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Zwischen EWG und EFTA

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Sie werden mir wahrscheinlich mir einen Rat geben: „Versucht doch mit Moskau auszukommen und nicht eine außenpolitische Situation her-bdzuführein, die euch in eine solche Spannungssituation hineinbringt.“ Man hat diese Antwort zustimmend quittiert. Das ist, glaube ich, das Um und Auf der Fragestellung unserer Politik gegenüber Moskau: eine so kluge Politik machen, daß das Interesse an der heutigen Lage und am heutigen Status quo auch auf eine lange Sicht gesichert ist.

Osthandel: Pro...

GLEISSNER: Häufig stoßen wir auf die Vorstellung, Österreich habe einen besonders großen Anteil am gesamten Osthandel und ziehe den Tramsitlbandel' osteuropäischer

Waren mit magischer Kraft an sich. All dies trifft nicht zu, sondern unser Osthandel ist ein Teil und nur ein Teil des gesamten Osthandels der freien Weit

Wie beurteilen wir überhaupt den Osthandel unter dem Gesichtspunkt einer Ostpolitik? Zunächst: Es ist einfach eine Binsenwahrheit, daß der Handel die menschlichen Beziehungen und die Beziehungen zwischen den Staaten fördert. Stärkere Handelsverflechtung bedeutet zunächst ganz unmittelbar stärkere Begegnung von Menschen, bedeutet aber auch eine Verfestigung des friedlichen Zusammenlebens von Staaten. Und ich denke hier nicht nur daran, daß wir nach Osteuropa exportieren, sondern die Kehrseite ist ja die, daß die ihre Produkte nach unserem Land ausführen. In diesem Sinne ordnet sich der Handel durchaus in das Bild einer Verflechtung der gegenseitigen Beziehungen ein, der menschlichen und staatlichen.

Die zweite Überlegung ist die, ob nicht dieser Handel mit Ländern freier Wirtschaft einen Prozeß beeinflussen könnten, daß auch die östlichen Wirtschaftssysteme sich wieder stärker in Richtung einer marktwirtsch'aftli'chen Ordnung

orientieren. Ich darf jedoch nicht verheimlichen, daß wir in unserer täglichen Beurteilung konkreter Fragen sehr skeptisch sind und hier nicht etwa uns von Illusionen treiben lassen. Man muß in Osteuropa sehr stark unterscheiden, was diskutiert und was getan wird, wobei die Tatsache, daß heute gewisse Dinge diskutiert werden, an sich positiv zu beurteilen ist.

Es gibt gewisse Anzeichen, daß heute in Osteuropa in der Diskussion man sich mehr auf das Kostendenken orientiert. Man kommt wieder zu der Erkenntnis, daß eigentlich ein Unternehmen rentabel sein soll, wenn es nicht der ganzen Volkswirtschaft zur Last fallen soll. Trotzdem glaube ich, daß wir noch sehr weit von jenem Zustand sind, in dem man sagen kann, hier ist eine marktwirtschaftliche Ordnung wiedererstanden. Auch in Jugoslawien, das hier oft angeführt wird, dessen Wirtschaftssystem sich wirklich von dem anderer osteuropäischer Staaten unterscheidet, ist dieser Zustand noch nicht erreicht, obwohl dort einige bemerkenswerte Reformen bereits durchgeführt sind. Trotzdem, bei aller Skepsis, die man im einzelnen anwenden muß, ist die allgemeine Überlegung richtig, daß eine stärkere Verflechtung im Handel mit Ländern mit freier Wirtschaft diesen Prozeß nicht hemmt, sondern eher fördert

... und kontra

Nun die Argumente gegen den Osthandel: Begeben wir uns hier nicht in eine Abhängigkeit, die uns politisch unangenehm sein kann? Jede besonders starke Verflechtung im Handel mit einem Lande — ich sehe jetzt von der politischen Seite ab — kann wirtschaftlich eine Belastung sein. Denken wir nur an die jetzige Situation, da wir durch unsere starke Verflechtung mit der Bundesrepublik Deutschland die dort eingetretene Flaute besonders stark spüren. Von dem Gesichtspunkt aus ist ganz allgemein die Überlegung richtig, daß der Außenhandel gestreut sein sollte. Es gilbt aber natürlich schon die Tatsache, daß in einem Staatshandelsland, also in einem Land, in dem der Staat selbst die Importe und Exporte kontrolliert, sich politische Überlegungen rascher und unmittelbarer auf den Handel auswirken können als in einem Lande mit freier Wirtschaft. Das möchte ich nicht bestreiten. Ich möchte nur zu überlegen geben: der Osten tritt, uns nicht mehr als Block gegenüber. Die Tatsache, daß dieser Block sich auflöst, scheint mir

die politische Geflalhr doch wesentlich geringer zu maichen.

Stärken wir alber damit nicht ein Regime, das doch im Grund frei-heitstfeindlH'Ch ist? Man kann da alle möglichen Dinge zitieren, die in der frühen kommunistischen Literatur

über die Vorteile des Handels mit kapitalistischen Ländern gesagt wurden. Aber dazu muß ich doch sagen, daß gerade die Verflechtung des Osthandels zu jener Steigerung des Lebensstandards in den Oststaaten geführt hat, was dann wieder sei-

nerseits die Ursache war, daß die Regime sich mit ganz anderen Problemen konfrontiert sahen, und daß jene Auflockerung in den osteuropäischen Staaten gerade durch dieses Steigen des Lebensstandards ausgelöst wurde.

Unser Export erwirkte in der Periode von Jänner bis Juni einige bedeutsame Änderungen, weil die Importschwemme des Vorjahres überwunden zu sein scheint und der Gesamtexport (22,44 Milliarden Schilling, plus sieben Prozent) eine beachtenswerte Erhöhung registrierte. Das 1 im Vorjahr recht bedrohliche Passivum der Handelsbilanz ist auf 7,34 Milliarden Schilling gesunken (minus 18 Prozent). Wesentlich erscheint dabei nicht nur der Rückgang der - allgemeinen Importe um 0,5 Prozent, sondern vor allem die im Vergleich zu anderen

westeuropäischen Ländern überraschende Expansion der Exporte, die allerdings manche neue Richtungen einschlagen mußten. Als Ergebnis dieses langsamen Strukturwandels entfielen von Jänner bis Juni auf die EWG 41,6 Prozent, die EFTA 21,5 Prozent, Osteuropa einschließlich Jugoslawien 19,6 Prozent und die überseeische Staatenwelt 14,6 Prozent des Gesamtexportes. Der bescheidene Rest verteilte sich auf Irland, Spanien, Griechenland und die Türkei. Der Rückgang in der EWG in Höhe von 413 Millionen Schilling wurde durch eine Zunahme der Exporte nach der EFTA im Werte von 712 Millionen Schilling ausgeglichen, ein Phänomen, das eine nähere Untersuchung rechtfertigt. Da die zweite Jahreshälfte zumeist besser ausfällt als die ersten Monate, besteht die Hoffnung, daß die Diskriminierung durch die EWG mit Hilfe der EFTA, Osteuropa und Übersee paralysiert werden kann. Die wichtigste Frage, die im Augen-

blick alle Handelspolitiker bewegt, lautet daher: Wie entwickeln sich im laufenden Jahr unsere Exporte nach der EWG und der EFTA?

Rückschlag in der EWG

Der Rückgang der Exporte nach der EWG (siehe Tabelle A) war keineswegs ausschließlich auf die Diskriminierung zurückzuführen, die allerdings manche Verluste, Hemmungen und Störungen mit sich brachte, sondern auf die allgemein fühlbare wirtschaftliche Rezession in Westdeutschland, Holland und Belgien. Zur gleichen Zeit stiegen näm-

lich die Exporte nach Frankreich um elf Prozent, nach Italien sogar um 26 Prozent, der beste Beweis, daß die EWG noch weit davon entfernt ist, eine wirtschaftliche Einheit zu bilden, wie es die Dogmen und Thesen von Brüssel behaupten. Unsere Exporte verzeichneten steigende Tendenzen in Westdeutschland überhaupt nur bei elektrischen Strom (616,9 Millionen Schilling, plus sieben Prozent) und Molkereiprodukten, in Belgien bei Papier und elektrischen Apparaten, in Holland bei Papier, Maschinen und Tonbandgeräten. Dagegen erzielten die Exporte nach Frankreich und Italien fast durchwegs Erhöhungen, in Frankreich besonders bei Butter, Papier, Maschinen und chemischen Produkten, in Italien bei Holz (1046,3 Millionen Schilling, plus elf Prozent) und lebenden Tieren (509,2 Millionen Schilling, plus 116 Prozent), in drastischer Weise ferner bei Eisen und Stahl, Maschinen, Zellulose und NE-Metallen.

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