Arbeitsgemeinschaft für den Südosten und den Orient, deren Gründung Hugo Hassinger wenige Jahre nach Kriegsende geglückt war (siehe die „Furche“ 1949), lag in einer solchen Orientierung, zu der sich damals schon mehr als hundert Wissenschaftler bereitgefunden hatten. Die Besatzungsmächte verfügten jedoch eine Auflösung dieser Organisation. Dankenswerterweise ist im Vorjahr mit Förderung seitens des Unterrichtsministeriums eine Arbeitsgemeinschaft Ost ins Leben gerufen worden, die gemeinsam mit der jungen Hammer-Purgstall-Gesellschaft die Blickrichtung nach dem Osten wieder aufgenommen hat.

Das Fulbright-Programm, das soeben das zehnjährige Jubiläum seines segensreichen Wirkens in Österreich feiert, hat mit einem jährlichen Aufwand von 250.000 Dollar in seinen ersten neun Programmjahren eine Tätigkeit für 132 Dozenten und andere Wissenschaftler, 53 Lehrer und 488 Studenten aus Österreich für die Dauer von drei Monaten bis zu zwei Jahren in den USA ermöglicht, während umgekehrt 61 Dozenten, 54 andere Wissenschaftler, 41 Lehrer und 340 Studenten aus Amerika in Österreich arbeiteten.

Wäre es nicht möglich, auch eine ähnliche Aktion östlicher Staaten zu erwirken? Unsere Politik hat in allen Fragen des Ostens eine glückliche Hand bewiesen. Vielleicht gelingt es, auch dem klein gewordenen Österreich, im Bereich der Wissenschaft jene Mittlerstellung zurückzugeben, aus der ihm einst seine eigene Größe erwuchs.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung