Zukunftsfähigkeit des Boulevards

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Wenn die Bild am Sonntag 60 wird, reizt das weniger zu Gratulation als Vergleich - intern wie extern. Denn dies ist nicht mehr jenes Blatt, gegen das Heinrich Böll und Günther Wallraff angeschrieben haben. Die Vergabe des Henri-Nannen-Preises an zwei Reporter von Europas publikumsstärkster Tageszeitung wirkt als bestes Indiz für deren Wandel. Als meistzitiertes Medium Deutschlands hat sie im Internet den Intimfeind Spiegel überholt. Für dessen Papierausgabe schreibt nun Stefan Niggemeier, der Mitbegründer von bildblog.de, das am Veränderungstempo des von Hamburg nach Berlin gezogenen Boulevardriesen nicht unschuldig ist. Seit 2004 permanent unter Online-Beobachtung hat das Großformat sogar eine Korrekturspalte eingeführt, um Fehler zu bekennen - setzt aber auch dort auf einen Spaßfaktor, der spätestens seit "Wir sind Papst“ als Erfolgsgeheimnis gilt: enn da steht, dass Bodo Hombach, der alte Rivale von der WAZ, nicht auf den Balkon, sondern den Balkan weggelobt wurde.

Die WAZ führt zum externen Vergleich. Denn mit dem Zugpferd Bild hat sich der Axel Springer Verlag gewandelt. Das größte Zeitungshaus des Kontinents definiert sich nun über Internet-Zugriffe als reichweitenstärkstes Medienunternehmen Europa. 2011 haben bei ihm Umsätze und Erlöse aus dem digitalen Geschäft erstmals jene seines Anteils am nationalen Blätterwald übertroffen.

Davon kann die zweitgrößte deutschsprachige Tageszeitung der Welt nur träumen: Auf Papier ist die Krone mit täglich 820.000 verkauften Exemplaren und 2,7 Millionen Lesern der Bild (2,7 bzw. 12 Millionen) viel näher als online. bild.de hat 13, krone.at nur 1,1 Millionen Nutzer pro Monat. Diese Zahlen belegen unterschiedliche Zukunftsfähigkeit - nicht die verschiedene Qualität. Doch handwerkliche Güte ist auch auf dem viel verachteten Boulevard Voraussetzung für den langfristigen Erfolg.

* Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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