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Wo der Sturm weht

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Eine heillose Geistesverwirrung scheint sich in kirchlichen Kreisen Lateinamerikas breitzumachen. Die Situation könnte in Erweiterung des Biibelwortes so charakterisiert werden: „Der Geilst weht, wo Er will“ — und wird geweht, wo er nicht will. Prä- und postkonziiliare Kräfte gruppieren sich auf internationaler Ebene, bekämpfen sich, diffamieren sich. Die ersten werden als Blindgänger des Reiches Gottes taxiert, während die anderen mit dem Namen „Castristen“ vorliebnehmen müssen. Der ganze Fragenkomplex dreht sich um das Problem: Söll sich die katholische Kirche das Wort „Primom edere — deinde phillosophare“ zu Herzen nehmen und aktiv in die politisch-wirtschaftliche Struktur Lateinamerikas eingreifen, um die Menschenwürde der Volksmassen zu retten — öder soll sie, wie bis dahin, sich allein auf die Altar- und Kanzelkraft beschränken und den „äußeren'“ Dingen freien Lauf lassen? Mit anderen Worten: Soll die Kirche weiterhin itatlos Zusehen, wie das lateinamerikanische Volk -von Gruppen Finanzkräftiger ausigebeu- tet wird — oder soll sie sich resolut in den Gang der Geschichte einschalten? Eine andere Frage, die eine weitere Spaltung der Geister hervorruft: Darf die Kirche die Gewaltanwendung zum Umsturz einer ungerechten sozialen Ordnung gutheißen oder vielleicht gar unterstützen, oder nicht? Und eine Frage, die besonders hartnäckig in Priesterseminaren und in katholischen Jugendkreisen gestellt wird: Warum wird die lateinamerikanische Kirche noch immer von konservativistischen Bischöfen dominiert?

Aufruf der 800

Der ganze Fragenkomplex ist für die Zukunft der Kirche in Latein-

in jeder hiesigen Priesterkönferenz aufgeworfen wird. Vor einiger Zeit publizierten 800 Priester von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Bolivien ein Dokument, in dem sie die CELAM (Conferencia episcopal Latinoamericana) aufrief, offen und ehrlich gegen die Ausbeutung des Volkes Stellung zu nehmen, um nicht die Gefahr einer Auflehnung des Klerus gegen die Hierarchie heraufzubeschwören. Sie verlangen in ihrem offenen Schreiben an die Bischöfe, daß die CELAM „mit aller Klarheit und Eindeutigkeit das Joch der Gewalt, mit dem die Mächtigen — seien es Personen, Gruppen oder Völker — die Völker unseres Kontinentes während Jahrhunderten unterdrückt haben, als solches denunzieren! Sie solle das Menschenrecht dieser Völker zur Selbstverteidigung erklären! Sie solle die Christen des Kontinentes mit starker Stimme auf rufen, die Mittel zu wählen, die zu einer realen Freimachung des lateinamerikanischen Menschen und zur Errichtung einer gerechteren und brüderlichen Gesellschaft führen “.

Die katholische „Junge Kirche“ in Chile hat vor zwei Wochen ihre Postulate an die Kirche in einer recht unglücklichen und unsinnigen Gewalttat ausgedrückt: mit der Besetzung der Kathedrale von Santiago. Damit wollte sie, wie ein Sprecher sagte, gegen den Papstbesuch auf dem vom kapitalistischen Moloch regierten Kontinent protestieren (vgl. Reaktion in Europa gegen Papstbesuch in Fatima im Mai 1967). Diese Manifestation, an der auch Priester und Nonnen teilnahmen, ist ein Symptom der kirchlichen Konfusion im Raume Lateinamerikas. Nicht zu vergessen, daß sich Chile kirchlich und wirtschaftlich in Südamerika

amerika so lebenswichtig, daß er fast sehen lassen darf.

„Mißklänge“ beim Papstbesuch

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Kurz vor Beginn des 39. Internationalen-Eucharistischen Kongresses in Bogota, vor dem Besuch. Papst Pauls VI. und vor Eröffnung des

II. Konzils der lateinamerikanischen Bischöfe in Medellin entstand eine erregende Polemik innerhalb der kolumbianischen Hierarchie. Die Debatte zwischen den prä- und post- konziiiairen Bischöfen läßt die grundverschiedene Mentalität beider Gruppen in den grellsten Farben schillern. Die Wichtigkeit des Augenblickes sowie des Themas hat bereits auf internationaler Ebene hohe Wellen geschlagen.

Die Meinungen prallten aufeinander im Hinblick auf das Arbeits-

Programm der II. lateinamerikanischen Bisichofslkonferenz in Medellin, an der auch Papst Paul VI. teilnahm. Dieses Programm enthält eine Analyse der wirtschaftlichen, sozialen, politischen und religiösen Realität Lateinamerikas. Für den Rückstand

und für die Unterentwicklung des Subkontinentes wenden die herrschenden Gruppen als die historisch Verantwortlichen genannt. Das Dokument wurde von einer Kommission von Bischöfen, Priestern und Laien dm Dienste der CELAM erarbeitet. Die CELAM ist ein hierarchischer Organismus mit ständigem Sekretariat in Bogota. Sie orientiert die Pastoraltätigkeit der 750 lateinamerikanischen Bischöfe.

„Castro-Infiltration"

Die konservativen Sektoren der Kirche Kolumbiens haben das Programm energisch zurückgewiesen. Hartnäckig sprechen sie davon, daß die vorbereitete Arbeitsordnung ein Beispiel der „castristischen Infiltration“ in der Kirche Lateinamerikas daratelle. Diesem Urteil hat sich sogar der apostolische Administrator der Erzdiözese von Bogota, Präsident der CELAM und Vorsitzender des 39. Internationalen Eucharistischen Kongresses, angeschlossen. In seiner Verlautbarung nennt der Erzbischof Msgr. Munoz Duque das Dokument ungerecht, parteiisch und negativistisch. Der Erzbischof von Medellin, Botero Salazar, hat diese abschätzende Kritik des Arbeitsprogrammes energisch zurückgewiesen. Er erklärte, daß die Arbeitsordnung weder marxistisch noch

castrdisfeüsHh ' hoch' nöiätliv&ikch Sei, sondern ganz einfätei'tri,Wfi?tiÄ. „Der allgemeine Nenner Lateinamerikas, von Mexiko bis Argentinien, ist die Unterentwicklung!“ Die überwältigende Mehrheit des lateinamerikanischen Volkes sei das Opfer eines Systems der Ungerechtigkeit. Die Kirche könne nicht mehr der sozialen Ungerechtigkeit in Lateinamerika durch ihr Schweigen den Rücken decken. „Mit der Kritik, die von Castrtsten und Kommunisten gegen die soziale Ungerechtigkeit lanciert wird, erkläre ich mich einverstanden. Wie alle guten Christen, wünschen auch sie die Erlösung des Volkes, doch sind unsere Wege

grundverschieden.“

In Fesseln geschlagen

Der Bischof von Buenaventura (Meereshafen am Stillen Ozean), dem seine Gegner sozialistische Tenden-

'.en vorwerfen, erklärte Reporten gegenüber, daß weder der Eucharistische Kongreß noch der Papstbesuch und noch weniger di( Bischofsversammlung in Medellir ne Bedeutung halbe, wenn man siel '.war den ewigen moralischen un circhlichen Problemen zuwende, da- jei aber die Menschen Lateinamericas und aller unterentwickelter Lanier vergesse, die sehnsüchtig darau

Vorspiele

Auf Grund der während erbitterter Kämpfe erbeuteten Unterlagen ist Delhi überzeugt, daß der Aufstand- von 1 Rotchina mit aHen 'Mist-? teln geschürt werde. Im Laufe der letzten Jahre sollen insgesamt 15.000 Nagas auf Schleichwegen nach Rotchina und von dort nach ihrer Ausbildung im Guerillakrieg wieder zurückgebracht worden sein. Die Kämpfe gehen in immer größer werdendem Ausmaß weiter. Schon im Vorjahr wurde in der Provinzhauptstadt Kohima zugegeben, daß bei Kämpfen mit aufständischen Nagas mindestens 200 Wohnhäuser zerstört wurden.

Und all dies war nur der Auftakt zu umfangreicheren Kampfhandlungen. Auch nachher befanden sich noch immer 600 bewaffnete Aufständische in der Nähe von Kohima. Sie waren in Gruppen von je zehn Mann aufgeteilt, denen infolge von Geländeschwierigkeiten nur sehr schwer beizukommen war. Bei einem Zusammenstoß zwischen 400 aufständischen Nagas und birmanischem Mili-

warten, ihre Würde und Freiheit in der Welt zu erhalten. Der direkten Frage, ob er das sozialistische System für die Entwicklung Lateinamerikas empfehlen könne, wich Bischof Valenciano in diplomatischer Weise aus: „In den sozialistischen Ländern gibt es heute weder Analphabetismus noch wirtschaftlichen Rückstand noch moralische Not. Im Gegensatz dazu: Wir Lateinamerikaner behaupten, die Freiheit, die freie Initiative und die Demokratie zu haben, und daß Gott auf unserer Seite stehe. Und trotzdem sehen wir die Mehrheit unseres Volkes in den Fesseln der Sklaverei, der Ignoranz und des Elends.“

Vorwürfe gegen Neu-Delhi

Aber auch das Verhalten Neu-Delhis wird von manchen Indern nicht gebilligt.' Sie verurteilen unter ande-- rem die Ausschaltung des bedeutenden indischen Politikers Jayapra- kash Narayan aus dm Friedensverhandlungen mit den Aufständischen, was angeblich zur Stärkung ihres radikalen Flügels beigetragen hat. Manche gehen sogar so weit, Delhi vorzuwerfen, es habe durch eine verfehlte Politik — vielleicht ungewollt — die Führer der Aufständischen in eine Lage hineinmanövriert, in der ihnen nur noch die Wahl blieb zwischen dem Aufgeben ihrer Forderung nach Selbständigkeit, wodurch sie automatisch fast ihre ganze Befolgschaft verloren hätten, und der Billigung der rotchinesischen „Hilfe“ mit all ihren Gefahren.

Den härtesten Vorwurf erheben aber manche Asienkenner wegen der nach ihrer Meinung völlig unzureichenden Berücksichtigung der Zu-

sammenhänge' zwischen

giösen Faktoren und den MögJidikei- ' tön' ' deBeS'cftigü'hg didses“'gö!äffi lichen Kriegsbrandherdes im Nordosten der Indischen Union. Denn nahezu die Hälfte der Nagas sind Christen, die im Laufe der Jahre zum Teil von baptistischen Predigern für den Übertritt zum Christentum gewonnen wurden. Auch sollte man nacht vergessen, daß nach dem Abzug der Briten aus Indien gerade die tragenden Kräfte der meisten Naga-Stämme Christen waren, die vor dem Aufgehen ihrer Gebiete in einem hinduistisch werdenden Indien Furcht empfanden. Es ist kein Wunder, daß gute Asienkenner der Ansicht sind, daß die Vernachlässigung der geistig-religiösen Aspekte der Naga-Frage vielleicht ungewollt der rotchinesischen Einflußgewinnung in diesen strategisch wichtigen Sturmzonen im Nordosten Indiens in die Hände gearbeitet hat.

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