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Wirtschaftskommentar

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Die Verflachung dar Proiperltälskurve und kurzfristige, wenn auch bemerkenswerte Krisenerscheinungen in einzelnen Bereichen der westlichen Wirtschaft sollen nicht übersehen und keineswegs verniedlicht werden, sind aber derzeit nicht von einem derartigen Gewicht, dafj von einer „drohenden" Arbeitslosigkeit (gemeint ist Massenarbeitslosigkeit) gesprochen werden könnte. Auf manchen Teilarbeifsmärkten hat sich sogar der Prozeß der Verknappung des Anbotes an geeigneten Arbeitskräften verstärkt und ist Anlaß zu beachtlichen Versorgungsschwierigkeiten geworden. Vor allem ist der Arbeitsmarkt der persönlichen Dienstleistung heute so gut wie ausgeräumt. Auf diesem leeren Markt treten trotzdem in bestimmten Zeiten des Jahres jene Unternehmer nachtragend auf, die mit einem saisonal gebundenen verstärkten Bedarf an Leistungen ihres Betriebes rechnen müssen und für die Dauer dieser Spitzennachfrage, also für Saisondauer, zusätzlich Arbeitskräfte benötigen. Vor allem sind es, wenn man von der Nachfrage nach Urlaubsvertretern absieht, Betriebe des Fremdenverkehrs (und mit ihnen verbundene Betriebe), die heute an manchen Orten ihren Bedarf an Arbeitskräften entweder überhaupt nicht oder nur qualitativ unzureichend decken können.

Nun ist aber Österreich nicht allein wegen seiner noch immer relativ niedrigen Preise (zumindest in den Mittelklassen des Anbotes) ein Anziehungspunkt für die Fremden, sondern auch wegen des menschlichen Service, das Fremden geboten wird, beliebt. Noch beliebt. Nicht wenige ausländische Besucher begegnen in einzelnen Gaststätten bereits einer Art von Bedienung, die kaum noch etwas von österreichischem Charme erkennen läßt.

Die Ursache für den Rückgang der humanen Qualität der Dienstleistungen in einzelnen Fremdenverkehrsbetrieben ist in erster Linie die erwähnte Verknappung auf dem Arbeitsmarkf des Bedienungs- und auch des Küchenpersonals. Ehedem, bei Massenarbeifslosigkeif, war das Dienendürfen, in welcher Form immer, eine verlockende Chance. Wer aber will jetzt angesichts ungemein anziehender Anbote einer Volljahresbeschäftigung in der toten Saison feiern und seine Lohnhoffnungen auf die saisonalen Einkünfte, auf Arbeitslosenunterstützung und Einnahmen aus Gelegenheitsarbeiten beschränken? Ein solches Verhalten wäre (wirtschaftlich gesehen) unlogisch und dürfte etwa von Gastwirten, die doch auch Kaufleute sind, anderen kaum zugemutet werden.

Die Betriebe des Fremdenverkehrs sind jedenfalls oft gezwungen, um überhaupt ihre sachliche Kapazität ausnützen zu können, Grenzarbeiter, qualitativ kaum geeignete Arbeitswillige, zu engagieren, das heißt Personen, denen es nicht gelungen ist, trotz starker Nachfrage nach Arbeitskräften einen Posten zu finden. Dadurch fehlt aber die notwendige Abstimmung zwischen sachlicher und humaner Kapazität der Betriebe: Erstklassig ausgestattete Gasthöfe und schlechtes Personal. Oder die Unternehmer veranlassen, dabei ständig bedroht von Organen der Arbeitsinspektion, daß das ohnedies bei Saisonbeginn vorhandene Stammpersonal bis zur Erschöpfung arbeitet, ein Vorgehen, das auch die Leistungsqualität nicht zu erhöhen vermag. Freilich bestünde noch die Möglichkeit, Arbeitskräfte anderer Teilarbeitsmärkfe anzulocken, wenn die gebotenen Löhne den Charakter von Spitzenlöhnen (im Slogan „Europalöhnen") hätten und so hoch wären, daß sie sogar das Risiko von Arbeitslosigkeit in der toten Saison vergessen lieljen. Das hieße aber für die Betriebe, die Preise der Lohnerhöhung konform nachzuziehen. Nun ist es aber die Tragik des österreichischen Fremdenverkehrs, dafj er sich überwiegend auf ein Publikum eingestellt hat (und anfänglich auch einstellen mufjte), das vorweg wenig Zahlungskraft besitzt.

Die Zahlungskraft jener Personen, die Österreich in den nächsten Jahren als Reiseziel wählen werden, praktisch überwiegend Bundesdeutsche, wird kaum zunehmen. Im Gegenteil. Die Angehörigen der Gesellschaftsschichten, die bisher das Gros der Kunden im Fremdenverkehr Österreichs stellten, sind Immer mehr geneigt, angesichts einer stabilen und wenig anziehenden Wettersituation in Österreich unser Land mittels Tlug- zeug zu überspringen und sich im Süden bräunen statt bei uns beregnen zu lassen.

Bis 1970 werden nach bundesdeutschen Schätzungen rund eine Million Angehörige der BRD (fünf

Prozent der Urlauber) mittels Flugzeug in ihr (südländisches) Ferienquartier reisen. 1965 benützten 2,5 Prozent und 1966 bereits 3,3 Prozent zur Urlaubsreise ein Flugzeug.

Angesichts des vorliegenden Zif- fernmaterials scheinen jedenfalls die arbeifsbereifen Reserven des Arbeitsmarktes zumindest im Teilbereich der persönlichen Dienstleistungen er. schöpft zu sein. Gerade deswegen ist es notwendig, für die Zukunft neue Überlegungen anzustellen und nicht auf das qualitativ ohnedies nicht besser werdende Kontingent von Fremdarbeitern zurückzugreifen, das im Gaststättengewerbe zudem nicht immer einsetzbar ist.

Österreich gehört zwar zu jenen Ländern, die eine Höchstquote an Frauenbeschäftigung aufweisen, bedient sich aber des "Instrumentes der Teilzeitbeschäftigung noch immer in einem zu geringen Umfang. Wenn auch während des Jahres Anbote, die eine Teilzeitbeschäftigung zum Gegenstand haben, publiziert w,erden (etwa: Wiener Verkehrsbetriebe), bedürfte es doch einer intensiveren Werbung als bisher und einer sozialrechtlichen Förderung der Arbeitskräftebeschaffung bei einem teilzeitlichen Einsatz von solchen Arbeitskräften, die nicht geneigt und nicht in der Lage sind, eine Vollzeilbeschäf- tigung anzunehmen.

Viele Hausfrauen, vor allem solche, welche nicht oder nicht mehr für Kinder zu sorgen haben, finden die gebotenen Bedingungen für eine Teilzeitbeschäftigung ln der Fremdenverkehrssaison nicht immer so attraktiv, dafj sie geneigt wären, durch Annahme etwa einer Halbtagsbeschäftigung ihren Lebensrhythmus gerade in der „schönen" Jahreszeit zu ändern. Auch das gestiegene Gatteneinkommen und die weithin ohnedies unberechtigte Angst vor den Steuerwirkungen eines zusätzlichen Einkommens eines Ehepartners spielen eine Rolle.

Gleiches gilt für Studenten, die wenn sie bedürftig und im Studium erfolgreich sind, nicht mehr in gleicher Zahl wie ehedem an einem Ferienjob interessiert sind. Dazu kommt die Bestrafung der Elfern, die eine während der Ferien empfangene Kinderbeihilfe retournieren müssen, fallt ihre studierenden Kinder eine Ferienbeschäftigung angenommen haben, deren Monatserträgnis die Toleranzgrenze (derzeit unter 1000 Schilling) überschreitet. Auch im Fall der Kinderbeihilfen bei kurzfristig beschäftigten Studenten sollte im Verordnungsweg ine Erleichterung bei der Gewährung von Beihilfen möglich und eine an sich vorhandene Arbeifs- bereitschaft bei vielen Studenten im Interesse des Fremdenverkehrs und aller mit ihm verbundenen Saisongewerbe aktiviert werden.

Die auch sonst betriebsorganisa- forisch ausgezeichnet geführte Postverwaltung hat es jedenfalls verstanden, die studierende Jugend während der Urlaubssaison für Aushilfsdiensfe zu gewinnen,

So raffiniert man zuweilen bei der Arbeitsbeschaffung ist — noch immer vom Trauma der Depressionsjahre bestimmt —, so wenig Phantasie zeigt man zuweilen, wenn es um die Beschaffung von Arbeitskräften für die Dauer einer Saison geht. Anderseits sind offenkundig so viele Arbeitsreserven — auch für die Betriebe des Fremdenverkehrs — verfügbar, dafj die oft peinlich wirkenden Lücken im humanen Service, die wir in Österreich auf Reisen und bei Aufenthalten in Orten des Fremdenverkehrs festsfellen müssen, einigermaßen geschlossen werden könnten. Auf Seife der noch „freiwillig" Arbeitslosen müßte neben den Prestigesorgen die Annahme nicht ausreichender Nettoenflohnung als Folge unangemessen hoher Besteuerung beseitigt werden. Auf der Nachfrageseife des Arbeifsmarktes bedürfte es jedenfalls der Konstituierung eines Katalogs von Attraktionen, schon unter Bedachtnahme darauf, daß sich gerade in der Fremdenverkehrssaison die Zahl jener Personen, die arbeitslos und bei den gegebenen allgemeinen Bedingungen arbeitswillig ist, in den nächsten Jahren weiter verringern wird. Gegen fehlende Sonne und auch gegen die Flugzeuge des Massentourismus, die Österreichs Fremdenverkehrsorte unten liegen lassen, bleibt uns als Gegenanbot nur die Qualität unserer Dienstleistung; an sie erinnern sich unsere Gäste wahrscheinlich länger als an eine Sonnenbestrahlung, deren Färbewirkung man übrigens auch auf synthetischem Weg erzielen kann.

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