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Zwischen Karawanken und Adria

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Die Auslagen der Geschäftsläden und die Auslagen der Politik innerhalb der Grenzen der Federativna Narodna Republika Jugoslavija stehen in keinerlei Zusammenhang. In dem Sinne nämlich, daß man wie anderwärts an Pappekulissen und Pappeattrappen den Mangel an bestimmten Verbrauchsgütern ablesen könnte. Das hebt vor jedem Besucher, der die Karawanken überschreitet, der nächstbeste Slowene stolz hervor; ja es ist mir gleich am ersten Tag meiner Anwesenheit in Jugoslawien begegnet, daß mein Gegenüber im Kaffeehaus in der Titova cesta in Laibach den Gegensatz zwischen Jugoslawien und der Tschechoslowakei, wo der Sprecher letzthin gewesen, herausstrich.

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Bis zum zweiten Weltkrieg war es ein Kennzeichen der jugoslawischen Wirtschaft, daß die Ausfuhr unverarbeiteter Erzeugnisse dominierte. So sind die meisten Erze des Landes, das zu den erzreichsten Ländern Europas gehört, unverarbeitet abgesetzt worden. Von 1954 an ist deutlich, daß die Ausfuhr unverarbeiteter Produkte ständig zurückgeht. Bekanntlich sind seit 1945 alle Lagerstätten und Bergwerke Jugoslawiens Staatseigentum, eine große Zahl neuer Aufbereitungsanlagen und Hüttenwerke — man begegnet ihnen gleich nach der Grenze — wurde errichtet. Als Hauptaufgabe der südslawischen Wirtschaft hat der Gesellschaftsplan für die Zeit von 1957 bis 1961 die Reduktion des Defizits der Zahlungsbilanz durch eine Steigerung nicht allein der industriellen, sondern auch, und man möchte angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung sagen, vor allem der landwirtschaftlichen Produktion als Ziel gesetzt.

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Die Wichtigkeit des Handels mit dem Westen wird in Jugoslawien von niemandem geleugnet. Man hat mir gegenüber und hinsichtlich Oesterreichs eine Erhöhung des Handelsvolumens als wünschenswert und bis zur Verdoppelung als möglich bezeichnet. Freilich bemüht man sich — und dies gehört eben zur politischen Auslage — beim Export um die Länder des Mittleren und Fernen Ostens. Das führt aber zu einer gewissen Verzettelung des Gesamtkonzepts. Interessant sind dabei die Bestrebungen Jugoslawiens, in das GATT-Abkommen (General Agreement on Tariffs and Trade — Allgemeine Zoll- und Handelsvereinbarung) aufgenommen zu werden. Westdeutschland und die Schweiz, die sich früher hinsichtlich Krediten und der angestrebten technischen Hilfe entgegenkommend verhalten haben, zeigen sich zum Verdruß aller Handelsstellen Jugoslawiens zugeknöpfter als Italien, das gegenwärtig der beste Partner des Landes ist. Das erklärt so nebenbei die behutsame Zurückhaltung in politischen Fragen (slawische Minderheiten in Italien) und gehört also in die politische Auslage. Die Italiener, die wahrlich an Obst genug haben und es uns mit Freuden gerne verkaufen würden, nehmen den Jugoslawen noch Obst ab. In Triest freilich behauptet man dazu, das ermögliche eine pre’S- günstige Verstärkung der italienischen Obstausfuhr. Wichtiger als diese Verflechtung ist die Rücksichtnahme der Italiener auf ideologische Parolen, deren Wirksamkeit sich bei den kleinsten Importeuren zeigt, die an jugoslawischen Erzen und an der Braunkohle Sloweniens, Kroatiens und Ostserbiens interessiert sind. Oesterreich hat bisher in Form von vielen Lizenzen mehr Hilfe geboten als durch Kredite. Soweit man hört, funktionieren die Lizenzabkommen zufriedenstellend. Die zuweilen und in letzter Zeit wiederaufgetauchten politischen Meinungsverschiedenheiten, von der Frage der Minderheitenschulen in Kärnten ausgehend und von unserer Lokalpresse hinsichtlich einiger Vorfälle zu sehr dramatisiert, haben der technischen Lizenz keinen Abbruch getan. Auch in Laibach, Agram und Belgrad sitzen nüchterne Rechner, trotzdem in Laibach bei der slowenischen Landesregierung ein besonderes Referat für Minderheitenfragen errichtet wurd

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