Zum Nachdenken

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Johanna Kandl und Ann-Sofi Siden in der Wiener Secession.

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Johanna Kandl und Ann-Sofi Siden in der Wiener Secession.

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Unzählige Feiern anläßlich des zehnjährigen Mauerfalls in Berlin und der Grenzöffnung zwischen Ost und West konnten wir diesen Herbst mitverfolgen. Die Bilder aus den Zeiten, als die Berliner Mauer noch stand, kamen einem momentweise wie aus einem vergangenen Jahrhundert vor - soviel hat sich seitdem verändert. Doch wie schaut das Verhältnis zwischen den Menschen im Osten und Westen und deren soziale Realitäten tatsächlich aus?

Dies fragt sich die österreichische Künstlerin Johanna Kandl seit Jahren in einer intensiven Auseinandersetzung. Für künstlerische und kuratorische Projekte ist Kandl immer wieder nach Serbien, Rumänien, Georgien und Rußland gereist, hat Freundschaften geschlossen und ihre Eindrücke photographisch festgehalten, um sie später als Grundlage für gemalte Bilder zu verwenden. Wie überzeugend nicht nur das konsequente Engagement der Künstlerin für Austausch und Integration, sondern auch die visuelle Umsetzung in kleinformatige, scheinbar unspektakuläre, gemalte Text-Bild-Arbeiten ist, das zeigt derzeit eine Ausstellung in der Wiener Secession.

"He had chosen to eat rather than to be eaten", steht etwa auf einer kleinen, bemalten Holztafel. Auf dem Bild sieht man einen ausländischen Zeitungsverkäufer, der genau "die" österreichische Zeitung anbietet, die immer wieder gegen Nicht-Inländer hetzt. Die intelligente Ausstellungsarchitektur mit einer die Secession in zwei Hälften teilenden Mauer unterstreicht das Thema und überrascht zugleich den Besucher, indem die Erwartungshaltung - die andere Seite wird etwas "Anderes" zeigen - enttäuscht wird.

Nachdenklich stimmt auch die Videoinstallation "Warte mal!"der schwedischen Künstlerin Ann-Sofi Siden in den Kellerräumen der Secession. Interviews junger Prostituierter in einer tschechischen Grenzstadt zu Deutschland konfrontieren den Ausstellungsbesucher sehr direkt mit den sozialen Verhältnissen der Frauen und deren Hoffnung, im Westen gesellschaftlichen Aufstieg zu erreichen.

Johanna Kandl. Ann-Sofi Siden. Bis 16. Jänner 2000. Secession, Friedrichstraße 12, 1010 Wien, Tel. (01) 587 53 07-10.

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