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Zwischen In- und Auslandsgast

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Die sprunghafte Entwicklung des österreichischen Fremdenverkehrs in den letzten Jahren hat auch die Wirtschaft des hochindustrialisierten Landes Steiermark wesentlich beeinflußt. Der Aufschwung, den der steirische Fremdenverkehr nach dem Krieg genommen hat, ist für die Gesamtwirtschaft des Landes von größter Bedeutung, wobei sich die Auswirkungen dieser erfreulichen Entwicklung nahezu auf das ganze Land erstrecken.

Die .,Grüne Steiermark“, einst das Stiefkind des österreichischen Fremdenverkehrs, ist längst dem Beispiel anderer Bundesländer gefolgt und ebenfalls ein „totales Fremdenverkehrsland“ geworden. Es gibt heute keine einzige Gegend des zweitgrößten österreichischen Bundeslandes, die nicht schon von der „Fremdenverkehrswelle“ erfaßt ist, und selbst in den kleinsten Dörfern wird der Fremdenverkehr liebevoll gepflegt, teilweise im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Kind in der Wiege.

Da es aber in der Steiermark auch viele Fremdenverkehrsorte gibt, die schon längst dem Kindesalter entwachsen und schon viele Jahre hindurch bedeutende Fremdenverkehrszentren sind, verfügt die Steiermark über Fremdenverkehrsorte verschiedenen Alters und verschiedener Größe, die zusammen zwar eine ungleiche, aber trotzdem harmonische Familie bilden. Der steirische Fremdenverkehr ist heute tatsächlich mit einer Familie zu vergleichen, in der es glücklicherweise nur ein Wachsen und Gedeihen und, mit Ausnahme einiger weniger Kinderkrankheiten, kaum Rückschläge oder gar Todesfälle gibt. Es wäre fehl am Platze, würde man behaupten, daß der steirische Fremdenverkehr in seiner Gesamtheit schon den Grad seiner Vollendung erreicht habe — wir sind uns dessen bewußt, daß dazu noch einiges fehlt —, aber wir können heute, knapp 20 Jahre nach Kriegsende, mit Stolz feststellen, daß der steirische Fremdenverkehr ein Ausmaß erreicht hat, das sich selbst Optimisten vor wenigen Jahren kaum zu erhoffen wagten.

Der steile Aufstieg des Fremdenverkehrs in der Steiermark war eine Gemeinschaftsleistung der gesamten Bevölkerung und damit ein Werk, das auf breitester Basis steht. Es war durchaus nicht leicht, aus traditionellen Industrie- oder reinen Landwirtschaftsgebieten Fremdenverkehrszentren zu machen, die Nachteile der geographischen Lage des Landes durch geschickte Fremdenverkehrspolitik zu überbrücken und großen Teilen der Bevölkerung, die bisher dem Fremdenverkehr fremd gegenüberstanden, die heute in der ganzen Steiermark bereits bestens bekannten Begriffe der ..Fremdenverkehrsge-sinnung“ einzuimpfen.

Jede rasche wirtschaftliche Entwicklung bringt die Gefahr einer Überentwicklung mit sich. Der steirische Fremdenverkehr hat sich zwar rasch entwickelt, doch vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft des Landes aus betrachtet, erfolgte diese Entwicklung in organischer Weise und damit in einem Ausmaß, das volkswirtschaftlich solid und wohlfundiert ist Die Grundpfeiler des steirischen Fremdenverkehrs sind der wirtschaftlich gesunde Inlandstourismus und der von Jahr zu Jahr wachsende Anteil des Landes am österreichischen Auslandsfremdenverkehr. Dimensionsmäßig sind diese beiden Grundpfeiler verschieden groß, 70 Inländerübernachtungen stehen etwa 30 Ausländernächtigungen gegenüber, doch scheint gerade dieses Verhältnis zwischen Inländer- und Ausländerfremdenverkehr jenes Maß zu sein, das für die Struktur des Fremdenverkehrslandes Steiermark als das „goldene“ angesehen werden darf. Ein Grundprinzip der steirischen Fremdenverkehrspolitik ist daher die Lenkung des Fremdenverkehrs in dieser Richtung, wobei die weitere Expansion der steirischen Fremden Verkehrswirtschaft zwar vorangetrieben, doch niemals in einseitiger Weise, etwa durch überwiegende Forcierung des vielleicht im Augenblick etwas attraktiver aussehenden Ausländerfremdenverkehrs, gefährdet werden soll. Diese bewußt geförderte „Koexistenz“ zwischen Inlands- und Auslandsgast ist damit zu einem Merkmal des steirischen Fremdenverkehrs geworden, der sich darin vielfach von dem anderer Bundesländer unterscheidet.

Ob Dollar, D-Mark, Gulden oder Franken — die steirische Fremdenverkehrswirtschaft kann jede Art von Devisen brauchen, sie nimmt aber auch den österreichischen Schilling, und zwar vielleicht noch lieber als alle anderen Währungen der Welt, denn der Schilling kommt vom inländischen und vor allem vom Wiener Stammpublikum, das der Steiermark schon in schlechten und jetzt in guten Tagen die Treue gehalten hat. Die gute Betreuung des inländischen Gastes ist daher die vornehmste und wichtigste Verpflichtung des steirischen Fremdenverkehrs.

So wie die Steiermark die Industrialisierung Ihres Fremdenverkehrs verhindern konnte, konnte sie sich auch ihren Charakter als Land gesunder Natürlichkeit und damit auch ihre Ruhe und Beschaulichkeit bewahren. Wenn auch in der Zeit der Hauptsaison die Parkplätze in den Fremdenverkehrsorten zu klein und die rund 80.000 Fremdenbetten des Landes zu wenig werden, so hat das Land doch genug stille Winkel, in die sich der Großstädter verkriechen, und genug Wälder, in denen er sich erholen kann. Darin liegt die Chance unseres Landes, sowohl im Inlands- als auch im Ausländertourismus.

Es wäre falsch, anzunehmen, daß die Steiermark dem Inlandsgast nur etwa deshalb seine Tore so weit öffnet, weil die Grundlagen für den Ausländerfremdenverkehr in verschiedenen Teilen des Landes vielleicht noch nicht überall gegeben sind. Wer die Steiermark kennt, wird feststellen müssen, daß in den letzten Jahren nicht nur die Quantität der Fremdenverkehrsbetriebe, sondern auch ihre Qualität wesentlich verbessert werden konnte und daß die Steiermark heute auch schon in den entlegensten Gegenden Fremdenverkehrsbetriebe besitzt, die einen Vergleich mit Gaststätten anderer Bundesländer nicht zu scheuen brauchen. Freilich gibt es noch Orte, die über das Niveau der Landsommerfrische vergangener Jahre noch nicht hinaus sind, doch gibt es unter den 300 Fremdenverkehrsorten des Landes keinen einzigen, in dem nicht intensiv an der Qualitätsverbesserung seiner Gasthöfe, Pensionen und Privatquartiere gearbeitet wird. Diese örtlichen Bemühungen zur Qualitätssteigerung werden von der steirischen Landesregierung seit Jahren zielstrebig gefördert, wobei jährlich Millionenbeträge in Form verbilligter Kredite zum Ausbau der steirischen Hotellerie in alle Teile des Landes fließen.

Ebenso intensiv wird allerorts am Ausbau anderer Fremdenverkehrseinrichtungen, wie Schwimmbäder, Skilifte, Wanderwege, Golf-und Tennisplätze, Skisprungschanzen, Campingplätze usw., gearbeitet. In allen diesen Belangen dient die Fremdenverkehrspolitik des Landes als Lenkungs- und Förderungsinstrument der Fremdenverkehrswirtschaft und bildet damit gleichsam auch die Injektionsspritze zur Entfachung örtlicher Privatinitiative.

Eine besonders wichtige Maßnahme zur Hebung des steirischen Fremdenverkehrs ist die Förderung der örtlichen Fremdenverkehrsorganisationen, vor allem der Fremdenverkehrsvereine und -verbände. Die Steiermark verfügt heute über nahezu 250 lokale Fremdenverkehrsvereine, die das Rückgrat der Fremdenverkehrsorganisation des Landes bilden. Darüber hinaus haben sich einzelne Gegenden oder Bezirke zu Gebietsverbänden zusammengeschlossen, deren regionale Aufgaben alle Sparten des Fremdenverkehrs umfassen und deren Wirken sich als überaus erfolgreich für die gesamte Fremdenverkehrswirtschaft erwiesen hat. Zwischen dem Fremdenverkehrsreferat der Steiermärkischen Landesregierung, dessen Exekutivorgan das Landesfremdenverkehrsamt für Steiermark ist, und den örtlichen Fremdenverkehrsorganisationen besteht ein enger Kontakt, so daß es kaum lokale Fremdenverkehrsprobleme gibt, die nicht auch der Steiermärkischen Landesregierung bekannt sind und deren Lösung nicht auch gemeinsam in Angriff genommen werden könnte.

Neben den Entwicklungsbestrebungen der steirischen Sommerfrischen, Heilbäder und Kurorte stehen die“ Bemühungen der steifischen Fremdenverkehrswirtschaft zur Schaffung einer zweiten Saison und damit die Intensivierung des Winterfremdenverkehrs. Gerade auf diesem Gebiet hat das Land in den letzten Jahren Beispielhaftes geleistet, was sich in den von Jahr zu Jahr steigenden Fremdenfrequenzen im Winter widerspiegelt. Die Steiermark besitzt heute etwa 50 Wintersportplätze, deren guter Ruf längst über die Grenzen Österreichs gedrungen ist und deren Bedeutung für den gesamtösterreichischen Fremdenverkehr ständig wächst. Die Chancen der Steiermark im Winterfremdenverkehr sind vielleicht noch größer als die im Sommertourismus. Der Gebirgscharakter des Landes mit seinen vielen noch unerschlossenen oder nur zum Teil erschlossenen Wintersportgebieten läßt erwarten, daß der von Jahr zu Jahr mehr als der sommerliche Fremdenverkehr zunehmende österreichische Wintertourismus seine größten und aussichtsreichsten Reserven in der Steiermark besitzt. Die Zahl der steirischen Skilifte nimmt ständig zu und hat heuer schon die Zweihundertergrenze erreicht. Damit steht die Steiermark in der gesamtösterreichischen (Rangliste hinter Tirol an zweiter Stelle.

Auch der Winterfremdenverkehr der Steiermark konzentriert sich auf den Inlandsmarkt, wenn auch der winterliche Reiseverkehr im Ausländertourismus in den letzten Jahren vervielfacht werden konnte. Es hat sich gezeigt, daß der Gast in der Steiermark neben gutem Wintersportgelände geruhsame Erholung und angemessene Preise sucht, touristische Faktoren also, die die Steiermark jederzeit, auch im Winter, bieten kann. Die Grüne Mark darf daher getrost auch in die Zukunft des Winterfremdenverkehrs blicken, ohne dabei die westlichen Konkurrenzländer fürchten zu müssen.

Als erfolgreich haben sich die seit drei Jahren publizierten „Inklusivpreise“ erwiesen. Die Steiermark hat hier einen Schritt getan, der für den gesamtösterreichischen Fremdenverkehr pionierartigen Charakter hat, galt es doch vor allem, dem Gast zu zeigen, daß die steirischen Fremdenverkehrsbetriebe Preistreue halten. Nicht eine einzige Beschwerde über die Nichteinhaltung offerierter Preise wurde im letzten Jahr dem Landesfremdenverkehrsamt bekannt, was eindeutig die Preisdisziplin der steirischen Fremdenverkehrswirtschaft beweist. Die Steiermark verwendet in ihrer Fremdenverkehrswerbung den Slogan „Land der Vielfalt“ und weist damit auf die geographische Struktur des Landes hin. Wenn es sich auch des Slogans „Urlaubsland für die ganze Familie“ bedient, so deshalb, weil die Steiermark einerseits tatsächlich jung und alt etwas bietet und weil anderseits auch Leute mit kleiner Brieftasche, zu denen zumeist kinderreiche Familien zählen, hier preisgünstigen Urlaub finden. Es wird kaum eine bessere Werbung für ein Land geben.

Die steiermärkische Fremdenverkehrspolitik hat nun die Aufgabe, die bisherigen Erfolge des steirischen Fremdenverkehrs in der Zukunft zu wiederholen und zu vergrößern. Dabei hat sie noch die zusätzliche Aufgabe, die steirische Fremdenverkehrswirtschaft für konjunkturelle Wirtschaftsschwankungen jetzt schon abzuhärten und damit krisen-unempflndlich zu machen. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß der steirische Weg im Fremdenverkehr zu beiden dieser Ziele führen wird.

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