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Zwiefaches Frankreich

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Der Begriff von den beiden Frankreich, vom wahren und dem Gegenfrankreich, gehört bereits zur festen Terminologie. Den Laizjsten erschien zu Beginn der dritten Republik das Frankreich der Menschenrechte und der Revolution, des fortschrittlich-republikanischen Regimes als das wahre Frankreich, welches gegen das Frankreich sogenannter göttlicher Rechte und des Anden Regimes die reaktionäre monarchistische Tradition zu bekämpfen hätte. Für den anderen Teil war das echte Frankreich dasjenige, das der revolutionären Anarchie ein Ende zu bereiten hatte, denn der die Tradition verneinende, individualistisch-rationalistische Wille z m Fortschritt schien das fruchtbare, die Nation erfassende organische Wachstum nur zu hemmen. Der Deutung dieses Bildes von den beiden Frankreich sind hervorragende Wissenschaftler nachgegangen, von denen Albert Thibaudet und der noch lebende Andrį Siegfried besonders hervorgehoben werden müssen. Eine verhältnismäßig kurze, aber intensiv gehaltene und klare Formulierung von dem Begriff der Rechten und der Linken gibt nun in dem vorliegenden Buch Jean L a b a s s e. Er geht den Ursachen und Veränderungen seit dem 18. Jahrhundert in präziser Weise nach und macht dadurch die labilen Parteienkonstruktionen und deren Gegenspiel im Parlament bis in die Gegenwart erst recht verständlich. In diesem Lichte liegt die ständige Spannung zwischen der Rechten und der Linken, die vielfach einem straffen Formalismus huldigten, der sich niemals erneuerte und dessen geistiges Dasein sich immer mehr erschöpfte. Der Autor vergleicht den Gesamtbegriff von Frankreich mit einem Organismus, der davon latent infiziert und von einer schweren Krankheit befallen, nunmehr endlich sich innerlich reinigen und verjüngen müßte. „Die Demokratie hat ihre Lebens, kraft an jedem Hindernis der sozialen Probleme des Jahrhunderts verloren.” (S. 163.) Von diesem Gesichtspunkt aus werden sowohl das Vorgehen wie die Taktik der links- und rechtsgerichteten Parteien vor 1940 einer strengen kritischen Prüfung unterworfen, aber nicht um sich mit diesen Ergebnissen zufrieden zu geben, sondern um den ernsten Anstrengungen jener sozial-katholischen Kreise beizustehen, die sich in der Arbeitsgemeinschaft „Economie et Humanisme” seit Jahren zusammengefunden haben. Hier wird klar gesagt, daß dem französischen Volke „seine Seele als die Erfüllung” gegeben werden muß, in der eine neue Synthese von „Gerechtigkeit und Freiheit” sich zu vollziehen habe. Daraus würde sich erst dann jener Begriff vor. der Demokratie entwickeln, der zur Vorbedingung hat „die Dezentralisierung der Verwaltung und die Aufgliederung der Machtbefugnisse, die notwendigerweise von einer Neueinteilung der territorialen Einheiten begleitet sind”.’Dies werde „ein Ende des wirtschaftlichen Liberalismus zur Folge haben und die Zukunft der Demokratie herbeiführen” (S. 114). Das Buch zeigt, daß die in diesem Studienkreis gesammelte Gruppe sich mit den schwierigen Problemen des Landes ernsthaft auseinanderzusetzen bereit ist, wie auch die verschiedenen praktischen -Versuche (vergleiche „Die Furche” Nr. 7 vom 14. Februar 1947) beweisen. Für den Nichtfranzosen wird an diesem Buch die klare und knappe Darstellung der beiden großen Ströme im politischen Frankreich von großem Interesse sein wie auch der aktive Wille zur geistigen Neugestaltung. Der Beweis, daß auch dieses Land heut noch nicht alle Schwierigkeiten überwunden hat. wobei aktuelle Vorgänge aus der Geschichte eine interessante Beleuchtung erfahren, macht den besonderen Wert dieses verhältnismäßig schmalen Bandes aus.

Sterne, Wetter und Menschen. Von Otto Myrbach. Buchverlag Neues Österreich, Wien 1948. 336 Seiten.

Dieses Buch eines fast drei Jahrzehnte im Dienst der weltbekannten Wiener „Zentralanstalt” auf der Hohen Warte tätig gewesenen Meteorologen enthält 4Q flüssig geschriebene populärwissenschaftliche Aufsätze, die mit einigen späteren Ergänzungen und Abänderungen fast durchwegs in der Reihenfolge ihrer Entstehung zwisdien 1909 und 1947 dargeboten werden. Vielleicht wäre die Anordnung nach sachlichen Gesichtspunkten für den Belehrung suchenden Leser vorzuziehen gewesen. Deshalb erhält mar! daraus mancherlei wertvolle Einblicke in die Wetter- und Erdbebenkunde. Mit seinen Ansichten über eine lunare und sogar planecare Beeinflussung des Wetters, die stellenweise mit wohl allzu großer Bestimmtheit behauptet wird, dürfte der Verfasser allerdings unter seinen Fachgenossen ziemlich allein dastehen. Himmels- mechanisch und astrophysikalisch unhaltbar ist die von ihm begünstigte Annahme, daß die Sonnenflecken durch Meteoriteneinstürze entstünden. Wegen der grundsätzlichen Wichtigkeit klarer Begriffe über Sinn und Grenzen physi- kalisdien „Erklärens” bedauern wir besonders, daß die darüber auf Seite 280 gemachten Bemerkungen und zumal das gewählte „drastische Beispiel” als mißlungen bezeichnet werden müssen. Das häufige Anklingen menschlicher Saiten zeigt die lebensnahe Berufsauffassung des

Autors. Unaufdringlich wird stellenweise eine anthroposophische Richtung der Weltanschauung spürbar.

Die Christusbotschaft des Alten Testaments.

Kurze Darlegung und Erklärung der wichtigsten messianischen Weissagungen. Von Doktor Jakob ‘Obersteiner. Verlag Herder, Wien.

Kaum zu einer anderen Zeit war das Alte Testament so „fragwürdig” wie heute. Mehr denn je scheint die Stunde des Alten Testaments gekommen zu sein. Doch wie soll man an das Rätsel dieser Sphinx herantreten? Das neue Buch von Obersteiner kann einem Führer zu den heiligen Geheimnissen sein, indem es das innerste Heiligtum des Alten Testaments, das Christusantlitz, aufzeigt. Wie ist doch unser Chrisrasbild so matt und süß geworden! Es braucht wieder die herbe Kraft des Alten Testaments. In drei großen Abschnitten zeigt Obersteiner das Christusantlitz: er spricht vom Christus der Geschichtsbücher, vom Christas der Psalmen und vom Christus der Propheten. In der Art der Ausführung überbrückt das Buch zwei Gegensätze. Auf der einen Seite ist es streng wissenschaftlich gehalten, wofür der reiche Anmerkungsapparat ein beredtes Zeugnis ablegt; auf der anderen Seite liegt in der schlichten Einfachheit der Sprache eine Wärme und Begeisterung, die sich dem nun schon zu einem festen Publikum gewordenen Kreis der theologisch interessierten Laien von selber mit- teilen wird. In dieser Art erfüllt e den Ruf unserer Zeit: „Die Theologie an die Laien!”

Gestalt und Gehalt der wahren Gesellschaft. Von Rudolf Hausleithner. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz a. d. Donau.

Der Verfasser bringt in seiner neuen Broschüre eine wertvolle Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung unserer heutigen Gesellschafts. und Wirtschaftsordnung und zeigt richtig die Gründe auf, die zu den heutigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen geführt haben. Leider behandelt die Schrift nicht dse konkreten Versuche, die bereits zu einer neuen Ordnung in Gesellschaft und Wirtschaft gemadit wurden, aber auch alle bisherigen Versuche in der Entwicklung, die darangingen, Gesellschaft und Wirtschaft in neue Bahnen zu lenken, bleiben von ihm unerwähnt. Hausleithner kommt in seiner Schlußfolgerung zur gleichen Auffassung wie andere Soziologen, die auf der christlichen Weltanschauung fußen. Diese Broschüre ist eine wertvolle Bereicherung der Literatur, die sich seit dem Umbruch 1945 in österreidi auf diesem Gebiet entwickelt hat.

Ernte am Wegrand. Von Heinz Scheibenpflug. Verlag für Jugend und Volk, Wien.

In kurzer, leichtverständlicher Weise beschreibt der Verfasser hier Beeren und Wildfrüchte, Wildgemüse und Gewürzkräuter, einheimische Tee- und Heilpflanzen, von letzteren freilich nur eine ganz kleine Auslese. Wertvoll sind dabei die praktischen Anleitungen, beziehungsweise Übersichten über das Sammeln, Aufbewahren und die mannigfachen Arten der Zubereitung beziehungsweise Verwendung der Pflanzen. Zahlreiche Zeichnungen und adit Farbtafeln tragen zur Veranschaulichung wesentlich bei. Ein nützliches Handbuch in Taschenformat für jeden Wanderer, insbesondere für die reifere Jugend. Ferdinand F. Strobl

Der Napoleonbauer, Ein Semmeringroman von O. Janetschek. Amalthea-Verlag, Wien. 278 Seiten.

Der ansehnliche Leserkreis, der sich diesem Heimatroman schon lange vor dem Krieg erschloß, wird durch die handliche und gefällige Neuausgabe Erweiterung erfahren. Lebensvolle Erzählungskunst macht den Kampf eines starrköpfigen Sonderlings gegen die Semmeringbahn und seinen von Wahnsinn umschatteten Untergang zum Gegenstand eines spannenden, in der Bergwelt und seiner Bauernschaft getreu beheimateten Zeitromans von nicht alltäglichem Format, der auch dem genialen Schöpfer jenes Bahnbaues ein literarisches Denkmal setzt.

Vox humana. Gedichte von Rudolf StibilL Verlag Anton Puster, Graz.

Mit diesen Gedichten erweist der Grazer Lyriker Rudolf Stibill seine den Durchschnitt weit überragende Begabung und eine Reife, die angesichts des jugendlichen Alters, des Dichters geradezu erstaunlich ist. Wer den oft in herbe, stahlharte Worte gekleideten Gedanken nachspürt, erlebt das Ringen eines Menschen mit allen Schicksalsmächten und empfindet audi, daß jeder Vers mit Herzblut geschrieben, erlitten und erkämpft wurde. Wenn auch Todesschatten an Vergänglichkeit erinnern, so sind doch Kraft und Glaube des Dichters stark genug, um ihn von einem Abgleiten in lebensfeindlichen Pessimismus zu bewahren. In ihrer Wucht und Würde gemahnen die von ihm gebrauchten Bilder an Holzschnitte. Die Worte folgen einander wie Hammerschläge oder sie gleichen dem Tropfen einer Quelle, die sich durch Wurzelwerk und wirres Gestein den Weg ans Licht bahnt. Auf diese Weise bezeugen sie, auch ohne liedhaft ausschwingen zu können, die Pilgerschaft der Seele und das Heranreifeu geistiger Erkenntnisse. Durch eine kleinere Auswahl dieser hochwertigen Gedankenlyrik hätten ihre kostbarsten Perlen noch an Glanz gewonnen. Dichtungen wie „Ich weiß”, „Ahnung des Todes”, „Der Kristall” und „Das Tränenkrüg- iein” gehören jedenfalls zu den bedeutendsten

Schöpfungen zeitgenössischer Lyrik. Mag auch in anderen Gedichten hin und wieder ein Klang an große Vorbilder erinnern, so ist doch dieser Liederkreis Stibills mehr als eine Verheißung, er birgt schon die Erfüllung eines Frühvollendeten.

Sieben Jahre Freie Deutsche Bühne in Buenol Aires. Ein Brevier. Herausgeg. von P. Walter Jacob. Editorial Jupiter, Buenos Aires.

In einem stattlichen Almanadi legen emigrierte deutsche Bühnenkünstler einen Rechenschaftsbericht von ihrem Wirken in der Fremde ab. Begeisterter Hingabe an ihren Beruf und der festen Überzeugung, die Tradition des wahren deutsdien Geistes zu bewahren, entsprang das Unternehmen der „Freien Deutschen Bühne” in Buenos Aires. Das Repertoire der sieben Spielzeiten — hauptsächlich auf Kammerspieltpn ge. stimmt — läßt kaum einen großen Namen der dramatischen Weltliteratur der letzten hundert Jahre vermissen. Der gut ausgestattete Band begleitet die „Freie Deutsche Bühne” getreu durch alle Jahre im Spiegel der Kritik.

Mein Heiland. 13 graphische Blätter von E. M. Meixner, eingeleitet von P. Fr. Steiner. Verlag Othomar Kloiber, Wien, und Montfort- Verlag, Feldkirch.

Wie vorliegendes Beispiel beweist, ist das Christusbild, das aus der Gartenlaubezeit in unangenehmer Erinnerung ist, noch immer nicht durch würdigere und dem Gegenstand angemessenere Bildvorstellungen verdrängt worden. Es ist immer noch derselbe süßliche, auch unter der Dornenkrone wohlfrisierte Christuskopf, der hier — freilich ein wenig „aufgenordet — den Gläubigen in dreizehn Blättern vorgesetzt wird. Nicht genug damit, kündigen die Verfasser das baldige Erscheinen eines weiteren umfangreichen Bildwerkes an. Das Nicht erscheinen desselben wäre ein erfreulicher Beitrag zur Verhinderung der Verbreitung pseudoreligiösen Kitsches.

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