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Zeit „ nicht reif für Papstbesuch

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Kein Treffen des Papstes mit Patriarch Pavle, aber eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Jugoslawien und Kroatien zeichnet sich ab.

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Kein Treffen des Papstes mit Patriarch Pavle, aber eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Jugoslawien und Kroatien zeichnet sich ab.

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Wiederholt hat der serbisch-orthodoxe Patriarch Pavle seine Bereitschaft bekundet, sich mit Papst Johannes Paul II. zu treffen. Es war und ist jedoch anzunehmen, daß bis auf weiteres keine Begegnung zustande kommt - auch wenn Pavle und Johannes Paul den aufrichtigen Wunsch haben mögen, sich zu treffen.

Ein wichtiger Grund dafür liegt im Amtsverständnis Pavles. Die orthodoxe Kirchenverfassung läßt dem Patriarchen verhältnismäßig viele Möglichkeiten, sein Amt entweder allein auszuüben oder Entscheidungen gemeinsam mit dem Heiligen Synod (entspricht etwa der Bischofskonferenz) zu fällen. Letzteres entspricht stärker der konziliaren Tradition der Orthodoxie.

Pavle selbst hat eine extrem synodale Amtsauffassung und erklärte bereits in mehreren Fragen, daß er anders entschieden hätte als der Heilige Synod, daß er sich diesem aber füge. Vorige Woche meinte nun die „beratende Konferenz" des serbischorthodoxen Episkopats, die Zeit sei für ein Treffen der beiden Kirchenoberhäupter beziehungsweise einen Papstbesuch in Belgrad „nicht reif".

Dieser Beschluß fand aber nicht Eingang in das Kommunique. Darin gaben die Bischöfe vor allem ihrer Empörung über das Massaker in Sarajewo Ausdruck und verlangten eine „gründliche und gewissenhafte" Untersuchung der Tat, unabhängig davon, wer sie begangen habe.

Die für ein Treffen des Patriarchen mit dem Papst notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Episkopat war eher unwahrscheinlich: Auch unter den Bischöfen hat die Theorie von einer römisch-katholischen Verschwörung Anhänger. Der Vatikan sei schon 1918 ein Gegner Jugoslawiens gewesen. Seither betreibe er die Zerstörung des Staates. Ein serbisches Buch darüber erfuhr 1992 seine fünfte Auflage. Tatsächlich hat der Vatikan dem SHS-Staat (von Serben, Kroaten und Slowenen) die Anerkennung zuerst verweigert. Dies wohl insbesondere mit Rücksicht auf den katholischen Habsburgerkaiser: Der Gebietsgewinn des serbischen Königs und die Gründung des ersten Jugoslawien ging großteils auf seine Kosten.

Aus serbischer Sicht sprächen zahlreiche Indizien im Laufe der Geschichte für Ressentiments des Vatikans, etwa die Tatsache, daß er Kroatien und Slowenien 1991 noch vor allen großen Staaten anerkannt hat. Serbische Medien berichteten sogar mit Berufung auf kroatische Sendungen von Radio Vatikan, Johannes Paul II. habe sich mehrfach für eine Bombardierung serbischer Stellungen in Bosnien eingesetzt. Der katholische Erzbischof von Bel-^ad, Franc Perko, sah sich veranaßt, darauf hinzuweisen, daß die Standpunkte des Vatikan-Senders nicht immer mit denen des Heihgen Stuhls identisch seien. Der Papst habe selbst dementiert, daß er eine militärische Intervention gegen die Serben befürworte. Wofür Johannes Paul II. eintrete, das seien „wirksame Interventionen zugunsten des

Friedens" und zur Beendigung des Blutbades in Bosnien-Herzegowina.

Endgültig ist die Entscheidung der „beratenden Konferenz" nicht, sie stellt nur eine Empfehlung an die ordentliche Vollversammlung der serbisch-orthodoxen Bischöfe, die im Mai stattfindet, dar.

Aber selbst wenn die Bischöfe dem Treffen zustimmen sollten, wäre damit der Weg noch nicht geebnet. Nach Pavles Auffassung müßten bei einem so wesentlichen Anlaß wie dem ersten Treffen eines serbischen Patriarchen mit einem römischen Papst noch alle anderen vierzehn Oberhäupter der Orthodoxie konsultiert werden - ein Verfahren von unvorstellbarer Länge.

Inzwischen scheint darüber hinaus eine derartige Begegnung an Bedeutung zu verlieren. Die serbische Kirche rechnet anscheinend mit einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Jugoslawien und Kroatien: Der serbische Metropolit von Zagreb-Laibach, Jovan, ist am höchsten Fest der serbischen Kirche, dem des Heiligen Sava (27. Jänner) offiziell nach Zagreb zurückgekehrt und hat die kroatische Staatsbürgerschaft erworben. Jovan floh noch vor Ausbruch des Krieges 1991 aus Kroatien mit der Begründung, daß er physisch bedroht sei.

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