Zum Schluss gehen immer die Lichter aus

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Für das Theater in der Josefstadt hat Peter Turrini seinen 1997 am Akademietheater von Claus Peymann mit Gert Voss uraufgeführten Monolog "Endlich Schluss“ neu adaptiert. In der Regie Herbert Föttingers mit Alexander Pschill bekommt der Titel unversehens eine andere Bedeutung.

Ich zähle jetzt bis tausend und bringe mich um“: Mit dieser radikalen Ansage startet Peter Turrinis Monolog "Endlich Schluss“. Gleich zu Beginn sind damit Ablauf und Ausgang des Dramas festgelegt, kein leichtes Stück also, weder für die Regie noch für den Schauspieler. Bei der Uraufführung 1997 war Gert Voss in der Rolle des Selbstmörders unter der Regie von Claus Peymann am Akademietheater zu sehen. Für die Josefstadt hat Turrini den Monolog neu adaptiert, in der Inszenierung Herbert Föttingers tritt nun Alexander Pschill zum suizidalen Endloszählspiel und zur letzten Premiere des Hauses in dieser Theatersaison an.

Perfekt sitzender Armani-Anzug

Ein heruntergekommenes Kinderzimmer in einer düsteren Altbauwohnung, Schaukelpferdmotive auf der vergilbten Tapete mit dem verblassten Abdruck eines Kreuzes darauf und eine nackte Glühbirne an der Decke, Straßenlärm dringt durch das offene Fenster, ein altes Schaukelpferd steht in der Mitte der Bühne. Hier nimmt Pschill im perfekt sitzenden schwarzen Armani-Anzug mit Pistole in der Hand seinen Monolog über den Tod und das Leben auf. Zwischen den Zahlenreihen tauchen Erinnerungen an seine Vergangenheit auf. Als Kind durch langwierige Krankheiten ans Bett gefesselt, später in der psychiatrischen Anstalt gelandet, führt er heute das Leben eines skrupellosen Karrieristen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, der Frau und Sohn im Stich lässt, um immer wieder neue Lebensentwürfe auszuprobieren.

Peter Turrini (zuletzt auch als Schauspieler in der Rolle des Bischofs im TV-Film "So wie du bist“ von Wolfgang Murnberger über Menschen mit Down-Syndrom zu sehen) hat die Neufassung mit einigen Änderungen ausgestattet. Während der Text ursprünglich mehr autobiografische Züge aufwies, ist das nun vorgestellte Porträt stärker an die gesellschaftlichen Verhältnisse des 21. Jahrhunderts angepasst. Aus dem Schriftsteller mit journalistischen Ambitionen ist ein Starjournalist geworden, dessen Gier nach Erfolg weder vor Bestechung noch vor Betrug Halt macht und der auch vor antisemitischen Äußerungen nicht zurückschreckt. Ein Zyniker und Provokateur, dem "die schönsten Worte, die besten Formulierungen, die überzeugendsten Argumente aus der Feder fließen“, und den nur der Tod von der Karriereleiter stoßen kann.

Das handlungsarme Stück erhält von der Regie kaum Unterstützung, Föttinger baut nur wenige dramaturgische Anweisungen ein, wie das Durchstöbern von alten Fotos, Briefen und Kinderspielzeug oder einen Tanz mit roter Clownsnase im Gesicht. Es ist lediglich das Spiel mit dem Interieur, das diese langatmige Inszenierung auflockert und ihr Struktur und ansatzweise Spannungsmomente verleiht. Rolf Langenfass, der vor drei Wochen, noch während der Endproben, verstarb, hat hier als Bühnengestalter zum letzten Mal sein großartiges Talent für Licht, Raum und Dekoration unter Beweis gestellt. Als Zuschauer verfolgt man gebannt das Verdunkeln des Fensters mit Klebeband und blickt danach fasziniert auf ein raffiniertes Lichtspiel mittels Glühbirne im dunklen Zimmer, das den Schatten Pschills als dämonisches Märchenwesen in überdimensionaler Größe an die Wand wirft.

Warten auf das Ende

Turrini wollte mit der Neufassung Risse, Bruchstellen und die innere Verzweiflung, die einen jungen Menschen in den Tod treiben, stärker zur Geltung bringen. Doch weder im Text noch in der Darstellung kommen diese seelischen Abgründe zum Vorschein. Die Figur wirkt wie am Reißbrett entstanden, es bleibt alles an der Oberfläche, keine Regung, kein Gefühlsausbruch ist echt, und das Ende bleibt immer absehbar, wird aber doch nie verständlich gemacht. Den knapp achtzig Minuten Aufführungsdauer fehlt es an Spannung, und bereits bei der Zahl 500 - beim halben Tod, wie Turrini schreibt - beginnt man auch als Zuschauer das Ende herbeizusehnen. Von 1 auf 1000 in 80 Minuten, es hätte mehr (Schaukel-)Pferdestärken bedurft, um dieser Inszenierung Kraft und Tiefgang zu verleihen.

Weitere Termine:

24., 27. Mai, 16., 17., 19., 22., 23. Juni

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