Zu viel Auto in der Freizeit

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Über die Hälfte aller zurückgelegten Kilometer fallen in der Freizeit an. In Verkehrskonzepten steht aber der Berufsverkehr im Vordergrund. Eine Studie gibt Anregungen zu Alternativen für das Auto in der Freizeit.

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Über die Hälfte aller zurückgelegten Kilometer fallen in der Freizeit an. In Verkehrskonzepten steht aber der Berufsverkehr im Vordergrund. Eine Studie gibt Anregungen zu Alternativen für das Auto in der Freizeit.

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Geklagt wird immer wieder über den fast schon täglichen Stau zur Arbeit, gesucht wird nach Auswegen und Alternativen. Allerdings entfallen auf den Berufspendelverkehr nur etwa 20 Prozent aller täglichen Wege und auf Dienstwege in Ausübung des Berufes 10 Prozent. In die Kategorie "Freizeitverkehr" fallen bereits mehr als 50 Prozent der täglichen zurückgelegten Kilometer. "In der Verkehrswissenschaft und der täglichen Verkehrspolitik wird dieser Bereich aber stiefmütterliche behandelt", betont eine aktuelle Studie des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zu diesem Thema.

Die Studie bietet mit der sehr übersichtlichen Zusammenstellung von ökologisch orientierten Modellen der Mobilität eine große Zahl von Anregungen und zeigt auf, wie gut entsprechende Angebote genutzt werden, welche zusätzliche Wertschöpfung für lokale Wirtschaftsbetriebe und die Tourismusbranche möglich ist.

Allerdings, so attraktiv solche Angebote sein mögen, wollen viele Menschen in der Freizeit nicht auf ihr Auto und die "übliche" Art seiner Nutzung verzichten. Selbst kilometerlange Staus und nervenaufreibendes Parkplatzsuchen auch in der Umgebung von Einkaufszentren können sie selten von dessen Verwendung abhalten. Egal ob in beliebten Urlaubsorten oder bei großen Messen wie in Wien oder Wels, voll gerammelte Parkplätze und gute Nerven gehören für die Schlangen bei Ausfahrtversuchen fix zum Bild.

Fest steht jedenfalls, daß - entgegen gebräuchlicher Annahmen - nur ein Fünftel der Freizeitkilometer im Urlaub zurückgelegt werden. Die wesentlichen Ursachen des Zuwachses für den übrigen Bereich sind laut VCÖ: * Mangelnde Raumordnung und daher wachsende Distanzen vom Wohnort ins Stadtzentrum. Dazu kommt die Flucht vor der Verkehrsbelastung der Stadt.

* Schlechte Nahversorgung, fehlende oder schlecht ausgestattete Treffpunkte und Freizeiteinrichtungen vor Ort.

Rationalisierung bei Bahn und Bus Der Anteil des Freizeit- und Urlaubsverkehrs wird jedenfalls weiter steigen. Da im regionalen Bahn- und Busverkehr gerade Kurse an Feiertagen und an Wochenenden gestrichen weden, steigt zudem der Anteil derer mit Privatauto. Dieses wird dann in der Regel unter der Woche genutzt. Ähnliches gilt auch umgekehrt: "Wer ein Auto besitzt, fällt in den meisten Fällen als Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel aus."

In der Studie des VCÖ werden viele Beispiele vorgestellt, wie bei der Freizeitmobilität, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gefördert werden bzw. die Nutzung von Autos effizienter erfolgen kann. Dazu einige Beispiele: * Eintrittskarten zu Kultur-, Sportveranstaltungen, Messen, Festen oder Kursen z. B. von Volkshochschulen gelten zugleich als Fahrschein zur An- und Abreise.

* Im Rahmen solcher Veranstaltungen werden Eintritts- und/oder Fahrpreisrabatte gewährt, wenn die "Öffis" genutzt werden. Ähnliches gilt für die Nutzung der Bahn etwa zu Schi- und anderen Urlaubsgebieten. Konsequent weiter gedacht wird dieser Ansatz in den Inklusiv-Karten von Großstädten wie Salzburg, Wien und Linz oder die Kärnten Card, die auch die kostenlose oder ermäßigte Benutzung von "Öffis" erschließt.

* Sonderzüge- und waggons aus Anlaß von Ereignissen wie Festspielen oder Sonderhalte bei einmaligen Veranstaltungen oder ein kostenloser Zubringerverkehr etwa zu Messen. Im Trend sind auch wieder Nostalgie- und Erlebniszüge als besondere Angebote der Freizeitgestaltung, die schon die Anreise zu einem besonderen Fleckchen Erde zum Erlebnis machen.

* Shuttlebetrieb vom und zum Bahnhof oder anderen zentralen Punkten zur Veranstaltung: Genutzt werden dabei Busse oder Züge und auch Schiffe. Oder: Abholservice vom Bahnhof zum Urlaubsquartier.

* Schi-, Wander- und Bäderbusse: Ein beispielhaftes Vorbild ist der mehrfach ausgezeichnete Tälerbus mit Elektrofahrzeugen in Lungau. In diese Kategorie fällt auch die Möglichkeit, das Rad in Bahn, Schiff oder Bus mitnehmen zu können.

* Tarifangebote wie das Wochenend- oder das "Guten-Abend-Ticket" der deutschen Bahn.

* Ermäßigungen für die Nutzung von Leihautos oder Car-Sharing-Systemen, wie sie von den Linzer und den Wiener Stadtwerken angeboten werden. Radverleih am Bahnhof sollte ohnehin selbstverständlich sein.

* Systeme von Fahrgemeinschaften, die von Firmen aktiv gefördert werden, etwa auch über verbilligte Jahreskarten für die "Öffis".

Die VCÖ-Broschüre ist sicher ein Beitrag zur Vernetzung verschiedener Betreiber von alternativen Angeboten. Nötig wäre aber ein jeweils regional abgestimmtes, von Gemeinden und Betrieben mitgetragenes Gesamtkonzept, das mehr als die Summe von umweltverträglichen Möglichkeiten der Mobilität ist. So müßte etwa auch Nahversorgung neu definiert werden, nicht nur den Einkaufs-, sondern auch den Erlebnis-, Freizeit- und Begegnungsaspekt inkludieren.

Freizeitmobilität - Umweltverträgliche Angebote und Initiativen.

W. Rauh, K. Regner, P. Zellmann: Erhältlich beim VCÖ, Dingelstedtg. 15, 1150 Wien, Tel.: 01/893 26 97, Fax: 01/893 24 31, e-mail: vcoe@blackbox.at

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