Zur Debatte um die "Nazioperette"

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Die politische Zündkraft der Unterhaltungskultur abseits der politischen Kabaretts wird selten thematisiert. Die Künstler widersetzten sich den Nationalsozialisten ab den 1920er-Jahren mit ihren -geistigen -Waffen, mit Humor, mit Augenzwinkern -eine Gattung, die den Nazis völlig fremd war und die daher offenbar besonders bedrohlich wirkte. Anders ist es kaum zu verstehen, warum Unterhaltungskünstler in solchem Maße der Verfolgung, Demütigung und Folter ausgesetzt waren.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Jänner 1933 durften die meisten Operetten nicht mehr gespielt werden, groß war der Bedarf an Ersatzwerken, um die große Nachfrage nach Operette weiter zu befriedigen. Die Theaterdirektoren in Deutschland liefen gegen das Verbot der Erfolgsoperetten Sturm, wie Oberregierungsrat Dr. Rainer Schlösser am 12. September 1934 Reichsminister Joseph Goebbels auseinandersetzte:

"Bei Machtübernahme war die Lage auf dem Operettenmarkt so, daß 80 %der Produktion sowohl musikalisch wie textlich jüdischen Ursprungs war. 10 % war den Komponisten nach arischen, den Librettisten nach aber ebenfalls jüdischen Ursprungs. Die rein arischen Werke endlich dürften 10 %nicht überstiegen haben.

Unter diesen Umständen war es in der vergangenen Spielzeit [1933/34] nicht möglich, die jüdischen Bestandteile in der Operette restlos auszumerzen. Vor allem musste auf die schwierige wirtschaftliche Situation selbst subventionierter Bühnen einige Zeitlang noch Rücksicht genommen werden. Das erwies sich deshalb als unumgänglich, weil infolge jahrzehntelanger Bearbeitung durch die undeutsche Presse das Publikum die Aufführung namhafter Operetten, und namhafte Operetten waren ebenfalls durchweg jüdische Operetten, verlangte."

Als "Kompromiss" blieben Werke von nichtjüdischen Komponisten auf dem Spielplan, die jüdischen Librettisten wurden verschwiegen. Doch längerfristig war auch dies keine Lösung für die Theater, neue Werke mussten her. Nico Dostal und Fred Raymond waren bereits vor 1933 erfolgreiche Komponisten und arbeiteten mit ihren jüdischen Kollegen zusammen -nun mussten sie sich andere Librettisten suchen. All diese Werke waren "von jüdischen Sentimentalitäten bereinigt" und somit bieder und brav -dass Regisseure heutzutage daher die Texte völlig neu schreiben, liegt auf der Hand. Am Rande sei erwähnt, dass das Bühnenbild zu Erik Charells "Weißem Rössl" für Fred Raymonds "Saison in Salzburg" weiterverwendet wurde.

Der Umgang mit diesen Werken ist heikel, meine kritischen Gedanken bezogen sich auf die Programmierung des Stückes "Saison in Salzburg" und weder auf das Lehár-Festival per se in Vergangenheit und Zukunft noch auf die Stadt Bad Ischl, da die Verdienste von Bürgermeister Hannes Heide um die Thematisierung auch unliebsamer Themen unbestritten sind. Ich verschweige weder "bewusst" die engagierten Bemühungen der Intendanz, dieses Stück in eine kritische Rezeption einzubetten, noch den Spielplan der kommenden Saison.

Arnbom

Die Historikerin reagiert hier auf Leserbriefe (Nr. 35) zu ihrem Interview in FURCHE Nr. 34, S. 18 (s. o.).

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