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Woher?

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Oesterreich, und damit in erster Linie das neugeschaffene Amt für Landesverteidigung, steht heute vor der einmaligen Aufgabe, aus dem Nichts ein Heer aufzustellen, das in der Lage ist, die Grenzen des Landes zu schützen und auch gegen einen übermächtigen Feind solange hinhaltenden Widerstand zu leisten, bis die Diplomatie die Möglichkeit hat, größere Mächte — wie die Vereinten Nationen — zur Hilfeleistung zu mobilisieren. Diese Aufgabe wird Regierung und Volk zweifellos vor Probleme vor allem finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Natur stellen. Anderseits aber besteht, da von Grund auf begonnen werden muß, die nicht wiederkehrende Gelegenheit, das Heer nach den modernsten Gesichtspunkten und letzten Erfahrungen auszurüsten.

Die Ausrüstung des Heeres kann nun entweder durch Ankäufe im Ausland oder durch Herstellung des Gros von Waffen und sonstigen Mitteln im Inland erfolgen. Die Einfuhr, vor allem von Waffen, hat, abgesehen von rein wirtschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkten, einen vorwiegend militärischen Nachteil.

Die Verteidigung des österreichischen Staatsgebietes würde nämlich in diesem Falle von Ereignissen außerhalb unseres Einflußbereiches abhängig gemacht werden. Die Auswirkungen einer kriegerischen, politischen, aber auch nur wirtschaftlichen Entwicklung des Lieferlandes würden sich zumindest auf den Bereitschaftsund Ausbildungsstand, im extremen Fall aber auch auf die tatsächlichen Operationen unseres Heeres auswirken. Es ist daher eine Sache, ob man, angesichts eigener Fabriken, alte Straßenbahnwagen im Ausland kauft, und eine andere, ob man die Bewegung der zur Landesverteidigung notwendigen Verbände vom guten Willen oder der Liefermöglichkeit anderer Staaten. abhängig macht. Das erster? ist eine dem Laien nicht ganz verständliche Angelegenheit ohne ernstere Konsequenzen, das letztere kann zum Untergang des Landes führen.

Selbst das kleine Nachkriegsösterreich der Ersten Republik, das an Industrien bei weitem nicht so gesegnet war wie wir es heute, sind, hat bewiesen, daß es imstande ist, sein Heer mit einem großen Teil der benötigten Ausrüstungsgegenstände und Waffen zu versorgen. Es hat nicht nur- die zur Uniformierung des Soldaten und zur Ausstattung der Kasernen notwendigen Güter hergestellt, sondern auch für die damalige Zeit mustergültige Waffen, wie die Maschinengewehre und Maschinenpistolen aus Steyr, die 7,5-cm-Gebirgsgeschütze und 10,4-cm-Kanonen von Böhler und dem Arsenal, sowie schwere Straßenpanzerwagen und andere Militärfahrzeuge, vor allem geländegängiger Art, produziert.

Oesterreichs Industrie ist heute zweifellos in der Lage, die Produktion der Ersten Republik bei weitem zu übertreffen. Von grundsätzlicher Wichtigkeit ist jedoch, sowohl im Interesse des Heeres als auch der Wirtschaft, eine enge Zusammenarbeit dieser beiden Faktoren. Es wird einerseits Sache des Heeres sein, sich darüber klar zu werden, welche Gegenstände es braucht und in welcher Reihenfolge und Priorität diese zu liefern sind. Das bedeutet allerdings, daß das Heer mit seinen Ausschreibungen nicht auf bestimmte Gegebenheiten, wie Annahme des Wehrgesetzes, wartet, sondern schon jetzt der Wirtschaft die Möglichkeiten gibt, ihre Kalkulationen anzustellen. Die Wirtschaft wird ihrerseits das Heer über ihre Kapazität informieren und angenommene Aufträge pünktlich und in bester Qualität durchführen müssen.

Das Prinzip des Heereseinkaufes durch Ausschreibung soll, wie dies in den meisten demokratischen Ländern der Fall ist, Geltung erhalten. Es soll, mit Ausnahme bestimmter Waffenankäufe, bei welchen Sicherheits- und sonstige Gründe dies verhindern, immer praktiziert werden. Sein Vorteil liegt vor allem in der Leistungssteigerung der Einzelfirmen in Anbetracht der Konkurrenz und der billigeren Preise im Vergleich zu staatseigenen Rüstungsbetrieben, die mit hohen Verwaltungszuschlägen zu rechnen haben.

In vielen Fällen, so vor allem bei Waffen, wird es notwendig sein, Lizenzen zu deren Herstellung zu erwerben. Wenn deren Kosten zunächst auch hoch sein werden, so birgt diese

Methode der Waffenproduktion dennoch so-1 viele Vorteile in sich, daß sie jeder anderen vorzuziehen ist. Während nämlich einerseits die höherstehend erwähnte Abhängigkeit nicht nur in der Waffenlieferung, sondern auch in der Lieferung von Ersatzteilen wegfällt, so hat man anderseits die Gewißheit, in der Lage zu sein, die modernsten Waffen ohne die durch Versuchs- und Probearbeiten erstehenden Kosten erzeugen zu können. Weiter kann der Bau moderner Waffen zu Exportgeschäften in erster Linie mit jenen Ländern führen, die am Einkauf in Staaten interessiert sind, die an Waffenlieferungen keine politischen und wirtschaftlichen Bedingungen knüpfen.

In diesem Zusammenhang noch ein Wort über den Einkauf jener Waffen, die wir kaum selbst herstellen können, wie schwere Panzer und Flugzeuge. Wir dürfen hier die Neutralität nicht auf die Spitze treiben und proporzmäßig in Ost und West einkaufen. Abgesehen von dem militärischen Durcheinander, das in diesem Falle entstehen würde, der Unmöglichkeit der Munitionierung usw., könnte nämlich ein Teil dieser Waffen sich eines Tages als Trojanisches Pferd erweisen I

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