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Zum Gedenken

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Gelbe Staubwolken jagten die Aprilwinde aus den Ruinen der Inneren Stadt, überall roch es noch nach Brand und Zerstörung. Die Kampffronten entfernten sich von Wien. In diesen Tagen versammelten sich in einem alten Hause der Annagasse ein paar Freunde zu einem literarischen Unternehmen. Es sollte kein Säumen geben. Sie wollten nach Kampf und Zerstörung Frieden und neues Leben. Den Vorsitz unter ihnen führte der Wiener Universitätsdozent Dr. Johannes Thau- r e n, der sich und das Missiologische Institut glücklich durch allerhand Fährlich- keiten der Hakenkreuzzeit erhalten hatte. Während der bösen Jahre war er der Leiter einer kleinen missiologischen Arbeitsgemeinschaft gewesen, die in strengen historischen Studien, abseits der Legende, mit den Lebensbildern großer Pioniere, Forscher und Blutzeugen der katholischen Mission befaßt war, einem Heldenbuch der Glaubensverkündigung, das für jeden Tag des Jahres eine Darbietung haben sollte. Anfang 1945 war mehr als die Hälfte dieser quellenmäßigen Erkundungen fertiggestellt, ein material- und spannungsreiches Kompendium von kirchen- und allgemein kulturgeschichtlicher Bedeutung. Das Kriegsende unterbrach diese Arbeit. Augenblicklich drängten unaufschiebbare andere Aufgaben heran: vor das Buch trat zunächst die Presse, die Zeitung, die in dem Chaos der verlassenen Schlachtfelder dem Volke Mut, Zuversicht, Richtungweisung bringen sollte. Und so berieten wir in der heimeligen Gelehrtenstube in der Annagasse über die Gründung einer Wochenschrift, ihren literarischen und publizisti schen Typus und ihre Zielstellungen und schmiedeten in brüderlichen Gesprächen an ihrem Programm. Es war uns, als stünden wir unter einer heiligen Verpflichtung. Dr. Johannes Thauren war der Mentor, unser über den weltlichen Dingen stehender Unparteiischer, in seinem Denken und Urteilen spiegelte sich der Universalismus seiner Weltwissenschaft, die auf geistige Güter besonderer Art aus ist.

So entstand unter uns der Plan, der grundsätzliche Aufriß der „Furche". Doktor Johannes Thauren war ihr Pate gestanden. In dem Programm, das, die weltanschauliche und staatspolitische österreichische Basis des Blattes bezeichnend, unter meinem Namen erschien, stand unter anderem der unmißverständliche Satz: „In voller Achtung vor der redlichen Überzeugung Andersgesinnter wird unsere Wochenschrift zum Gedankenaustausch jedem offenstehen, der mit uns denselben Zielen zustrebt. Wo andere Haß säten und daran waren, Europa in eine Steppe zu verwandeln, will die .Furche’ zur Sammlung der gesunden Kräfte für die Sicherung der naturrechtlichen Grundlagen der menschlichen Ordnung beitragen; der Ideenaustausch wird dem gegenseitigen Verstehen dienen." Was damals galt, ist heute noch unser geistiges Statut.

Untrennbar von der Erinnerung an die Gründungszeit des Blattes ist die Dankbarkeit für den bedeutenden Anteil, den an dem Sämannsdienst der „Furche" bis zum heutigen Tage Johannes Thauren hat. Ich weiß nicht, ob es ohne ihn eine „Furche" gäbe, so wie sie wurde und ist und ihren Namen über Land und Meer tragen konnte. Seinen 60. Geburtstag, den 5. November, begehen am Vorabend mit einer Feierstunde im Niederösterreichischen Landhaus die Wiener Katholische Akademie — auch sie nicht zuletzt eine Frucht seines geistigen Schaffens —, die Katholische Lehrerschaft Österreichs und zwei missionswissenschaftliche Arbeitsgemeinschaften. Ein umfangreiches literarisches Oeuvre macht Professor Thaurens bisheriges missionswissenschaftliches Lebenswerk sichtbar, so das große Sammelwerk: „Die Missionen der S. V. D. in den Heidenländern"; sein Atlas der Arbeitsfelder des Ordens und sein der katholischen Missionsgeschichte gewidmetes Kartenwerk sowie sein Buch „Die religiöse Unterweisung in den Heiden- ländern". Mit seinem hochinteressanten Quellenwerk über die österreichische „Leopoldinenstiftung“ (1940), die in den Indianerterritorien um den Michigansee Unvergängliches leistete, und mit seinem vor zwei Jahren veröffentlichten Sammelwerk über den Anteil der österreichischen Orden an der Weltmission sicherte er für schon fast vergessene österreichische missionarische Großleistungen eine bleibende Würdigung. Seit dem Tode seines Lehrers Professor Schmidlin, Münster, in den vordersten Rang unter den Missionswissenschaftern deutscher Zunge gerückt, blieb er, ehrenden Rufen ins Ausland unzugänglich, seiner österreichischen Wahlheimat treu. Er hat heute die Genugtuung, gelenkt durch sein persönliches Beispiel und sein Werk, um sich eine hoffnungerweckende akademische Missionsbewegung in Österreich erstarken zu sehen.

Die „Furche pflegt unter den Zeit-

genossen das Persönliche nicht, wenn nicht außergewöhnliche Gründe dazu veranlassen. Mit diesem Gedenken und unseren Wünschen an einen ihrer Mitgründer entspricht die „Furche" der Dankbarkeit für einen, der zu ihrer Häuslichkeit gehört.

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