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Zur Erinnerung an Hainburg

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Mit den Aktionen für die Donauauen bei Hainburg brach im Umweltbereich für Österreich ein neues Zeitalter an.

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Mit den Aktionen für die Donauauen bei Hainburg brach im Umweltbereich für Österreich ein neues Zeitalter an.

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In der Gegend des Schillerplatzes in Wien sieht man an Häuserwänden noch ein „Auweh!“. Das Spray ist verblaßt. Auch die Erinnerung. Und doch war Hainburg einer der Schnitt- und Wendepunkte der österreichischen Geschichte. Zwentendorf ist dadurch mit Hainburg verbunden, daß das Ergebnis der Volksabstimmung vom 5. November 1978, mit der die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes abgelehnt wurde, die E-Wirtschaft zum Ausbau der Wasserkräfte führte. Auch der bürgerliche Protest gegen Großprojekte verbindet die Fälle.

1983 waren die Einreichungspläne der DoKW (Donaukraftwerke) für das Kraftwerksprojekt fertiggestellt. Wegen der Nationalratswahl am 24. April 1983 erfolgten aber keine Anträge. Die WWF-Kampagne „Rettet die Auen“ begann national und international gegen das Projekt zu operieren. Nach der Regierungserklärung vom 31. Mai 1983 war aber die Errichtung eines Donau-kraftwerkes östlich von Wien wesentliches Programm der kleinen Koalition Sinowatz-Steger. Im Sommer 1983 begann die Kronen-Zei- tung ihre große Aktivität gegen das Donaukraftwerk. Bald darauf gründeten zwanzig Umweltschutzgruppen die „Aktionsgemeinschaft gegen das Kraftwerk Hainburg“. Am 16. Oktober fand die niederösterreichische Landtagswahl statt. Die Akti-onsgemeinschaft überreichte dem wiedergewählten Landeshauptmann Ludwig im November eine Resolution gegen das Kraftwerk.

In der Zwischenzeit war das Anhörungsverfahren für die Erklärung zum bevorzugten Wasserbau begonnen worden; die Anträge der DoKW auf wasserrechtliche beziehungsweise naturschutzrechtliche Bewilligung erfolgten Ende November, Anfang Dezember. Die Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet, die Bevorzugungserklärung'erfolgte am 22. Dezember 1983.

Die Bürger- und Medienkampagnen gegen das Kraftwerkprojekt hielten das erste Halbjahr 1984 an. Anfang Mai begann das „Konrad- Lorenz-Volksbegehren“ gegen den Kraftwerksbau mit der „Pressekonferenz der Tiere“. Mitte Mai kam es zur Demonstration von Arbeitnehmern auf dem Wiener Heldenplatz für die Errichtung des Kraftwerks, Ende Mai zum Treffen der Kraftwerksgegner in der Burg von Hain- burg und zum „Schwur von Hainburg“.

Die Naturschutzbehörden erster Instanz untersagten das Projekt, die DoKW beriefen dagegen.

Im Sommer 1984 kam es zur Präsentation der „Plattform gegen Hainburg“ und zur Ankündigung der Besetzung der Au im Rahmen gesetzlicher Möglichkeiten. Im September 1984 trafen sich die Promotoren des Volksbegehrens und kündigten einen friedlichen Widerstand an. Der Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens bei der Hauptwahlbehörde erfolgte am 27. November 1984. Am seihen Tag beschloß der Nationalrat das „Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Um-weltschutz“ mit der Staatszielbestimmung.

GEWALTLOSE DEMONSTRANTEN

In dieser Zeit erging der Bewilligungsbescheid der Naturschutz- behörde zweiter Instanz. Bald darauf wurden die Bewilligungsbescheide der Wasserrechtsbehörde erlassen. Dagegen wurden Beschwerden bei den Höchstgerichten eingebracht.

Als Protest gegen die naturschutzrechtliche Bewilligung wurden am 27. November 1984 im niederösterreichischen Landtag der Stiegenaufgang und das Vorzimmer zum Büro des Landeshauptmanns friedlich besetzt.

In der Folge wurde in der Stop- fenreuther Au die Kraftwerksbaustelle eingerichtet. Diese Au sowie die umliegenden Ortschaften wurden zu Zentren des Protestes. Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften Bruck an der Leitha und Gänserndorf untersagten am 6. Dezember 1984 den unbefugten Aufenthalt auf der Baustelle.

Trotzdem bauten nach dem veranstaltungspolizeilich angemeldeten Sternmarsch der „Vereinigten Initiative zur Rettung der Donau- March-Auen“ am 8. Dezember 1984 rund 300 Demonstranten ihre Zelte im Gebiet auf. Die Kundgebung „Adventfeier am 8. Dezember 1984“ fand mit 8.000 Teilnehmern außer halb des Sperrgebietes statt.

Am 10. Dezember 1984 mußten die iffi Auftrag der DoKW begonnenen Rodungsarbeiten eingestellt werden, da gewaltlos demonstrierende Aubesetzer durch die Ausführung dieser Arbeiten am Leben und der Gesundheit gefährdet woüden wären. Die Bundesregierung ermächtigte den Innenminister zum Einsatz der erforderlichen Exekutivorgane, um die Rodungs- und Einrichtungsarbeiten der Baustelle zu ermöglichen.

Am 11. Dezember waren rund 1.000 Besetzer in der Au, am 12. Dezember wurde die Errichtung von fünf Lagern im Demonstrationsgebiet abgeschlossen.

Am 17. Dezember forderte eine Betriebsrätekonferenz der bauausführenden Firmen den baldigen Baubeginn. Eine vom „Aktionskomitee für den Kraftwerksbau“ geplante Demonstration wird auf Anraten der Bundesregierung abgesagt, üm Kollisionen mit den Aubesetzern zu vermeiden. Unter Einsatz der Exekutive wurde versucht, die Rodungsarbeiten fortzusetzen.

Verordnungen der genannten Bezirkshauptmannschaften vom 18. Dezember 1984 untersagten das Betreten und den Aufenthalt von unbefugten Personen in der Stopfen- reuther Au ab 19. Dezember 1984. An diesem lag befanden sich etwa 4.000 bis 5.000 Auschützer im Gebiet. Auf einem von Demonstranten nicht besetzten Areal wurden bis zirka 13.30 Uhr rund vier Hektar Auwald geschlägert. Demonstranten stürmten zu der Rodungsstelle und trafen auf den Sperrkordon der Sicherheitsorgane. Es gab Verletzte auf beiden Seiten.

Am 21. Dezember 1984 setzte die Bundesregierung die Weiterführung der Rodungsarbeiten bis Anfang 1985 aus. Am 29. Dezember verzichtete sie auf weitere Arbeiten. Am 4. Jänner 1985 beschloß sie ein „Elf- Punkte-Programm“ (darin unter anderem Erneuerungen des Bekenntnisses zum Ausbau der Wasserkräfte und zur Errichtung des Donaukraftwerks Hainburg; Errichtung eines Nationalparks, Bestellung eines Regierungsbeauftragten) und verkündete eine einjährige „Nachdenkpause“.

Anfang 1985 kam es im Martins- schlößl in Klosterneuburg zum „Friedensschluß“ zwischen Bundeskanzler Sinowatz und Nobelpreisträger Lorenz. Der Großteil der Aubesetzer hatte die Au verlassen, Aufräumungsarbeiten zogen sich bis Ende Jänner hin. In der Zwischenzeit wurden eine Reihe von Verfahren beim Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof durchgeführt. Schließlich hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1986 den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid auf. 335.306 Stimmbürger Unterstützen das Konrad-Lorenz-Volksbegehren in der Woche vom 4. bis 11. März 1985. Der initiierte Gesetzesantrag wurde im Mai 1985 dem Nationalrat zugeleitet. Ein Beschluß in bezug auf das beantragte Gesetz erfolgte nicht. Im April 1985 bestellte die Bundesregierung die Ökologiekommission, die in drei Arbeitskreisen („Energie und Umwelt“, „Nationalpark“, „Donauraumgestaltung“) tagte. Die Schlußberichte wurden im November 1985 vorgelegt.

Im Wahljahr 1986 und im anschließenden ersten Regierungsjahr der Großen Koalition wurden Donaukraftwerksvarianten diskutiert. Es kam aber zu keiner Entscheidung über den weiteren Donauausbau östlich von Wien. Die „Nachdenkpause“ dauert lang.

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