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Lehárs "Lustige Witwe" bei den Seefestspielen in Mörbisch und in der Volksoper.

F ür die Unterhaltungsmusik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sie "exemplarisch den neuen Stil statuiert", meinte niemand Geringerer als Theodor W. Adorno über Franz Lehárs "Lustige Witwe". 100 Jahre ist es nun her, dass diese Operette "eine der größten Theaterepidemien der Geschichte" (Lehár-Biograph Stefan Frey) auslöste. Allein in den ersten dreieinhalb Jahren nach der Uraufführung wurden über 18.000 Aufführungen in 422 deutschen, 135 englischen und 154 amerikanischen Städten gezählt. Die Ohrwürmer waren, ähnlich heutigen Pophits, in aller Welt zu hören, in den Theatern, auf den Straßen und in den Lokalen vom Amazonas bis China, von Rhodesien bis Australien - Markierung des Beginns einer global agierenden Unterhaltungsindustrie. Klar, dass im Jubiläumsjahr zwei Orte mit Produktionen der "Lustigen Witwe" aufwarten, an denen die Operette im besonderen Maß hochgehalten wird: die Seefestspiele Mörbisch und die Volksoper Wien. Der Sieg im Prestigeduell zwischen dem "Mekka der Operette" und "Europas führender Operettenbühne" geht eindeutig an Mörbisch. In mancher Hinsicht kann auch die Volksopern-Witwe punkten. Der charmante Premieren-Danilo Morten Frank Larsen und die laszive, selbstbewusste Hanna Noëmi Nadelmann singen nicht nur prächtig, sondern verkörpern moderne Menschen und nicht vorgefertigte Figuren aus dem Operetten-Fundus. Auch hat man in der Volksoper selten etwas so Mitreißendes erlebt wie den umjubelten Tanz der Grisetten. Schwachpunkt der Aufführung ist die regietheatermäßige, aber dabei halbherzige Inszenierung (Daniel Dollé): Einfälle wie Njegus (Martin Zauner) als Sigmund Freud und das pontevedrinische Fest als Shakespearescher Sommernachtstraum überzeugen inmitten eines ansonsten ganz konventionellen Rahmens nicht wirklich.

In Mörbisch hingegen erzählt Regisseur Helmuth Lohner die Liebesgeschichte zwischen dem Grafen und der steinreichen Witwe ganz traditionell und mit der schwülen Sinnlichkeit, die schon 1905 einen wesentlichen Bestandteil des Erfolgs ausmachte, dazu kompakt und verständlich und selbstverständlich mit der in Mörbisch üblichen Opulenz. Mathias Hausmann als strahlender Danilo ist eine echte Entdeckung, dem Vicente Ombuena als Rosillon in nichts nachsteht. Kein Wunder, dass Valencienne (Elisabeth Starzinger) nicht widerstehen kann, wenn er "Komm in den kleinen Pavillon" intoniert. Die Damen (Margarita De Arellano als Hanna) singen tadellos, sind aber in ihrer Erscheinung zu sehr dem Typus Operettendiva verhaftet.

Auch im Orchestergraben hat Mörbisch die Nase vorne: Am Wiener Gürtel geht Dirigent Leopold Hager kammermusikalisch, aber eben doch sehr akademisch zu Werke, so dass Intimität trotz des plüschigen Volksopern-Ambientes nur selten aufkommt. Trotz des vergleichsweise scheppernden Mörbischer Sounds und der Riesenbühne gelingt es Operettenaltmeister Rudolf Bibl vor allem in den stilleren Momenten eine ungeheure Intensität zu schaffen. "Lippen schweigen" ist am Neusiedler See zum Weinen schön.

Restkarten für Mörbisch, wo bis 28. August gespielt wird, sind noch erhältlich. Die Volksoper nimmt "Die Lustige Witwe" am 8. September wieder auf - übrigens mit Danilo Hausmann von den Seefestspielen.

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