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Wirtschaft und Messe in Tirol

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Am 22. September öffnete die Innsbrucker Messe zum 30. Male ihre Tore. Es ist aus diesem Anlaß angebracht, wieder einmal die Frage zu prüfen, inwieweit die Abhaltung von Waren-und Mustermessen notwendig und sinnvoll ist. Nicht selten nämlich kann man die Meinung hören, daß sich derartige Messen heutzutage überlebt hätten. Diese Ansicht ist darauf zurückzuführen, daß es durch die großartige Entwicklung des Handels in den letzten Jahrzehnten und durch das Entstehen vieler Fach- und Spezialgeschäfte dem Käufer in fast jeder größeren Stadt möglich ist, sich über das vorhandene Warenangebot einen raschen Überblick zu verschaffen und darnach die Auswahl zu treffen. Die auf den österreichischen Messen und nicht zuletzt in Innsbruck getätigten Kaufabschlüsse sowie die beachtlichen Besucherzahlen beweisen jedoch, daß die Waren- und Mustermessen noch keinesfalls als überflüssig anzusehen sind. Die Umgestaltung der Innsbrucker Messe zu einer Fachmesse für den Bedarf des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes sowie für die alpine Landwirtschaft hat das Interesse an dieser alljährlich im Herbst*stattfindenden Warenschau noch besonders gehoben. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß gerade eine Messe die Möglichkeit einer unverbindlichen Orientierung über die verschiedensten Warenarten und über technische Neuerungen auf engstem Raum gibt. Dazu kommt, daß auch die Firmen der Nachbarländer und des sonstigen Auslandes in Wettbewerb mit den einheimischen Betrieben treten können.

Den Bergen treu geblieben

Die Ausrichtung der Innsbrucker Messe auf Bedarfsartikel des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes sowie der alpinen Landwirtschaft hat ihren guten Grund in der enormen Zunahme der Bedeutung des Fremdenverkehrs. Nach Überwindung der Notsituation der Nachkriegszeit setzte in Europa ein Massentourismus in, der von Jahr zu Jahr zunimmt.

Einige Zahlen mögen dies illustrieren: Seit 1950 stieg die Zahl der Ausländerübernachtungen in Österreich auf mehr als das Sechsfache, nämlich von 4,795.700 im Jahre 1950 auf 29,772.000 im Jahre 1961. Österreich steht .heute bereits an dritter Stelle im europäische^ 'Fremdenverkehr und wird nur noch von Frankreich und Italien übertroffen. Sicher haben dazu wirkungsvolle Werbe- und Organisationsmaßnahmen sowie die Entstehung großer Reisebüros und Reiseorganisationen, insbesondere im deut-tchen Sprachraum, entscheidend beigetragen.Warum ist aber gerade Tirol im Ausländerfremdenverkehr Österreichs führend? Auf Tirol entfallen an die 40 Prozent der gesamten österreichischen Ausländerübernachtungen. Werbung und Organisation können dafür nicht allein der Grund sein. Hier muß vor allem der systematische Ausbau der beiden Saisonen, Winter-und Sommersaison erwähnt werden, die Schaffung zahlreicher den fremden Gast ansprechender Einrichtungen, wie zum Beispiel Seilbahnen und Sessellifte, die, am internationalen Maßstab gemessen, noch annehmbaren Preise sowie die bedeutende Ausweitung der gastgewerblichen und Privatbettenanzahl. Entscheidend aber ist

und bleibt die einmalige Lage des Landes Tirol mitten im Alpenbogen, gerade dort, wo die Alpen ihre größte Nord-Süd-Ausdehnung erreichen. Die vielen Gebirgstäler, jedes in seiner A^^rge^dwie anders, die herrlichen Wälder, die „schmücken Siedlungen, das sicher nicht gefahrlose, aber prachtvolle Hochgebirge, all dies übt nicht nur auf den Einheimischen, sondern vor allem auf den vom Hachland oder von der Großstadt kommenden fremden Gast einen unwiderstehlichen Anreiz aus. Die Fremdenverkehrsentwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, daß die Berglandschaft ihre treuen Anhänger hat.

Die private Gastlichkeit

Die wirtschaftliche Bedeutung des Fremdenverkehrs in. Österreich veranschaulichen die nachstehenden wenigen Zahlen:

Der österreichische Außenhandel wies im Jahre 1961 Importe mit einem Betrag von 38,6 Milliarden Schilling und Exporte von 31,3 Milliarden Schilling auf. Das Passivum der Handelsbilanz von 7,3 Milliarden Schilling wurde durch den Nettoertrag des Fremdenverkehrs in Höhe von 5,6 Milliarden Schilling zu fast 77 Prozent abgedeckt. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr übertrafen bereits die beiden bedeutendsten Exportpositionen, nämlich die Warengruppen Eisen und Stahl sowie Holz und , Holzwaren. Für die Wirtschaft Tirols ist der Fremdenverkehr von noch ausschlaggebenderer Bedeutung. Sämtliche für den Export wichtigen Wirtschaftszweige zusammen, also Industrie, Landwirtschaft, Gewerbe, Energie- und Holzwirtschaft, erreichten im Jahre 1961 nur ungefähr zwei Drittel des Ertrages aus dem Fremdenverkehr in Höhe von fast 3 Milliarden Schilling.

Wer in den Sommermonaten durch die Maria-Theresien-Straße Innsbrucks oder durch die einzelnen bekannteren Fremdenverkehrsorte Tirols wandert, gewinnt den Eindruck, daß die Aufnahme und Betreuung von einer größeren Anzahl von fremden Gästen gar nicht mehr möglich sein kann. Und dennoch stieg noch in jedem Jahr die Ausländerbesucherfrequenz. Dies ist nur dadurch möglich, daß auch die kleinsten Orte Tirols sich bemühen, im Werben um den fremden Gast mitwirken zu können, und daß die Urlauber und erholungsuchenden Menschen die ruhigen und vom Fremdenverkehrsrummel unberührten Orte und Täler zu bevorzugen beginnen. Sicher mögen die billigen Preise dabei auch mit entscheidend sein. Die Säule des Fremdenverkehrs bleibt selbstverständlich das Hotel-, Gaststätten- und Beherbengungsgewerbe.

Aber ohne die Heranziehung der vielen Privatquartiere, ohne die Einschaltung zahlreicher Bauernhöfe hätte der Fremdenverkehr in Tirol nie die vorhandene Breitenwirkung erreichen können. Heute ist es so, daß die Anzahl der Privatbetten und die Zahl der Betten in den Hotel- und Gastbetrieben fast gleich hoch sind. Insgesamt stehen an die 150.000 Fremdenbetten zur Verfügung.

So wie die Fremdenverkehrsbetriebe durch den Personalmangel gezwungen sind, eine immer weitgehendere Rationalisierung des Betriebsablaufes anzustreben, so ist auch die alpine Landwirtschaft durch das Abwandern der Arbeitskräfte veranlaßt, immer mehr Maschinen zur Bewältigung der anfallenden Arbeiten heranzuziehen. Es war daher naheliegend, daß die Innsbrucker Messe sich neben den verschiedensten für die Fremdenverkehrswirtschaft interessanten Artikeln und Waren insbesondere den für die alpine Landwirtschaft nutzbaren technischen Geräten, Maschinen und Apparaten zugewandt hat.

Es ist heute nicht möglich, vorherzusagen, welcher Art Österreichs Arrangement mit der EWG in Zukunft sein wird. Daß irgendeine Bindung kommen muß, ist wohl nicht zu bezweifeln, solange über 50 Prozent des österreichischen Außenhandelsvolumens und von den Agraraus-fuhren sogar 77 Prozent auf den EWG-Raum abgestellt sind. Die Fremdenverkehrswirtschaft ist glücklicherweise heute schon wahrlich europäisch ausgerichtet und ist von allen wirtschaftlichen und politischen Blockbildungen weitgehend unabhängig,. Das-ist und 'bleibt eitf'-g^Jtes Omen für die Zukunft Tirols. Eines allerdings braucht auch der Fremdenverkehr“: Frieden, denn alle ernstlichen Spannungen in der großen Weltpolitik wirken sich nur zu rasch auf den Fremdenverkehr aus. Diesen Frieden in Zukunft zu erhalten, das wünschen wir daher von ganzem Heizen.

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