Zu viel Lärm und zu viel Nichts

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"Seine überaus laute Inszenierung verkürzt Schug auf den körperlichen Trieb. Bei ihm ist der Geschlechterkampf ein Krieg, der mit Körpereinsatz geführt wird ."

Die erste Szene ist Programm. Wenn sich im Wiener Volkstheater der Vorhang zu "Viel Lärm um nichts" hebt und eine vierköpfige Girlgroup mit Isabella Knöll in der Rolle der Beatrice als Leadsängerin den Song "Nothing's gonna hurt you Baby" der amerikanischen Ambient-Pop-Band Cigarettes After Sex ins Mikrophon haucht, trägt eine Figur einen Banner mit dem Wort NICHTS über die im Halbdunkel getauchte Szene. Auf dieses hier so prominent vorgestellte Nichts fokussiert dann auch Sebastian Schugs Inszenierung. Im Programmheft meinte der Regisseur dazu, dass für die zeitgenössischen Zuschauer von Shakespeare das "Nothing" im Titel etwas sehr Konkretes gewesen sei, nämlich ein "Code für das weibliche Geschlecht". Er könne dieses Nichts zwar nicht inszenieren, sondern nur das Außenrum. Also weiter: Die Drehbühne setzt sich in Bewegung, auf der Hinterseite werden die männlichen Protagonisten des Stücks sichtbar, die, so gewinnt man angesichts des wüsten Hauens und Stechens den Eindruck, Krieg spielen. Das wäre eigentlich ein ganz schöner Anfang gewesen: Er erzählt sowohl etwas über die Vorgeschichte des Personals der Komödie, wie auch über deren psychologische Befindlichkeiten.

Leidenschaftliche Liebe

Zur Erinnerung: In Shakespeares beliebtem Lustspiel wird die Geschichte zweier Eheanbahnungen erzählt. Nach erfolgreicher Schlacht kommen ermüdete Kämpfer auf ein herrschaftliches Landgut, wo bald die Abenteuer der Herzen auf sie warten. Während für Claudio und Hero bald die Hochzeit vorbereitet wird, die wegen einer Intrige des bösen Halbbruders des Gastgebers und Onkels der Braut im letzten Moment noch zu platzen droht, beschäftigen sich die Mitglieder der Gesellschaft vor allem auch damit, Beatrice und Benedick zusammenzubringen. Die zwei erklärten Ehefeinde und Skeptiker der Liebe waren bislang nur im Streit ein Paar. Aber bei soviel gegenseitig übereinstimmender Ablehnung ist allen anderen längst klar, dass die beiden füreinander bestimmt sind. Weil sie aber unfähig sind, sich ihre Liebe zu gestehen, werden sie in zwei sorgfältig arrangierten Belauschungsszenen überzeugt, vom anderen leidenschaftlich geliebt zu werden.

Krieg mit Körpern

Sebastian Schug verkürzt nun seine überaus laute Inszenierung auf den körperlichen Trieb. Bei ihm ist der Geschlechterkampf ein (mehr oder weniger heiterer) Krieg, der selten nur mit Worten, dafür aber mit umso mehr Körpereinsatz geführt wird. Denn so scheint sein Anfang zu bedeuten, wer nichts als Krieg kennt, dem scheint auch die Liebe nur als Kampf möglich. Das von Christian Kiehl ausgedachte Bühnenbild auf der fast unablässig rotierenden Drehbühne erinnert trotz der vielen kreuz und quer übereinander stehenden Theaterportalen, die wohl das Spiel im Spiel unterstreichen sollen, an ein gruftiges Kellerlokal einer Rocker-Gang. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Kostüme und die wenig differenzierten Charaktere. Irgendwie erinnert das alles an Playmobil, wobei Piraten, Bauarbeiter und Cowboys wild durcheinander gemischt werden. Die Unübersichtlichkeit der Bühne mit Podesten, Treppen, Stegen, Couchen, Wannen, einer künstlichen Palme sowie etlichen tierischen Hinterleibern bieten nicht nur dem männlichen Personal reichlich Möglichkeiten für deftige erotische Ausschweifungen und eine schnelle Nummer.

Kaum lesbare Inszenierung

Womit wir wieder bei der Sache mit dem NICHTS wären. Tatsächlich scheint sich Schugs, die leisen Töne nicht kennende Inszenierung gedanklich am Nihilismus zu orientieren. Denn seine Figuren mit ihrer aufgedreht zur Schau gestellten Virilität erinnern fatal an die Vertreter jener Weltsicht, die den absoluten Vorrang des Individuums über alles setzen, das allein seinen Trieben und Neigungen folgt und dem alles erlaubt ist.

Schugs Verkürzung auf das "Nothing" und die Codierung wird Stück und Publikum nicht gerecht. Denn weder vermag der Regisseur diesen thematischen Kern überzeugend herauszustellen, noch ist dem Zuschauer der Code vertraut. Aber vor allem ignoriert er, dass das "Nothing" im Titel im Englischen eben auch ein für das Stück zentrales Wortspiel mit dem ähnlich lautenden "Noting" ist, womit das Erkennen, das Wahrnehmen von Zeichen, sowie das Missverstehens und die Täuschung thematisiert werden. Genau das aber wird auf der Ebene der Handlung demonstriert, davon ist in den zungenfertigen Dialogen oft die Rede. Vielmehr als um fleischliche Lüste geht es in Shakespeares Stück um das Problem des "mimetischen Begehrens"(René Girard), darum wie sich Liebende ihre Liebe (ohne Gesichtsverlust) gestehen, um die verwirrende Macht des Scheins, der Täuschung, der Suggestion und der Einbildung. Davon will Schug in seiner wirren Inszenierung aber nichts wissen. Man muss dieser kaum lesbaren, unausgegorenen Inszenierung vorwerfen, den (englischen) Titel zu wörtlich genommen zu haben. Wir tun das auch, sagen aber zu viel Lärm und zu viel Nichts.

Viel Lärm um nichts Volkstheater Wien 14., 24., 31. März, 1., 7., 8. April

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