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Wolken über Schwedens Thron

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Seit Mitte Jänner sieht sich der sonst kühle, zurückhaltende und jeder politischen Erregung abholde schwedische Staatsbürger vor eine Frage gestellt, die von ihm früher oder später eine Antwort verlangt und die ihn deshalb äußerst beunruhigt. Eine Gruppe von sozialdemokratischen Abgeordneten steEte den Antrag, bei den Beratungen über eine neue Verfassung auch die Frage der etwaigen Einführung der Republik zu behandeln. Der Antrag fand die Billigung der für solche Vorschläge zuständigen Instanz des Parteivorstandes der Arbeiterpartei, und er wird schon deswegen ernsthaft geprüft werden müssen. Nach den 33 Sozialdemokraten stellten auch 10 Abgeordnete der Zenterpartei einen ähnlichen Antrag, von den Liberalen glaubt man zu wissen, daß mindestens ebensoviel Parlamentarier die Einführung der Republik wünschen. Zu diesen schätzungsweise 55 Volksvertretern, die sich in dieser sehr heiklen Angelegenheit an die Öffentlichkeit wagen, kommen noch 10 Kommunisten — niemals zuvor haben sich soviel gewählte Vertreter des Volkes so unverblümt gegen den Weiterbestand der monarchischen Staatsform in Schweden ausgesprochen, wenn auch nicht übersehen werden darf, daß 65 Abgeordnete noch nicht einmal ein Viertel aller Mitglieder des Reichstages darstellen.

Auch eine von der Zeitung „Afton- bladet“ vorgenommene Leserbefragung ergab ein auffallend hohes Resultat zugunsten der Republik; nur noch 40 Prozent der Befragten sprachen sich für den Weiterbestand der Monarchie aus. Auch wenn man in Rechnung stellt, daß dieses Blatt den Gewerkschaften gehört, muß das „Abstimmungsergebnis“ für den Hof sehr beunruhigend sein, denn ein ähnlich republikfreundliches Meinungsbild ist niemals zuvor in Schweden erkennbar gewesen. Die Monarchie in Schweden ist anscheinend an einem Punkt angelangt, da sie zum erstenmal seit 150 Jahren wirklich um ihren Bestand kämpfen muß.

Der Erziehungsrat des Kronprinzen

Die Stellungnahmen gegen die Monarchie sind natürlich durch den Gedanken an einen in absehbarer Zeit bevorstehenden Thronwechsel hervorgerufen worden. König Gustav VI. Adolf ist 84 Jahre alt, bei aller noch vorhandenen körperlichen Rüstigkeit ist doch die Last dieser Jahre erkennbar geworden, vielleicht gerade anläßlich der feierlichen Eröffnung des Parlaments am 11. Jännier, die an den Regenten immer große Anforderungen stellt.

Kronprinz Carl Gustav wird Ende April erst 20 Jahre alt und wird im gleichen Monat im Gymnasium der alten Stadt Sigtuna das Abitur machen. Im Anschluß daran wird er Marinekadett, um Seeoffizier zu werden. Zur gleichen Zeit wird auch der Erziehungsrat aufgelöst, der seinen bisherigen Studien- und Erziehungsgang überwacht hat. Wer war nun dieser Rat, der sicher zu einem bedeutenden Teil dazu beigetragen hat, aus dem jüngsten Sproß des Hauses Bernadotte einen ernst- zunehcmenden Anwärter auf den schwedischen Königsthron zu formen?, Diese Frage ist von ziemlicher Bedeutung.

Vorsitzender des Erziehungsrates war Prinz Bertil, der Onkel des Kronprinzen, der bereits wiederholt bei Abwesenheit des Königs die Regentschaft ausgeübt hat. Prinz Bertü, Herzog von Halland, wird nun 54 Jahre alt, ist Erbfürst und Admiral der königlichen Flotte und wünscht natürlich den Weiterbestand der erblichen Monarchie ln Schweden.

Leutnant Frederik Peyron entstammt einem freiherrlichen Geschlecht, das — ebenso wie die Ber- nadottes — aus Frankreich stammt und dort schon 1593 geadelt worden sein soll. Der Vater und der Großvater Peyrons waren schwedische Generale, der letztere auch finnischer Oberstleutnant.

Major Hans Skiöldebrand kommt aus einer Familie aus Dalarna, die 1767 geadelt wurde und seither die Grafenkrone im Wappen führen darf.

Rittmeister Graf Göst a Lewen- haupt ist Kammerherr bei der Prinzessin Sibylla, der Mutter des Kronprinzen, Direktor und Verwalter der großen Fideikommissariates Gedde- fholm bei Västeräs. Mehrere Mitglieder seiner Familie waren bereits Kammerherm und gehörten immer zu den engsten Hofflcreisen.

Admiral Stig Ericson ist Erster Hofmarschall im Schloß zu Stockholm und gehört selbstverständlich zur obersten Spitze des Hofkreises und zu den allerersten Repräsentanten der Monarchie in Schweden. Von allen Mitgliedern des Rateis kann gesagt werden, daß sie gute königstreue und angesehene Bürger Schwedens, von untadeligem Ansehen und wohlwollende Ratgeber des Prinzen sind — aber —, so fragt man heute in Schweden, waren es wirklich die richtigen Männer, um einen jungen Mann, der unzweifelhaft zur Überzeugung kommen muß, daß er etwas ganz besonderes 1st, zu einem modernen demokratischen Staatschef zu erziehen?

Der Alte und der Junge

Niemand in Schweden will König Gustav VI. Adolf die Würde und die Krone nehmen, doch lange nicht alle Bürger Schwedens wollen ebenso selbstverständlich diese Würde und die Krone ohne weiteres an einen jungen Mann weitergeben, von dessen Eigenschaften und politischen und geistigen Voraussetzungen und Anschauungen man so gut wie nichts weiß!

Innerhalb der konservativen Partei, die als die am klarsten königs- freundliche bezeichnet werden kann, ist man sich dessen wohl bewußt, daß dieser Übergang von dem sehr alten und erprobten zum sehr jungen und unbekannten Regenten den Bestand der Monarchie in Frage stellen kann. Das erbliche Königtum ist ln einem modernen demokratischen Staat unzeitgemäß geworden. Es kann — vorläufig noch — nur durch eine überragende Persönlichkeit am Leben erhalten werden.

Man kann sogar sagen, daß es in Schweden nicht so sehr die Monarchie als Staatsform, sondern die Person des regierenden Monarchen ist, die einen großen Teil des Volkes am bestehenden Regime festhalten läßt. Der König eröffnet nicht nur den Reichstag und teilt nicht nur die Nobelpreise aus, er führt auch ständig den Vorsitz im königlichen Conseil, der Ratsversammlung der Regierung und im Außenpolitischen Rat, er gibt den Auftrag zur Regierungsbildung und er ernennt die Minister; sogar der Leiter des Dramatischen Theaters kann kaum ohne die Zustimmung des Königs bestellt werden. Dazu kommen noch alle anderen repräsentativen Pflichten und Rechte, die keineswegs so nichtig und bedeutungslos sind, als man außerhalb Schwedens oft zu glauben geneigt ist. Der König ist also keineswegs eine bedeutungslose Repräsentationsflgur, zumindest solange nicht, als die heutige Verfassung noch gilt. Und auf diesem Posten möchte man ganz einfach keinen jungen und unerfahrenen Mann sehen!

„Königin Christina?“

Diese Forderung beachtend, hat nun einer der führenden Sprecher der Konservativen, Abgeordneter Bohman, gestützt von einer Gruppe seiner Kollegen, die Einführung der weiblichen Thronfolge in Schweden vorgeschlagen. Es ist unschwer erkennbar, daß damit dem schwedischen Volk Prinzessin Christina (geboren am 3. August 1943 auf Schloß Haga) als mögliche Regentin vorgestellt werden soll. Es ist die jüngste der vier „Haga-Prinzes- sinnen“ und die einzige, die noch unverheiratet ist. Christina ist aber auch die unvergleichbar populärste, sie hat einen gediegenen Bildungsgang hinter sich, hat die Reifeprüfung mit Glanz bestanden und hat als Repräsentantin Schwedens bei Propagandareisen einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Man kann ohne weiteres annehmen, daß zahlreiche Schweden, die einem jungen König Carl Gustaf äußerst mißtrauisch gegenüberstehen würden, einer neuen Königin Christina volles Vertrauen schenken würden. Politiker und Diplomaten, die Gelegenheit hatten, die junge Prinzessin etwas naher kennenzulernen, waren über rascht von der Leichtigkeit, mit der ihre Gesprächspartnerin auch schwierige politische Fragen zu diskutieren vermag. Da die Schweden seit jeher eine Schwäche gerade für ihre Prinzessinnen haben, erscheint der konservative Vorschlag wohl überlegt, und er kommt im psychologisch und politisch richtigen Augenblick!

die Stimulierung einer Sprache, die zugunsten der linguistischen Einheit Spaniens unter der aufgezwungenen Herrschaft des Kastili sehen gelitten hat.

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