"Zuerst ist Nichts, dann blaue Tiefe“

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In der Ausstellung zu seinem sechzigsten Geburtstag fasst der US-amerikanische Maler, Bildhauer, Autor und Priester Peter William Gray in der neuen "Galerie Sigm. Freud“ der Grazer Landesnervenklinik einige Aspekte der Farbe Blau in seinen Werken zusammen.

Im Hoheitsgebiet der Sprache hat es das Blau wirklich schwer. Der Grund für ein Kuddelmuddel findet sich leicht darin, dass "ins Blaue hinein“ gewerkt worden sei. Ist dies durch den Konsum berauschender Mittel entstanden, nennt man den entsprechenden Zustand wiederum "blau“. Im Französischen benennt man den Umstand, dass man keinen Durchblick mehr hat, damit, dass man dort "nur mehr blau“ sieht. Und im Englischen teilt man seinem Umfeld die eigene umfassende Melancholie musikalisch in Form des "blues“ mit. Wechselt man von der Sprache in die lange Geschichte der Farbe Blau in bildnerischen Werken, dann stellt sich die Sachlage allerdings anders dar.

In der Ausstellung zu seinem sechzigsten Geburtstag fasst Peter William Gray in der neu gegründeten Ausstellungsfläche "Sigm. Freud“ im LSF in Graz einige Aspekte der Farbe Blau in seinen Werken zusammen. In "Blau auf Blau“, so der programmatische Titel der Schau, zeigen sich eigenartige Berührungsflächen zwischen den der Farbe zugeschriebenen Eigenschaften und dem einen oder anderen biografischen Detail des Malers Peter Gray. Man kann sich dem Geburtstagskind über den Weg seines künstlerischen Schaffens nähern, man wird dann aber alsbald auf einen anderen Aspekt bei ihm stoßen, nämlich dass er sich als Priester der Kunst nicht nur mit der von ihr eingeforderten Ausschließlichkeit widmen kann, sondern dass der transzendente Gott von ihm eine ebensolche ausschließliche Hingabe begehrt. Diese Konstellation erfordert die Fähigkeiten des Spagats. Ähnlich jenem Spagat, den die Farbe Blau zwischen ihrer materiellen Präsenz und ihrer Wirkung als Farbe, die sich jedem materiellen Zugriff verweigert, auszeichnet: Sobald die Wanderer die blauen Berge erreicht haben, verliert sich deren Färbung, sobald die Nähe zu einem blauen See es erlaubt, ein Glas Wasser daraus zu schöpfen, entschwimmt das Blau in Durchsichtigkeit.

"Kosmisches Bad“

Jenseits gewagter Verknüpfungen mit bio-grafischen Aspekten schöpft der Maler Peter Gray in den präsentierten Arbeiten aber auch aus der langen Kulturgeschichte der Farbe Blau. In einer Serie lässt er Joan Miró und Paul Klee in einen fiktiv-malerischen Dialog treten. Während Miró oftmals zu schnell auf den Trick mit dem Kontrast zwischen Schwarz und brillanten Primär- und Sekundärfarben setzt, durchwandert Klee die Farbpalette auf der Suche nach den inneren Tönen der Farben selbst - jenseits der bloßen Dienstbarkeit als Oberflächenbuntheit. Auch bei Peter Gray wird, zumindest in dieser Serie, die Gegenständlichkeit aufgesprengt; als überschießendes Ergebnis bleibt als Gegenstand nur das Bild selbst, das Dargestellte präsentiert sich als ein "kosmisches Bad“, wie Gray im Gespräch klarstellt. Den Vergleich mit dem Fließen legt auch die zweite Serie nahe, die sich mit ihren Anklängen an Wellen in einem Fluss zu einer ständig neuerlichen Hinterfragung jeglicher Dauerhaftigkeit entfaltet.

Ausschließlich im menschlichen Portrait findet Peter Gray zu einem Realismus zurück, der in dieser Gleichberechtigung die innere Bezogenheit der beiden Malweisen zueinander ausweist. Wenn das Menschenbild nach dem Gottesbild geformt ist, scheint es dem Zerfließen aller anderen Formen zu entgehen; dies sogar, wenn sich das Gottesbild jeder bekannten Form entzieht, sodass nur mehr "techeleth“ (hebr. blau) diesen Entzug der göttlichen Anwesenheit ins Bild setzt. Paradoxerweise aber nicht als Abwesenheit, diese ließe sich auch gar nicht malen, sondern als eine Anwesenheit, die nichts mehr anderes zeigt als reine Farbe. Wo anders als unter einem tiefblau verdunkeltem Abendhimmel könnte man gerade in dessen Sogkraft näher bei sich selbst sein? Die von Gray massiv aufgetragenen Ansammlungen blauer Farbe erzählen von dieser Einkehr bei sich selbst in unendlicher Ferne - ohne dass man deswegen "blau“ sein müsste.

Die Grenzen der Sprache

Beim Eintritt in diesen Grenzbereich der beschreibenden Sprache offenbart sich die Notwendigkeit eines vielfach geschulten Blicks. "Da die Empfindungen die Grundlagen meiner Angelegenheiten sind, glaube ich undurchdringlich zu sein“, stellte Paul Cézanne zu sprachlichen Versuchen fest, seine Kunst sprachlich verstehen zu wollen. "Zuerst ist Nichts, dann tiefes Nichts und schließlich blaue Tiefe“, ergänzt dazu der Farbenphilosoph Gaston Bachelard und spannt damit den Bogen zu den gro-ßen blauen Flächen, die die Ausstellung von Peter Grays Arbeiten zu Ausblicken öffnen. Diese sind nicht nur künstlerischer Natur, sondern zeugen auch von sozialem Engagement: der Gesamterlös aus den verkauften Bildern kommt Kinderprojekten in Nepal und El Salvador zugute.

Peter William Gray - blue on blue

Galerie Blaues Atelier

Annenstraße 33, 8020 Graz

bis 29. März, Di-Fr 15-18 Uhr

Galerie Sigm. Freud

Landesnervenklinik, W.-Jauregg-Pl. 1, 8053 Graz

bis 6. Mai

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