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Zwischen Geist und Tat

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Andrė Malraux, Kultusminister de Gaulles, gehört, wie Hemingway, Saint-Exupery oder Oberst Lawrence, zu jenen faszinierenden, zwiegesichtigen Gestalten, die zwischen abenteuerlichem Tatendrang und dichterischer Phantasie eine ausgesprochen männliche Geistigkeit repräsentieren.

Der Enkel einer alten Dünkirchener Schiffsbauerfamilie, am 3. November 1901 in Paris geboren, studierte nach glänzend bestandenem Abitur Altertumswissenschaft. Nach Reisen in Europa und Afrika, nach einem ersten Buch „Monde aus Papier“, das die literarische Welt bereits aufhorchen ließ, ging der junge Malraux 1923 zu Ausgrabungsarbeiten nach Indochina. Zwei Dinge zogen ihn im Osten magnetisch an: das kulturelle Erbe Asiens und der Kommunismus. Bei seinen Forschungen im Urwald, wo er einige Khmer-Tempelreliefs fand, geriet er nicht nur in Konflikt mit der französischen Kolonialverwaltung, sondern bald auch in das Spannungsfeld der Politik. In den Anfängen der annamitischen Revolution tauchte er als Gründer der linksnationalistischen Organisation „Jeune Annam“ auf und wurde bald Beauftragter der Kuomintang für ganz Indochina, 1925 war er in China, wo er aktiv am Kantonaufstand teilnahm. Er wurde Verbindungsmann zur Sowjetunion an der Seite des Politrüks Borodin und lernte auch den engeren Kreis um Tschiangkaischek kennen. Als Tschiang 1927 mit dem Kommunismus brach, kehrte Malraux über Persien und Afghanistan nach Frankreich zurück. Sein Asienerlebnis spricht nicht nur aus dem kulturphilosophischen Essay „Die Lockung des Westens“ (1926), sondern auch aus den Romanen „Die Eroberer“, „Der Königsweg“ und vor allem aus seinem wohl besten Buch „So lebt der Mensch“ (La condition humaine), 1933 erschienen.

1933 reiste Malraux mit Andrė Gide nach Berlin, um bei Hitler die Freilassung Dimitroffs zu erbitten und gegen den Reichstagsbrandprozeß zu protestieren, natürlich vergeblich. Vergeblich blieb auch sein Bemühen, die Freilassung Ernst Thälmanns zu erreichen.

1934 tauchte Malraux in Arabien auf. 1936 war er Kampfflieger und Organisator der roten Luftwaffe im spanischen Bürgerkrieg. Aber sein Spaniertbuch „Hoffnung“, nach dem er Jahre später einen preisgekrönten Film gedreht hat, läßt bereits erkennen, daß sich in jenen Jahren der Bruch mit dem Kommunismus in ihm vorbereitete. Als die UdSSR 1939 mit Hitler paktierte, brach er auch äußerlich radikal mit der kommunistischen Ideologie und wurde Soldat. Aus deutscher Gefangenschaft glücklich entkommen, wurde er als „Colonel Berger“ aktiver Kämpfer in der Resistance.

1944 begegnet Malraux als Kommandant der Freiwilligenbrigade „Alsace-Lorraine“ zum erstenmal dem General de Gaulle. „Enfin, j’ ai vu un homme“ soll dieser damals gesagt haben. Die Freundschaft der beiden Männer, die damals begann, hat bisher jede Probe bestanden. Nach der Befreiung war Malraux de Gaulles Informationsminister, als der General die Geschicke Frankreichs zum ersten Male lenkte. Er trat mit ihm zurück und stand Schulter an Schulter mit ihm, als de Gaulle das Experiment des „Rassemblement du Peuple“ wagte. Sie hielten zusammen, als es still um beide wurde, und gemeinsam traten sie 1958 wieder auf den Plan. Malraux nunmehr als Kultusminister.

In der Zwischenzeit hatte Malraux die Welt als Kunsttheoretiker überrascht. 1947 erschien seine „Psychologie der Kunst“, in den fünfziger Jahren folgten die kunstphilosophischen Bücher „Die Metamorphose der Götter“ und „Die Stimmen der Stille“.

Sein Privatleben hat Malraux stets weitgehend zu verbergen gewußt. Man weiß, daß er dreimal verheiratet war, daß er im Kampf der Resistance zwei Brüder und später zwei Söhne durch einen Autounfall verloren hat. Mit seinen 65 Jahren ist der Dichter heute bereits eine Art Legende — eine Legende, die zum Besitz des literarischen und des politischen Freichreich gehört.

heimnis und Gewalt“ des in Paris lebenden Saarländers Georg Glaser gefunden haben. Die Romane von Theodor Plivier und Manfred Gregor sind als Reportagen des Kriegsgeschehens gewertet und gelesen worden.

Einige Beispiele mögen das große Interesse der französischen Verleger an der deutschen Literatur verdeutlichen. Im Verlag der Librairie Gallimard bemüht sich Franęois Erval als Lektor unermüdlich um deutschsprachige Autoren und hat in der „Collection du monde enitier“ in jüngster Zeit Elias Canetti, Heimito von Doderer, Gisela Elsner, Peter Faecke, Uwe Johnson und Alexander Kluge vorgestellt. Als Herausgeber der unlängst (als eine Art französisches Gegenstück zur „Welt der Literatur“, „Times Literary Supplement“ und „New York Review of Books“) gegründeten Halbmonatszeitschrift „La Quinzaine Littėraire“ ist Franęois Erval einer der großen Fürsprecher der deutschen Literatur.

Ein weiterer Verlag, der sich seit jeher um das deutsche Schrifttum bemüht, sind die Editions Calmann-Lėvy, deren literarische Leitung in der Hand des aus Österreich stammenden und sowohl deutsch als französisch schreibenden Romanciers und Essayisten Manės Sperber liegt. In der Reihe „Traduit de“ erschienen bei Calmann-Lėvy Werke von Joseph Roth, Friedrich Torberg, Hermann Hesse, Emst Wie- chert u. a.

In der Librairie Pion, die bereits die deutschen Naturalisten — die „Modernen“ der Jahrhundertwende — herausgebracht hat, dirigiert der christliche Existenzphilosoph und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels 1964, Gabriel Marcel, die der Weltliteratur der Gegenwart gewidmete Reihe „Feux Croisės“, in der auch Romane von Jakob Wassermann erschienen sind, dem man in Frankreich einen wesentlich höheren Rang zubilligt als in Deutschland.

Wenn man Sach- und Unterhaltungsliteratur außer acht läßt, sind die Bücher von Günter Grass der größte deutschsprachige Bucherfolg in Frankreich seit Jahrzehnten. „Die Blechtrommel“ erreichte schnell eine Auflage von 50.000 Exemplaren und erhielt den „Prix du meilleur livre ėtran- ger“ (Preis des besten ausländischen Buches). „Katz und Maus“ und „Hundejahre“ setzten diesen Erfolg fort und beeinflußten sogar schon die Schreibweise junger französischer Autoren. So nennt R. V. Pilhes, der Verfasser des mit dem Prix Mėdicis 1965 ausgezeichneten Romans „La Rhu- barbe“ („Der Rhabarber“) Günter Grass sein entscheidendes literarisches Erlebnis. Die Editions du Seuil haben als Verleger von Günter Grass, Heinrich Böll, Robert Musil, Rolf Hochhuth und Peter Weiß die augenblicklich in Frankreich meistdiskutierten Autoren auf ihrem Programm. Der Verlag beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Gegenwartsliteratur; soeben erschien der erste Band einer bibliophil ausgestatteten dreibändigen Rilke-Gesamtausgabe.

Es wird erstaunlich schnell und viel übersetzt. Ein Autor, dessen Werk in der Originalsprache die Zustimmung der Kritik fand, wird auch dem französischen Publikum bald vorgestellt. In den großen volkstümlichen Buchreihen fehlen die Namen deutschsprachiger Autoren jedoch weitgehend. In der inzwischen auf fast zweitausend Nummern angewachsenen größten französischen Taschenbuchreihe „Le Livre de Poche“ sind nur zehn deutsche Autoren mit insgesamt 21 Titeln vertreten; Vicki Baum, Goethe, Hermann Hesse, Thomas Mann, Erich Maria Remarque, Emst von Salomon, Jakob Wassermann, Franz Werfel, Ernst Wiechert und Stefan Zweig. — Das „Bulletin du Livre“, ein monatlich erscheinendes Verzeichnis der Neuerscheinungen, behandelte in seiner Märzausgabe das deutschsprachige Buch in Frankreich und führte 250 Titel an.

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