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Zwei Männer am Start

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Es wird ernst. Mit dem Frühling und auch mit der Kampagne zur Wahl des Bundespräsidenten m 5. Mai. In den letzten Tagen sind, noch etwas schüchtern, gleich ersten Märzveilchen, die ersten Wahlaufrufe auf den Plakatwänden erschienen. Die Kandidaten haben ihre politische Tour d’Autriche angetreten, und in nicht zu ferner Zeit wird uns gewiß auch die Post jene Broschüren ins Haus bringen, die das österreichische Volk in Stadt und Land mit dem Lebenslauf der beiden wahlwerbenden Männer vertraut machen sollen. Alles geht seinen nun schon bekannten Gang, wie vor sechs Jahren, als die Oesterreicher zum ersten Male ihr Staatsoberhaupt in einer direkten Volkswahl erkoren haben.

Doch halt: es geht hoffentlich nicht denselben Gang. Die Kampagne, die der Wahl Körners zum Bundespräsidenten vorausging, war nämlich — erinnern wir uns nur - der häßlichste Wahlkampf überhaupt, den Oesterreich seit 1945 erlebte. Am Anfang standen die gegenseitigen Versprechungen und Beteuerungen, „einen fairen Wahlkampf zu führen" und ..alle persönlichen Verunglimpfungen zu meiden“. Am Ende aber gab es das unerfreuliche Schauspiel eines politischen Hexensabbats. ,,Wer spricht noch vom Bundespräsidenten?“ Dieser Klageruf eines bekannten Wiener Morgenblattes angesichts der wüsten Walstatt bestand zu Recht. An alles das wollen wir nicht nur uns, sondern vor allem die verantwortlichen Strategen der wahlwerbenden Gruppen gerade jetzt beim Eintritt in die Kampagne zur zweiten Volkswahl eines österreichischen Staatsoberhauptes erinnern. Die Spuren der Vergangenheit sollten eigentlich schrecken . .. Werden sie es tun?

Darauf wird man erst am Vorabend des Wahltages eine gültige Antwort geben können. Eines kann man vielleicht schon heute sagen. D i e Bundespräsidentenwahl 1957 steht unter einem anderen Stern als die des Jahres 195 1. Da sind zunächst einmal schon formale Unterschiede festzuhalten. Vor sechs Jahren schickte jede der im Nationalrat vertretenen Parteien zunächst einen Kandidaten ins Rennen, zu denen sich noch einige Außenseiter gesellten. — Da der Bundespräsident nur mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gewählt werden kann, war es allen politisch nüchtern Denkenden klar, daß im ersten Anlauf von keinem der Wahlwerber das hohe Ziel erreicht werden würde. So kam es auch, und ein zweiter Wahlgang mußte ausgeschrieben werden. Sein Ausgang ist bekannt.

Diesmal stehen einander von allem Anfang an nur zwei Männer gegenüber: Professor Doktor Denk und Vizekanzler Dr. Schärf. Nach der Nominierung des sozialistischen Wahlwerbers und der unabhängigen Kandidatur des verdienten Arztes, zu der sich Volkspartei und Freiheitliche bekannten, stand es für jeden, der halbwegs mit den Gesetzen der österreichischen Innenpolitik vertraut ist, fest, daß nur zwischen diesen beiden Männern die Entscheidung fallen wird. Das während einiger Zeit diskutierte Auftreten eines „dritten Mannes", etwa in der Gestalt von Professor Schönbauer, hätte im äußersten Fall einen zweiten Wahlgang erzwingen können, aber selbst da nicht einmal für einen Achtungserfolg gereicht. Ob wir es beklagen oder als der staatspolitischen Weisheit letzten Schluß ansehen: zur Stunde kann jedenfalls ein österreichischer Staatsbürger, und sei er noch so ein bekannter und auf seinem Fachgebiet auch tüchtiger Mann, bei einem so hohen Streben nur erfolgreich sein, wenn der Apparat einer großen Partei in seinen Dienst gestellt wird. Professor Schönbauer hat dies auch noch rechtzeitig eingesehen und nüchtern die Konsequenzen gezogen. Er hat dadurch nicht zuletzt seinem Namen den besten Dienst erwiesen. Die Kommunisten verzichten diesmal aus nur allzu Verständlichen Gründen auf die Aufstellung eines sogenannten „Zählkandidaten“. Das Fehlen manches teuren Hauptes würde sonst offenbar werden. Was jetzt vielleicht noch, von dieser oder jener Propagandazentrale ferngesteuert, zur Verwirrung des gegnerischen Aufmarsches in letzter Minute - am 14. April endet der Termin zur Anmeldung von Kandidaturen — an Namen von Wahlwerbern genannt werden könnte, ginge über die Rolle eines Außenseiters kaum mehr hinaus. Es wäre dies höchstens eine jener traurigen Kandidaturen, von denen am Wahlabend gemeldet wird: XY in Wien 105 Stimmen, in Steiermark 53 3 usw.... Nein es bleibt schon dabei: Professor Denk im Alleingang gegen Vizekanzler Schärf. Entscheidung daher schon in der ersten Runde.

Was die Präsidentenwahl diese Frühjahrei von der des Jahres 1951 aber grundsätzlich unterscheidet, ist die Unterstützung derKandidatur einesNichtpartei- mannes durch die erste Regierungspartei und das folgende Ja zu der Person Professor Denks durch die Führung der „Freiheitlichen". Kein Zweifel: der Gedanke, keinen von der Parteipolitik geprägten Mann an der Spitze des Staates zu sehen, besitzt nicht geringe Popularität im Lande. Und das nicht erst seit gestern. Unter den Wählern Burghard Breitners befanden sich 1951 bestimmt nicht wenige, die ansonsten nur geringe Sympathien für das politische Lager zeigen, das ihn dem Volke vorschlug. Sie folgten einfach in einer Zeit, in der das Wort Parteipolitik durchweg mit Großbuchstaben geschrieben wird, dem Ruf zur Wahl eines Nichtparteimannes. Man braucht aus dem Begriff des „überparteilichen“ Kandidaten keinen Fetisch zu machen; allein es lag nahe, daß die erste Regierungspartei — nachdem die Generation der großen alten Männer der österreichischen Politik abgetreten ist und eine Kandidatur des Bundeskanzlers für das höchste Amt der Republik zur Stunde nicht in Frage kam — diesen Gedanken zu dem ihren machte. Wir verhehlen nicht, daß wir es begrüßt hätten, wenn von seiten der Sozialistischen Partei eine positive Einstellung zu einer überparteilichen Kandidatur bekundet worden wäre. Die Antwort bestand hier in der Nominierung ihres Parteiobmannes. Damit waren die Würfel gefallen und die Absprache mit der FPOe eine Frage der politischen Routine.

So stehen sich also Vizekanzler Schärf und Professor Denk gegenüber. Hier der sozialistische Parteimann, dessen Verdienste um seine Partei und auch um den Staat nicht geschmälert zu werden brauchen, dessen „Blockadepolitik“ gegen alle Anliegen der Katholiken jedoch kaum zu vergessen ist. Dort der Mann der Wissenschaft, ein Katholik und erprobter Oesterreicher. Beide sind nüchterne Charaktere. Es ist zu hoffen, daß diese persönliche Eigenschaft der beiden Wahlwerber auch auf die Kampagne abfärbt, die in diesen Tagen beginnt.

Einer wird ja am Abend des 5. Mai auf jeden Fall dem anderen gratulieren müssen. Und sie sollen sich dabei ruhig in die Augen schauen können ... ,

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