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Zwischenspiel an der Donau

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Während die beiderseitige Propaganda im „Kampf um Berlin“ ihre Breitseiten wechselt und die Welt das Schauspiel einer kn Frieden zernierten Stadt mit Spannung verfolgt, ist an einer dem Lärm abgewandten Stelle unter f l freundlich zu nennenden Präludien das Schachbrett zu einem neuen diplomatischen Spiel geordnet worden. Die Donaukonferenz, die in diesen Tagen in Belgrad zusammentrat, soll Probleme regeln, die Österreich in hohem Maße berühren: Österreich, dessen Flagge von der Donau verschwunden ist, dessen Schiffe — einst Pioniere des modernen Donauverkehrs — wie Hausboote vor Anker liegen müssen. Ungenützt fließt unsere wichtigste natürliche Verkehrsader an unseren Ufern vorbei, den Gebieten unserer altangestammten Handelsund Verkehrspartner zu.

Der mächtige Strom, dessen Einzugsgebiet ein Zwölftel der Fläche Europas bedeckt, ist immer ein schicksalbestimmender Faktor der an seinen Ufern siedelnden Völker und der diesen Raum gliedernden Staaten gewesen. Zuerst Einbruchstor der Paivölker nach Mitteleuropa, wurde da’s Donautal später Ausfallslinie bedeutender Macht- und Kulturfaktoren dem Osten entgegen. Träger dieser Kulturaufgabe war vornehmlich Österreich, es hat sie erfüllt. Die Donau verknüpft die der deutschen Sprachfamilie angehörenden Völker, in deren Wohngebieten sie entspringt, mit dem südlichen Slawentum, das an ihrem Delta nur durch das Romanentum von seinen östlichen und nördlichen Brüdern getrennt ist. Auf ihrem Weg durchfließt sie die Heimstätte der Magyaren und. an ihren Ufern liegen halbvergessene türkische Siedlungen. An keinem anderen Strom pulst das Leben von vier Hauptstädten: Wien, die einstige Kaiserstadt, und die ehemaligen Königsstädte Preßburg, Budapest und Belgrad. Das Meer, in das sie mündet, bespült die Küsten Kleinasiens und des Kaukasus.

Versuche, den Verkehr auf diesem gewaltigen natürlichen Verbindungswege zu regeln, gab es schon kn Mittelalter, hieher gehören auch die Friedensschlüsse von Pas- sarowitz (1718), Belgrad (1739) und Bukarest (1812). Mit seinem Sion für große Zusammenhänge erkannte Metternich die Bedeutung des Stroms für die österreichische Politik und Wirtschaft. Der Wiener Kongreß legte den Grundstein zu einer allgemeinen Regelung der Flußschiffahrt und zählte die Donau zu den internationalen Strömen, auf die diese Normen Anwendung fanden. Keine drei Jahrzehnte später befaßte sich ein Vertrag zwischen Rußland und Österreich mit der Donau. Der den Krimkrieg abschließende Pariser Friede (1856) nahm neuerlich die Regelung der Donauordnung in Angriff. Die „Ufemaatenkommission“, die er schuf, löste sich freilich bald wieder auf. Die „Europäische Donaukommission“ aber, die er gleichfalls ins Leben rief und deren Bereich die sogenannte „Seedonau“ zwischen Braila und der Flußmündung war, blieb bis 1919 in Wirksamkeit. Sie hatte neben Funktionen der Verwaltung und der Rechtsprechung sogar das Recht, bestimmte Gesetze zu erlassen.

Schon früh wurde die Wichtigkeit einer umfassenden, nicht auf die Uferstaaten beschränkten Regelung erkannt: neben Österreich und der Türkei erhielten Frankreich, England, Sardinien und Preußen Sitz und Stimme in der „Europäischen Donaukom- mission“. Im ersten Weltkrieg erloschen die Funktionen dieser Körperschaft. Der Versailler Vertrag erklärte den Fluß für international, und eine 1920 zusammengetretene Konferenz schuf die sogenannten „endgülti-

gen Donauakte“. Die „Europäische Donaukommission“ wurde darin wieder zum Leben erweckt, in ihr waren jedoch nur mehr Frankreich, England, Italien und Rumänien — die damaligen Sieger — vertreten. Ferner sollte jeder europäische Staat, der in Zukunft ausreichende Interessen am Donauhandel nachweist, auf Antrag und nach einstimmiger Zustimmung der die Kommission bildenden Staaten zur Vertretung zugelassen werden. Man mag hiebei damals vielleicht an Rußland gedacht haben, wiewohl dem politische Argumente entgegengehalten werden könnten, denn die Sowjetunion war seit dem Verlust Bessarabiens nicht mehr Anrainer der Donau und hatte den Vertrag von Versailles nicht unterzeichnet. Das Donaustatut schuf außerdem die „Internationale Donaukommission“, der Großbritannien, Frankreich, Italien und alle Uferstaaten angehörten. Ihre Aufgabe bestand, in der Erhaltung des internationalen Charakters des Stromes, der Wahrung derRechts- gleichheit und der Überwachung der Freiheit der Schiffahrt. Alle Schiffe, Güter und Staatsangehörigen, welchen Her-. kunftslandes immer, waren auf der Donau gleichen Rechts. Von Interesse ist, daß in dieser Kommission, deren Sitz erst Preßburg und später Wien war, Deutschland durch zwei Uferstaaten, nämlich Württemberg und Bayern, zwei Vertreter hatte. Als das Reichsstatthaltergesetz die Souveränität der deutschen Länder völlig aufhob, wurde die Reichsregierung aufgefordert, auf eine ihrer beiden Stimmen zu verzichten. Sie beantwortete diesen Schritt ein Jahr später, im November 1936, damit, daß sie ihre Delegierten aus allen internationalen Kommissionen zurückzog.

Seit dem zweiten Weltkrieg übte die Herrschaft über die Donau, ihren Oberlauf ausgenommen, praktisch Rußland aus. Wie nach 1918, haben auch diesmal bei den Verhandlungen nicht sosehr Gegensätze der alten Anrainer unter sich, sondern viel mehr und vor allem Schwierigkeiten im Schöße der Sieger selbst sich gezeigt. Die in Aussicht genommene Donaukonferenz mußte mehrmals verschoben werden. Die Westmächte fordern das Prinzip der freien Schiffahrt auf der Donau, wie es ja eigentlich schon seit über einem Jahrhundert in Geltung steht. Dieser Grundsatz wird von Rußland nicht ernstlich bestritten. Die Sowjetunion ist jedoch gegen eine Wiederherstellung der alten Europäischen Donaukommissiori. Sie verweist darauf, daß diese nach dem vermutlichen zeitweisen Ausscheiden Deutschlands selbst bei Eintritt der Sowjetunion ein nahezu atlantisches Gesicht zeigen würde, zumal die USA ihren Anspruch angemeldet habe. Man konnte annehmen, daß Rußland in Hinkunft die Rolle der Uferstaaten zu unterstreichen gedenke, nach der neuesten Entwicklung steht es dahin, wie weit Moskau diese Politik betreiben wird. Immerhin kann die Sowjetunion fast alle Stimmen der Ostblockstaaten wie ihre eigene in Rechnung stellen. Dadurch erhielte, wenden die Westmächte ein, der Charakter der Donaukommission, die doch nur friedlichen Aufgaben der Wirtschaft dienen soll, einen starken machtpolitischen Zug. Um dem zu begegnen, soll Großbritannien, eine der 1 Signatarmächte der internationalen Donaukonvention von 1921, Rußland mitgeteilt haben, daß es Entscheidungen der Donaukonferenz nur dann als gültig anerkennen werde, wenn alle anderen Signatarmächte der genannten Konvention diesen Beschlüssen zustimmen. Dieser Forderung hat sich Frankreich dem Vernehmen nach angeschlossen. Den USA sagt man die Ansicht nach, daß die Teilnehmer dieser Donaukonferenz — analog der Pariser Friedenskonferenz — nur Empfehlungen abgeben könnten, die zu ihrer Wirksamkeit der einstimmigen Genehmigung durch die Außenministerkonferenz bedürften; die Vereinigten Staaten gaben ferner zu verstehen, daß sie nicht jeder auf der Don au- konferenz mit Zweidrittelmehrheit angenommenen Empfehlung im Außenministerrat zuzustimmen bereit seien.

Österreich ist der Donaukonferenz nur als beratendes Organ zugezogen, es wird für sein Schicksal schwerwiegende Entschließungen nicht durch seine Stimme mitbeeinflussen können — eine weitere harte Folge des Nichtzustandekommens des Staatsvertrages. Unser Land muß bestrebt sein, seine Aufgaben als Berater in Belgrad voll und ganz zu erfüllen, und darf nichts unversucht lassen, bei diesem Anlaß seiner großen Rolle an der Donau gerecht zu werden. Wir wollen unseren Anteil an den Pflichten und Leistungen, die — wie die Pflege der Schiffahrts- rinne und die Ausübung der Strompolizei —, jedem Uferstaat auferlegt sind, gerne übernehmen. Zwei wichtige Verkehrszentren Österreichs liegen an diesem seinem größten Strome: Wien, dessen Bedeutung als Donauhandels platz altanerkannt ist und durch den künftigen Marchkanal wohl noch steigen wird, und das aufstrebende Linz, das nur einige, technisch wegsame Höhenzüge von Böhmen trennen. Die Donau aufwärts geht ein Wasserweg zu den großen Küstenplätzen der Rheinmündung, sobald der Rhein-Main- Donau-Kanal vollendet sein wird. Über die Donau können wir ebenso Anschluß an die Kanalsysteme Frankreichs und Deutschlands finden. Man muß wohl auch in Hinkunft damit rechnen, daß die zur Gruppe des Ostblocks gehörenden Donaustaaten, wenn auch auf ihrem Gebiete unter dem Einfluß russischer Planwirtschaft ökonomische Umgestaltungen im Werden sind, an Agrarexport donauaufwärts angewiesen sein werden. Dort liegen landwirtschaftliche Zuschußgebiete: Österreich selbst, die Tschechoslowakei, Deutschland, wohl auch die Schweiz, die ihre Industrieerzeugnisse im Austausch talabwärts senden. „ -

An der reibungslosen Gestaltung dieses Verkehrs, der von vielfältigen kulturellen Verflechtungen und Beziehungen begleitet ist, als vollberechtigtes Glied mitzuwirken, erhebt das wiedererstandene und befreite Österreich seinen wohlbegründeten Anspruch.

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