6572743-1950_28_03.jpg
Digital In Arbeit

Zwischenlösung für die Wohnraumbeschaffung

Werbung
Werbung
Werbung

Die in unseren Städten und Märkten stehenden Häuserruinen sind täglich laute Rufer und Mahner zum Wiederaufbau. Die in den Gemeinden, ja auch in den kleinsten Dorfsiedlungen bestehende Wohnungsnot ruft nach 'einer sofortigen und entscheidenden Abhilfe. Der immer mehr und mehr dem Verfall ausgesetzte Hausbesitz erfordert gleichfalls wirksame Maßnahmen. Diese Tatsachen verdienen nicht nur als rein wirtschaftliche und kreditpolitische Fragen erhöhte Aufmerksamkeit, sondern es muß die Lösung dieser aufgeworfenen Probleme auch vom sozialen, sittlichen, kulturellen und volksgesundheitlichen Standpunkt Beachtung finden.

Diese an sich wirtschaftlich schwer lösbaren Probleme haben noch dadurch eine Verschärfung erfahren, daß sie in Österreich seit beinahe drei Jahrzehnten zum Gegenstand der parteipolitischen Optik geworden sind und in der Tagespolitik der Vergangenheit und Gegenwart eine ausschlaggebende Rolle gefunden haben. Wenn wir nun alle diese Fragen richtig und entsprechend lösen wollen, so ist das wesentlichste Erfordernis, sie von jeglicher einseitiger parteipolitischer Betrachtung auszuschalten. Mit Recht haben daher einsichtige Männer des öffentlichen Lebens d i e Lösung dieser Fragen als einen Prüfstein der Demokratie in Österreich bezeichnet.

Was den Wiederaufbau der kriegszerstörten Häuser anlangt, so wird die gegebene Situation dadurch am deutlichsten gekennzeichnet, daß bei der Wohnhauswiederaufbaukommission im Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau derzeit rund 2700 Anträge auf Bewilligung von Darlehen mit einem Kapitalerfordernis von rund 880 Millionen Schilling liegen. Davon wurden durch die Wohnhauswiederaufbaukomis-sion bereits 260 Ansuchen mit einem Kapitalerfordernis von rund 450 Millionen Schilling bewilligt. Auf diese bereits bewilligten Vorhaben konnte tatsächlich bis nun nur ein Betrag von 170 Millionen Schilling zur Auszahlung gebracht werden, so daß sich ein Fehlbetrag von 280 Millionen Schilling hinsichtlich dieser Vorhaben ergibt.

Der in den Presseverlautbarungen bekanntgegebene Überbrückungskredit von

100 Millionen Schilling soll zur Finanzierung bisher noch nicht bewilligter Anträge verwendet werden. Zur Finanzierung der Wohnhauswiederaufbauvorhaben beginnt mit 1. Juli 1950 die Beitragsleistung der nach dem Wohnhauswiederaufbaugesetz bestimmten Bevölkerungsgruppen. Als jährliches Ergebnis wird ein, Betrag von zirka 70 Millionen Schilling angenommen, so daß für das zweite Halbjahr 1950 höchstens ein Betrag von 35 Millionen Schilling dem Wohnhauswiederaufbaufonds zufließen wird. Man kann sich auf Grund dieser Ziffer errechnen, wann die vordringlichen Wohnhauswiederaufbauarbeiten auf diesen Grundlagen verwirklicht werden können. Dieser angeführte Zustand verlangt eine sofortige und durchgreifende Lösung.

Neben dem Wiederaufbau der kriegszerstörten Ääuser ist auch die Durchführung einer entsprechenden Neubautätigkeit unbedingt geboten. Um eine solche zu ermöglichen, wird die Beistellung ausreichender langfristiger Hy p o t h e k a r k r e d i t e und eine entsprechende Senkung der geltenden Baukosten und Baustoffpreise bei Anwendung kostensparender modernster Baumethoden erforderlich sein. Der dem Bundeswohn-und Siedlungsfonds für das Jahr 1950 zugewiesene Betrag von 25 Millionen Schilling und ein aus ERP-Mitteln, vorgesehener Betrag von zirka 40 Millionen Schilling für Arbeiterwohnbauten können nur eine sehr schlechte Abhilfe darstellen.

Die täglich in der Presse aufscheinenden Meldungen über Einstürze bewohnter Häuser erinnern mit eindeutiger Klarheit daran, die Instandhaltung des bestehenden Hausbesitzes sicherzustellen und dafür auch die nötigen Voraussetzungen zu schaffen.

Aus allen Kreisen und Schichten der Bevölkerung sind in Verlautbarungen und öffentlichen Kundgebungen Vorschläge zur Lösung aller dieser Fragen erstattet worden. Ein Beweis dafür, wie brennend und dringlich diese Sorgen von der gesamten Bevölkerung empfunden werden.

Die zwischen den beiden Regierungsparteien in letzter Zeit geführten Verhandlungen haben zu einem gewissen Einvernehmen geführt, das augenblicklich zur Zeit, da diese Zeilen in Druck gehen, die parlamentarischen Ausschüsse beschäftigt und im Falle der Annahme Gesetzesform erhalten wird. Es handelt sich jedoch bloß um eine augenblickliche Notlösung, um die für den Wiederaufbau erforderlichen Mittel sofort sicherzustellen. Das Übereinkommen wird, da es nur eine Teillösung darstellt, nicht ganz befriedigen. Begrüßenswert daran ist, daß es endlich nach jahrzehntelanger Erstarrung dieses Fragenkomplexes möglich war, eine ernsthafte Diskussion zwischen den Parteien durchzuführen und ein Teilübereinkommen einzuleiten; es wäre damit ein begrüßenswerter Anfang gemacht, der jedoch zu einer Fortführung der Besprechungen und Verhandlungen verpflichtet. Die auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft herrschenden Zustände verlangen nach einer großzügigen und sofort einzuleitenden Planung. Die Eigenheit der Wohnungswirtschaft ist darin gezeichnet, daß sie infolge der Größe des darin investierten Kapitals und der Weite und Ausbreitung des hiezu verwendeten technischen Apparats auf lange Sicht abgestellt ist. Um nun ein erfolgreiches Zusammenarbeiten aller an der Wohnungswirtschaft beteiligten Organisationen zu gewährleisten und auch eine entsprechend ausgerichtete rationelle Verwendung aller hiefür bestimmten Mittel zu erreichen, ist eine auf lange Sicht abgestellte Planung erforderlich. Diese Vorausplanung muß insbesondere auch die kreditpolitischen Unterlagen regeln. Weiter wird bei der Behandlung dieser Fragen auch eine gewisse Großzügigkeit erwartet werden müssen. Bei einem derartigen gewaltigen Aufgabengebiet kann nur mit einem überschauenden Konzept eine gute Lösung gefunden werden. Dies verpflichtet um so mehr zu ernsthafter Beratung und zur Fortsetzung der von den Regierungsparteien jetzt begonnenen Diskussion.

Die Lösung der aufgeworfenen Probleme ist eine äußerst schwierige und politisch heikle. Bei Ausschaltung einseitiger parteipolitischer Erwägungen wird jedoch von den verantwortlichen Parteien die notwendige Reife und Verantwortung erwartet werden können. Durch die Fortsetzung des Wiederaufbaus der kriegszerstörten Häuser, durch geeignete Maßnahmen zur Erhaltung des bestehenden Hausbesitzes und durch zielbewußte Förderung der notwendigen Neubautätigkeit wird es möglich werden, gesunden Wohnraum für die breiten Massen der wohnungsnotleidenden Bevölkerung in Österreich zu schaffen und durch Vollbeschäftigung des Baugewerbes den sozialen Frieden in Österreich und damit den Weiterbestand unseres Staates zu gewährleisten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung