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Die "Iustitia et Pax"-Kommission zeigte zu ihrem 40-Jahr-Jubiläum Perspektiven internationaler Gerechtigkeit.

Wenn "raus aus der Krise" bedeutet, so schnell wie möglich wieder zum Zustand zurückzukommen, den es vor der Krise gegeben hat, dann ist das die falsche Zukunftsstrategie. Unter anderem für Botschafterin Irene Freudenschuss-Reichl. Denn das Bemühen in Politik und Wirtschaft, wieder zum "status quo ante" zurückzukommen, vergisst die dieser Krise vorausgehenden Krisen, kritisiert die Entwicklungshilfe-Expertin.

Die Nahrungsmittel-, die Energie- und die Klima-Krise waren schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise existent - und sie werden wieder auftauchen, ist Freudenschuss-Reichl überzeugt, wenn es Nord und Süd nicht gelingt, auf ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklungspfade umzusteigen: "In einer Welt mit endlichen Ressourcen brauchen wir ein anderes Entwicklungsparadigma als das jetzige, das allein auf Wachstum ausgerichtet ist."

Entwicklungshilfe bleibt Ermessen

Die im Außenministerium zuständige Sektionschefin für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) war eine der Vortragenden beim letztwöchigen "Iustitia et Pax"-Symposium zum Thema "Weltordnungspolitik in der Krise - Perspektiven internationaler Gerechtigkeit". Ihr Metier, die EZA, ist für die Etablierung einer Weltordnung "ein sehr schwaches Instrument", sagte Freudenschuss-Reichl. Das liege auch daran, so die Expertin, dass EZA-Mittel unter Ermessensausgaben und nicht unter Pflichtbeiträge fallen.

Wie weit Österreichs Ermessen im Entwicklungsbereich geht, haben die Budgetverhandlungen gezeigt. Österreich wird seine international getätigten EZA-Versprechen nicht einhalten, weder 0,51 Prozent des Brutto-Nationalprodukts an öffentlicher EZA bis nächstes Jahr, noch 0,7 Prozent bis 2015 zur Verfügung stellen.

Andreas Novy thematisierte in seinem Vortrag die "Doppelmoral", mit der die Industriestaaten den Entwicklungsländern gegenübertreten: Einerseits wird den armen Staaten mit (zu wenig) Entwicklungshilfe auf die Beine geholfen, andererseits entzieht ihnen die subventionsgestützte Wirtschaft in der entwickelten Welt den Boden, um am Weltmarkt mitmischen zu können. Novy beschäftigt sich am Institut für Regional- und Umweltwirtschaft der Uni Wien vor allem mit der Entwicklung Lateinamerikas. In dieser Region findet er auch Hinweise dafür, dass sich die bisherigen Macht-, Wirtschafts- und Einflussgleichgewichte in der Welt verschieben: So habe sich China zum Haupthandelspartner Brasiliens entwickelt, sagt Novy.

Er widerspricht damit Dieter Senghaas, der beim "Iustitia et Pax"-Symposium die "zerklüftete Welt" zum Thema machte und dabei die OECD-Welt zum nach wie vor unangefochtenen Gravitationszentrum erklärte: Die "immer noch markanteste Zerklüftung der Welt" ist für Senghaas die Makrostruktur der Weltwirtschaft. Und die "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (OECD) mit ihren 30 wirtschaftlich hoch entwickelten Mitgliedsländern steht für ihn auf der mächtigen Seite der Kluft: "In diesem Segment der Welt erwirtschaften rund 15 Prozent der Weltbevölkerung etwa drei Viertel des Welt-Bruttosozialprodukts." Entscheidend ist für den deutschen Friedensforscher aber ein qualitativer Sachverhalt: Alle OECD-Länder verfügen über "reife kapitalistische Ökonomien", mit denen sie der restlichen Welt überlegen sind. Für Senghaas wachsen sowohl die absolute Zerklüftung in der Welt als auch die inneren Zerklüftungen. Die Kluft zwischen Arm und Reich geht auseinander - in der reichen und armen Welt.

Sieben-Punkte-Plan gegen Kluft

Um diesem Zerklüftungstrend entgegenzuwirken, schlägt Senghaas sieben Maßnahmen vor:

* Zuallererst müssen Fehlinvestitionen vor allem im Bereich der Militärausgaben beendet werden;

* dann geht es darum, ein neues weltpolitisches Denken zu aktivieren, um der Eskalation von Konflikten, insbesondere Ressourcenkonflikten, entgegenzuwirken.

* Überfällige Investitionen in die nachhaltige, nicht verschwenderische Nutzung von Ressourcen und Energie ist eine weiteres Senghaas-Postulat.

* Dazu gehört die Forderung, die Globalisierung zu begrenzen und die Regionalisierung zu stärken. Denn die Freihandelsdoktrin ist völlig insensibel gegenüber den Energie- und Umweltimplikationen weltweit organisierter Warenumschlagsprozesse.

* Zudem fordert Senghaas, die Grundlage für eine breitenwirksame Entwicklung in den Entwicklungsländern zu schaffen, ihnen in geschützten Märkten die Gelegenheit zum Fußfassen zu bieten.

* Ohne finanzielle und materielle Transfers, insbesondere Transfers von ressourcenschonenden Technologien, ist für Senghaas die Zerklüftung in der Welt ebenfalls nicht überwindbar.

* Schließlich fordert er, "mit gutem Beispiel voranzugehen": Eine Orientierung an einer gemeinsamen Zukunftsgestaltung wird sich nicht ohne wegweisende beispielhafte Praxis maßgeblicher politischer Akteure einstellen.

Senghaas' Punkte wären die richtigen Lehren aus der Krise, ein neuer Entwicklungspfad für Nord und Süd in Freudenschuss-Reichls Sinn, eine Perspektive für internationale Gerechtigkeit gegenüber der "neoliberalen, kapitalistischen Anarchie". Ganz im Sinne der Veranstalter des Symposiums: Gerechtigkeit und Frieden eben.

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