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Zu Beginn des Ignatiusiahres

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Ignatius von Loyola. Von Heinrich Boehmer. Neu herausgegeben von Hans Leube. K.-F.-Koehler-Verlag, Stuttgart. 354 Seiten.

Am 31. luli 1956 wird die Welt des 400. Todestages des hl. Ignatius von Loyola gedenken. Obwohl bereits Petrus Canisius knapp nach dem Tod des Heiligen den Wunsch nach Abfassung einer Biographie aussprach und seither zahlreiche Lebensbeschreibungen des Ignatius von gegnerischer wie auch befreundeter Seite erfolgten, so existiert bis heute ebensowenig die große Ignatius-Biographie wie es ein authentisches Bild des Heiligen gibt. Eine der vielen Phänomene, die diesen Heiligen umgeben.

Am 400. Todestag wird die Welt aber nicht nur dieses seltsamen Tatbestandes erneut innewerden, sondern auch noch eines anderen Faktums: daß eine der besten Biographien, die es überhaupt gibt, nicht von einem Katholiken, sondern von einem Protestanten stammt. Sie wurde von dem Leipziger protestantischen Kirchenhistoriker Heinrich B o e h m e r verfaßt und 1914 als erster Teil einer großen Geschichte über den Orden herausgegeben. Es blieb bei diesem ersten Teil. Boehmer starb 1927. Sein Werk über Ignatius wurde vor einiger Zeit neu von Hans Leube herausgegeben und somit wurde dieses außerordentliche Werk einem weiteren Kreis unserer Generation zugänglich gemacht. Der Vorteil des Werkes beruht nicht nur auf einer guten Kenntnis aller Quellen — diesen Vorteil besitzen auch andere Biographien —, sondern einmal in der überaus lebendigen Schilderung des Heiligen, seiner Zeit und seiner Umgebung. Die Verhöre durch die Inquisition, das Studentenleben in Paris, die Fahrt ins Heilige Land, die Reisen der Gefährten in Italien, das Leben im Generalat, die Beziehungen zu Caraffa — alles Tatsachen, die weithin bekannt sind, aber dank der Darstellungsgabe Boehmers von solcher Plastizität werden, daß der Leser alles Geschehen lebendig miterlebt. Gewiß, der katholische Leser wird in diesem Werk nicht alles finden, was er vielleicht sucht, mit mancher Wendung auch nicht hundertprozentig übereinstimmen, über alledem wird er aber die große Objektivität, die der Verfasser immer bemüht war, einzuhalten, anerkennen müssen.

Den Wert des Werkes erhöht sowohl der große Anmerkungsapparat als auch im Anhang abgedruckte Auszüge aus den Lebenserinnerungen des Heiligen, aus seinem Testament, den Aktenstücken der Inquisitionsprozesse u. a. m. Nochmals: ein außerordentliches Buch.

Die Exerzitien des Ignatius von Loyola. Ueber-letzt und mit einem Nachwort herausgegeben von Hans Urs von Balthasar. Johannes-Verlag, Einsiedeln. 96 Seiten. Preis 31.70 S.

Sowohl Ignatius von Loyola wie auch der Jesuitenorden sind unverständlich ohne genaue Kenntnis der ignatianischen Exerzitien. Sie sind die persönlichsten religiösen Erfahrungen und Uebungen des Ordensgründer, so daß man nicht mit Unrecht sagen kann, daß der Orden aus ihnen entstanden ist. Und da es der Wille des Heiligen war, daß alle jene, die dem Orden beitreten, dieselben ablegen müssen, kann man weiter hinzufügen, daß der Orden immer wieder us ihnen wächst und durch sie geformt wird. Sie sind eine Art geistiges Dienstreglement, in ihrer Bedeutung nur noch mit der Regel des Benediktinerordens zu vergleichen, die allerdings nur für Mönche gilt, während die Exerzitien über den Orden hinaus von allen Menschen angewandt werden können. Sie sind das tiefste Band, das den Orden verbindet. Alle Stoßkraft und alle Fruchtbarkeit des Ordens finden ihre Erklärung in ihnen. Die gewaltigen geistigen Kräfte, viele Ideen, die der Orden immer wieder entwickelte, finden hier ihre tiefste Begründung.

Ueber die Exerzitien wurde immer viel gesprochen, bekannt waren sie über den Orden hinaus nur wenigen. Es ist deshalb ein großes Verdienst des bekannten Schweizer Theologen, daß er die Uebungen völlig ungekürzt in einer schönen und billigen Ausgabe herausbrachte, die noch dazu den Vorteil besitzt, durch ihre Uebersetzung die schöne Herbheit des spanischen Originals wiederzugeben.

Die Jesuiten. Geschichte und Gestalt des Ordens. Von Hubert Becher. Kösel-Verlag, München. 438 Seiten. Preis 15 DM. Die Jesuiten. Von Josef Stierli. Sammlung „Orden der Kirche“, Band 1. Paulus-Verlag Freiburg (Schweiz). 234 Seiten. Preis 9.80 DM. •

Eine kurzgefaßte Geschichte des Jesuitenordens tu schreiben, ist faßt immer ein hoffnungsloses Beginnen. Die Geschichte dieses Ordens ist zu überreich an Ereignissen, so daß jede kurze Darstellung nichts anderes sein kann als ein Ueberblick mit Lücken. Viele Abschnitte aus der Geschichte des Ordens würden allein ganze Bände füllen. Man denke nur z. B. an die Chinamission und den Ritenstreit. Oder an die Reservationen der Südamerika-nischen Indianer. Oder an die Beziehung des Ordens zur Naturwissenschaft, zur Nationalökonomie, zur Geschichtswissenschaft. Diesen Schwierigkeiten konnten natürlich auch die beiden vorliegenden Bände nicht entgehen. Sie allerdings versuchten, ihr in besonderer Weise Herr zu werden: Eine Darstellung des Ordens ist unmöglich, ohne dem Stifter ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Beide Autoren gehen hier noch etwas hinaus, indem sie die Ideen, die Forderungen des hl. Ignatius besonders in den Vordergrund stellen, um dann an der Hand der Geschichte des Ordens zu zeigen, wie weit derselbe seinem Auftrag gerecht wurde. Hier „beiastet“ aber beide Autoren ein weiteres Hindernis: sie selbst sind Jesuiten, und die „discretio“, die ja der Orden besonders pflegt, verbietet es ihnen, die Verdienste des Ordens besonders hervorzuheben. So sprechen sie oft recht kühl über die Leistungen, oft ängstlich bemüht, nicht zuviel des Guten zu sagen und die Fehler ja nicht zu übersehen, fast nur vom Wunsch beseelt, dem Leser nichts als einen Ueberblick, einen Leitfaden über die Geschichte des Ordens zu geben, die es ihm ermöglicht, an Hand anderer Werke in denselben einzudringen. Beide Werke haben einige besonderes gut gelungene Kapitel! So das Buch von P. Becher, die Kapitel über den hl. Ignatius und seine Nachfolger sowie über die Aufhebung des Ordens und die Zeit des Interims. Zu Stieriis Werk

— der Verfasser ist den Lesern des „Großen Entschluß“ gut bekannt — ebenfalls die Kapitel über den hl. Ignatius sowie über die Exerzitien und die kurzen, wenn auch sehr aufschlußreichen statistischen Angaben, aus denen hervorgeht, daß der Jesuitenorden der größte innerhalb der Kirche ist (30.000 Mitglieder), wobei die amerikanische Provinz mit 7000 Jesuiten wieder die größte innerhalb des Ordens darstellt. Beide Bände können bestens empfohlen werden. Sie sind außerdem noch sehr gut ausgestattet.

Jesuiten. Schriftenreihe zur Kenntnis und Verständnis der Gesellschaft Jesu. Herausgegeben von Otto Joseph Syre SJ., Verlag Styria, Graz. Heft 1: Stimmen aus eigenen Reihen. 120 Seiten. Heft 2: Im Sturm der Zeiten. 136 Seiten.

Der Jesuitenorden war und ist eine der heißumstrittensten Gemeinschaften der Welt. Großer Bewunderung stand noch größerer Haß gegenüber. Unzählige Fabeln und Greuelmärchen begleiteten seinen Weg. Es ist deshalb ein überaus verdienstvolles Werk des Herausgebers wie auch des Verlages, durch eine eigene Schriftenreihe das wahre Wissen über den Orden zu verbreiten und Zeugnis zu geben, von seinem Wesen, seinem Wollen, seinen Taten, seinen Anfeindungen. Bis jetzt liegen von dieser Schriftenreihe zwei Hefte vor. Das erste verzichtet auf ein bestimmtes Thema, sondern läßt in bunter Reihenfolge die berühmtesten Autoren des Ordens über dessen Leben sprechen. Das zweite Heft dagegen ist einem bestimmten Thema gewidmet: der Auflösung des Ordens im Jahre 1773, der Kämpfe, die diesem Ereignis vorausgingen

— eines der perfidesten Kapitel der Weltgeschichte — sowie seiner Wiedererrichtung und seinem Leben bis zur heutigen Zeit. Ein drittes Heft soll Ignatius und seinen ersten Gefährten gewidmet sein und zum 400. Todestag des Heiligen erscheinen.

Abenteuer Gottes. Leben und Fahrten des heiligen Franz Xaver (1506 bis 1552). Von James Brodrick. Uebertragung aus dem Englischen von Oskar S i m m e 1 SJ. Gustav-Kilper-Verlag, Stuttgart. 471 Seiten.

Franz Xaver, einer der ersten Gefährten des hl. Ignatius, ist einer der größten Gestalten des Jesuitenordens und einer der bedeutendsten Missionäre der Kirche überhaupt. Auf Bitten des portugiesischen Königs ging er im Auftrag des hl. Ignatius nach Goa und versuchte dann von dort das Christentum in Süd- und Ostindien, auf Malakka, den Sundainseln und Japan zu verkünden. Bei dem Versuch, in das allen Fremden streng versperrte China zu gelangen, ereilte den noch relativ jungen Mann der Tod. Freunde brachten seinen Leichnam nach Goa, wo er bis heute begraben liegt.

Franz Xaver predigte das Christentum, wo immer er sich befand und wen immer er traf. Er predigte es Portugiesen, Indern, Malaien, Japanern; Männern, Frauen und insbesondere auch Kindern; Offizieren, Matrosen, Seeräubern, Kaufleuten; Brahmanen, Parias, japanischen Mönchen. Wie ein Komet zog sein Leben über Süd- und Ostasien, kommenden Missionären den Weg weisend.

James B r o d r i c k, selbst Jesuit, im deutschen Sprachraum bekannt durch seine Biographie über Petrus Canisius, versucht dieses Helden- und Abenteuerleben in einem Volksbuch, gestützt auf alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, sowohl Erwachsenen wie auch der reiferen Jugend zu schildern. Besonders begrüßen werden alle Leser die ausführliche Zitierung der Briefe des Heiligen, die ja ein einmaliges Dokument, sowohl in bezug auf die Mission in Asien wie auch über die Zustände in diesem Kontinent zur Zeit des Heiligen darstellen. Das einzige, was vielleicht an negativer Kritik anzuführen wäre, ist, daß das Werk manchmal zu breit ausgefallen ist. Ansonst wird der Leser sicher dieses Buch, das ein Leben schildert, welches in vielen dem des hl. Petrus ähnelt, ergriffen aus den Händen legen.

Meine geheime Mission als Jesuit. Von John G e r a r d. Mit einem Vorwort von Graham Greene. Verlag Räber, Luzern. 299 Seiten. Preis 15.40 sFrs.

Edmund Campion, Jesuit and Blutzeuge. Von Evelyn W a u g h. Kösel-Verlag, München. 271 Seiten. Preis 10.80 DM.

Alfred Delp SJ. — Kämpfer, Beter, Zeuge. Letzte Briefe und Beiträge von Freunden. Morus-Verlag, Berlin. 116 Seiten. 9 Abb. Preis 6.80 DM.

Eines der Grundprinzipien des Jesuitenordens war es immer, das Christentum überall und unter allen Umständen zu verkünden, getreu dem Auftrag „Gehet hin und lehret alle Völker“. Er fühlte sich diesem Gebot besonders auch für jene Länder verpflichtet, die sich dem Christentum gegenüber versperrten oder gar die Religion verfolgten. Begreiflich, daß die Jesuiten deshalb immer wieder mit den staatlichen Gewalten in Konflikt gerieten. So gibt es kaum ein Land auf dieser Erde, aus dem sie im Laufe der Geschichte nicht vertrieben wurden, kaum ein Land, in dessen Kerkern und Folterkammern sie nicht schmachteten, kaum ein Land, dessen Galgen oder Schafotte sie nicht besteigen mußten. Der Strom der Opfer vom Beginn des Ordens bis heute riß nie ab und wird wohl auch in Zukunft nicht versiegen. Ein Beweis dafür sind die oben angeführten drei Werke.

Zwei von ihnen schildern das Wirken der Jesuiten im Elisabethanischen England, das eines jener Länder war, welches am schärfsten den Katholizismus verfolgte. Sowohl John Gerard als auch Edmund Campion waren Engländer, die während der Verfolgung auf den Kontinent flohen, dort in den Jesuitenorden eintraten und geheim wieder in ihr Vaterland zurückkehrten, wo sie unter den abenteuerlichsten Umständen, unter allen möglichen Verkleidungen, ständig auf der Flucht, das Christentum predigten und die Sakramente spendeten. Beide wurden schließlich gefangengenommen und gefoltert. Während aber Gerard die Flucht aus dem Tower gelang und er auf das Festland zurückkehren konnte, mußte Campion eines elenden Todes sterben. (Er wurde durch die Straßen geschleift, dann gehenkt, vielleicht noch bewußtlos vom Galgen gerissen und, nachdem ihm die Eingeweide vom Henker herausgerissen worden waren, in einen Kessel siedenden Wassers geworfen.) Beide Bücher, sowohl die vor drei Jahrhunderten geschriebenen Erinnerungen Gerards als auch das Werk von Waugh, sind ein blendendes Zeugnis über das Heldentum zweier Streiter Christi. Darüber hinaus geben beide Bücher ein eindrucksvolles Zeugnis der Elisabethanischen Epoche Englands.

Das dritte Buch führt mitten in die Christenverfolgung des Dritten Reiches. Gegen Ende des Krieges saßen nicht weniger als 146 Jesuiten in den NS-Konzentrationslagern. Viele erlitten Schaden an ihrer Gesundheit. Zwei wurden hingerichtet. Einer von diesen war P. Delp, der mit dem Kreisauer Kreis des Grafen Moltke in Verbindung stand und im Verfolg des 20. Juli gefangengenommen worden war. Nach vielen Verhören, Folterungen und einer Endverhandlung vor dem berüchtigten Vorsitzenden des Volksgerichtes, Roland Freisler, der die Verteidigung des Jesuiten als „überdimensional bezeichnete, wurde Delp zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Im Kerker hatte Delp noch die letzten Gelübde ab. legen können. Das kleine Buch enthält die letzten Briefe des Gefangenen und Verurteilten und Zeugnisse seiner Freunde über ihn. Besonders erwähnenswert ist der Beitrag Dr. Gerstenmaiers, heute Präsident des deutschen Bundestages und einer der führenden Köpfe der deutschen protestantischen Welt.

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