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Amateur und Schwergewicht der Kunst: Henri Rousseau

Sollte es einmal eine Quizsendung über Maler und Malerei geben, wäre wohl auch die Frage nach dem Urheber des Ausspruches fällig, Picasso und er seien die Größten, er im modernen, Picasso im ägyptischen Fach. Picasso nahm den starken Spruch nicht übel, er erwarb sogar Bilder seines "Konkurrenten im modernen Fach". Vielleicht könnte man mit dem Hinweis helfen, kein anderer malender Zeitgenosse sei mit so viel Spott und Grobheit überschüttet worden wie dieser dickliche Mann mit dem zwiegeteilten Schnauz. Was aber sein Selbstbewusstsein nicht erschüttern konnte. Wenn wir noch verraten, dass er von Beruf Zollbeamter war, ist klar, es war Henri Rousseau (1844 bis 1910), der berühmte "Zöllner Rousseau".

Er war kein Picasso, aber große Stücke auf sich zu halten, war er berechtigt. Im Fach der "Naiven" beheimatet, ist er nichtsdestoweniger ein Schwergewicht der Kunst des 19. Jahrhunderts. Der gewaltige Bildband "Rousseau" von Götz Adriani macht es zum sinnlichen Vergnügen, dies nachzuprüfen und in den Dschungel dieses Lebenswerks einzutauchen. Einen besonders populären Teil davon machen ja auch Rousseaus Dschungelbilder aus, etwa "Der hungrige Löwe wirft sich auf die Antilope" oder der "Kampf zwischen Tiger und Büffel", wobei es, so Adriani, Rousseaus Geheimnis blieb, warum ausgerechnet ein amerikanischer Büffel - wie der Maler auch noch selbst angab - von einem indischen Königstiger angefallen wird.

Rousseau konnte tropische Pflanzen so malen, dass man noch heute vom "Geheimnis der Rousseauschen Bäume" spricht. Lang nach seinem Tod hat er mit ihnen noch Maler beeinflusst, auch solche der Wiener Schule. Den nie gesehenen Dickichten Indiens mag seine Sehnsucht gegolten haben, aber er fand sich auch im Dickicht des Lebens einigermaßen zurecht. Die Palette seiner Themen war nicht weniger reichhaltig als die seiner Farben. Auch sein "Blick auf einen Pariser Außenbezirk" blieb nicht folgenlos, war zumindest eine Vorwegnahme späterer neuer Sachlichkeit. Ein düsteres Meisterwerk ist Rousseaus Kriegsfurie über dem Leichenfeld, ein singuläres Werk zwischen Goyas Kriegsgreueln und Picassos "Guernica". Zu den Stärken des Buches zählen, neben exzellenten, zum Teil ausklappbaren Bildern und einem Text, der keine Information schuldig bleibt, die vielen Vergleichsabbildungen, die den Stellenwert Rousseaus in der Entwicklung der Moderne belegen.

ROUSSEAU. Der Zöllner - Grenzgänger zur Moderne. Von Götz Adriani Dumont Verlag, Köln 2001

282 Seiten, Ln., e 51,96/öS 715,-

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