6689149-1962_30_04.jpg
Digital In Arbeit

Wolken am Bonner Himmel

Werbung
Werbung
Werbung

Die Wolken am Bonner Koalitions-himmel, die sich kurz vor dem Ende der ersten Sessionsperiode des vierten deutschen Bundestages drohend aufgetürmt hatten, haben sich wieder zerstreut. Am 11. Juli kam es zwischen den beiden Koalitionspartnern zu einer Friedenskonferenz, in der die Probleme zwar nicht beseitigt wurden, in der man sich aber einigte, weiter in der bestehenden Koalition zu bleiben.

Anlaß war der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen, dem größten Land der Bundesrepublik, in dem am 8. Juli fast ein Drittel der Bevölkerung Westdeutschlands zu den Landtagswahlen ging. Der Wahl als der ersten seit der Regierungsbildung vom vergangenen Herbst kam besondere Bedeutung zu. Dort war die CDU unter Leitung ihres neuen Mannes, Dufhues, in erstei Linie gegen ihren Bonner Koalitionspartner, die FDP, zu Felde gezogen. Die CDU warf ihr die Koalitionsverhandlungen im vergangenen Herbst vor, ihren Wankelmut und ihre Extratouren; Das war zwar nicht ganz logisch, denn schließlich konnte Bundeskanzler Dr. Adenauer ja nur mit Hilfe der FDP sein viertes Kabinett bilden, aber es erwies sich als wirkungsvoll. Verärgert war die FDP besonders auch über den CDU-Bundesfamilienminister Würmeling, der sie wegen ihrer Haltung in der Fibag-Affäre beschuldigt hatte, „die Bol-schewisten zu unterstützen“. Dufhues erklärte es überdies noch als das eigentliche Ziel der CDU, die FDP im nächsten Bundestagswahlkampf 1965 unter die Fünfprozentklausel zi drücken, da in einem Zweiparteiensystem der CDU kaum etwas passieren könne.

Das alles führte zu heftigen Auseinandersetzungen, so daß der Vorsitzende der FDP, Erich Mende, am Samstag vor der Wahl mit der Auflösung der Bonner Koalition gedrohl hatte. Da in einer SPD-Koalition Konrad Adenauer nicht mehr Bundeskanzler sein würde, so glaubte er, die CDU auf diese Weise zur Raisor bringen zu können.

Der Wahlsonntag brachte danr allerdings der FDP eine bittere Enttäuschung. Von ihren 1961 errungener 11,2 Prozent blieben ihr noch 6,9 also sogar um 0,2 Prozent weniger, all sie bei den Landtagswahlen 1958 errungen hatte. Allerdings war die Ent täuschung der CDU kaum kleiner. Sil verlor ihre absolute Mehrheit und sanl von 50,5 auf 46,4 Prozent. Die Ent täuschung war um so bitterer, als mai kurz vorher noch großzügige Wahlge schenke verteilt und unter anderen die Beamtenbezüge um sechs Prozent erhöht hatte. Eindeutiger Sieger dieser Wahl war die SPD. Sie erhielt 43,3 Prozent (1958 39,2 Prozent, 1961 37,3 Prozent) und kam mit diesem Ergebnis der CDU gefährlich nahe.

Trotzdem hat das Wahlergebnis niemanden wirklich überrascht. Daß die Koalitionsparteien unter den wenig überzeugenden Leistungen des vierten

Kabinetts Adenauer leiden würden, stand zu erwarten. Auffallend war lediglich das schlechte Abschneiden der FDP. Offenbar begünstigt die schleichende Krise um Adenauers Nachfolge nur noch die SPD. In der Friedenskonferenz der Koalitionspartner trat die FDP noch bescheidener auf, als man allgemein erwartet hatte. Für sie stellt sich mit dieser Wahl wieder einmal die Existenzfrage.

Es zeigte sich deutlich, in welchem Maß die FDP ihren Wahlerfolg bei den Bundestagswahlen ihrer Parole „Mit Erhard“ verdankt hatte. Die CDU-

Wähler, die damals FDP gewählt hatten, sind entweder nicht zur Wahl gegangen — die Wahlbeteiligung betrug nur 73,5 Prozent —, oder sie wählter iie SPD. Das Wahlergebnis zeigte abei juch, daß ein Austritt aus der Bonnei Koalition die Lage für die FDP nichi verbessern würde. Er würde unweiger [ich in Bonn zur großen Koalitioi führen, und das ist genau das, was di( industriellen Geldgeber und di< Stammwähler der FDP nicht wollen Der Fehler, mit Adenauer in eh Kabinett gegangen zu sein, läßt siel nicht mehr gutmachen. Ja, die CDl unter Dufhues ist auf dem besten Weg der FDP die Alleinschuld für das Ver bleiben Adenauers im Amt zuzu schieben. Bewußt hat sich die CDU ii Nordrhein-Westfalen von Adenaue distanziert, den sie auf keinem Wahl plakat zeigte. Adenauer ist heute dii einzige echte Sicherung der FDP gegei eine Auflösung der Bonner Koalition Er ist heute ebenso von der FDP ab hängig wie sie von ihm, denn ohni FDP ist seine Kanzlerschaft ebensc beendet, wie ohne ihn die FDP kaun mehr einen Minister stellen würde Diese Erkenntnis schlug sich in dei Beratungen des 11. Juli in dem Vor schlag Mendes nieder, Adenauer mögi in Zukunft den Vorsitz im Koalitions jusschuß übernehmen, eine Forderung die bisher immer von der FDP abee lehnt wurde. So ist der Sieger der Wahl von 1961 durch eigene Ungeschicklichkeit mit dem Verlierer dieser Wahl auf Gedeih und Verderb verbunden. Das Wahlergebnis vom 8. Juli spricht in dieser Richtung eine klare Sprache.

Das ist aber nicht die einzige bittere Pille für die dritte Kraft. Es rächte sich jetzt die Übernahme des Bundesfinanzministeriums, die an dieser Stelle schon vor einem halben Jahr als der eigentliche Kardinalfehler Mendes bei den Koalitionsverhandlungen bezeichnet worden war. Dabei spielt es nur eine geringe Rolle, daß der neue Bundesfinanzminister Starke eine durchaus überzeugende Persönlichkeit ist. Die Wahl brachte es an den Tag, wie wenig man in Deutschland einen Sparsamkeitsminister zu schätzen weiß. Unbekümmert um die bedrohlich angespannte Finanzlage hatte das Kabinett gegen die Proteste Starkes großzügige Wahlgeschenke in Gestalt von Gehaltserhöhungen, Subventionen und dergleichen vergeben. Damit ließ sich zwar die Wahl nicht gewinnen. Aber die FDP kam in eine unangenehme Lage. Während die beiden großen Parteien ihren Wählern die schönsten Wahlversprechungen machten, mußte sie, wenn sie ihrem Finanzminister nicht in den Rücken fallen wollte, das unpopuläre Lied vom Sparen singen. Hätte Mende 1961 das ihm angebotene Außenministerium übernommen, diese Sorgen wären ihm erspart geblieben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung