Werbung
Werbung
Werbung

Erich Wolfgang Korngolds Oper "Die tote Stadt" bei den Salzburger Festspielen und in der kommenden Saison an der Staatsoper.

Der Sohn des bekannten Wiener Musikkritikers Julius Korngold galt als musikalisches Wunderkind. Keine Geringeren als Gustav Mahler und Giacomo Puccini bewunderten sein immenses Talent. Sein erstes Bühnenwerk, die Ballettpantomime Der Schneemann, komponierte Erich Wolfgang mit zwölf. Wohl nicht zuletzt aufgrund seiner stupenden Begabung eignete Korngolds Leben und Schaffen von Beginn an ein Zug von Unzeitgemäßheit. Im öffentlichen Musikleben galt er bereits in jungen Jahren als Vertreter der konservativen Richtung - wenig verwunderlich, war doch sein Vater ein erbitterter Gegner der "Schönbergianer". In den 20er Jahren zählte er zu den meistgespielten Komponisten seiner Zeit. Seine bis heute bekannteste und erfolgreichste Oper Die tote Stadt, deren Premiere 1920 in Hamburg und Köln gleichzeitig über die Bühne ging, erfuhr vor dem Zweiten Weltkrieg über 70 Aufführungen in Europa und Amerika. 1934 wurden die USA Korngolds neue Heimat. Mit Erfolg setzte er sich in Hollywood als Filmkomponist durch. Dass es ihm nach 1945 nicht mehr gelang, ihn Europa Fuß zu fassen und er als Komponist ernster Musik mit seinem der Tradition verhafteten Stil keine Anerkennung mehr erfuhr, wendete sein Schicksal ins Tragische.

Der Konflikt zwischen der Sehnsucht nach einer idealisierten Vergangenheit und dem Recht lebendiger Gegenwart, Sujet der Toten Stadt, scheint der persönlichen Situation des "Komponisten zwischen den Zeiten" merkwürdig nahe. Die Handlung folgt dem Roman Bruges-la-Morte des Belgiers Georges Rodenbach und erzählt die Geschichte eines Witwers, der sein Leben dem Andenken an seine verstorbene Frau widmet. Die Begegnung mit einer jungen, lebenssprühenden Tänzerin, die der Verstorbenen gleicht, stürzt ihn in einen tiefen Gewissenskonflikt, der mit einem Mord endet. Korngold Vater und Sohn entschieden sich im Libretto für eine realistischere Lösung: Der Protagonist Paul träumt den Mord an der Tänzerin lediglich und leistet dadurch Trauerarbeit im Sinne Freuds. Am Ende verlässt er die tote Stadt, sowohl die tote Marie als auch ihr lebendes Ebenbild Marietta haben ihre Anziehungskraft verloren. Das Leben triumphiert.

Willy Deckers Salzburger Inszenierung bringt das Geschehen gekonnt einfach auf die Bühne. Ein enges Zimmer, auf dessen schwarze Wand in unendlicher Wiederholung und manischer Beschwörung der Vergangenheit "Unsere Liebe war, ist und wird sein" gekritzelt wurde, weitet sich zu einer unwirklich verzerrten Traumlandschaft.

Die Wiener Philharmoniker unter Donald Runnicles boten die vielgestaltige, dichte Partitur zugkräftig dar: Operettennahe Klänge - wie in Mariettas berühmtem Lautenlied "Glück, das mir verblieb" und Pierrots Tanzlied im Walzerrhythmus "Mein Sehnen, mein Wähnen, es träumt sich zurück" - wechselten mit avancierten, die Grenze der Atonalität streifenden Ausdrucksvaleurs. Angela Denoke (Marietta) und Bo Skovhus (Frank/Fritz) meisterten ihre anspruchsvollen Partien mit Bravour. Torsten Kerl (Paul) kam dagegen kaum gegen die orchestrale Fülle an.

Dem zwiespältigen Lebensgefühl des Fin de siècle verbunden, haftet Korngolds Musik nach wie vor ein Moment von Unzeitgemäßheit an. Besonders ihre stilistische Flexibilität, das Changieren zwischen den Genres ist eine Herausforderung für die Rezeption, verweist sie damit doch auch auf starre Grenzen unseres Musikbetriebs. In Salzburg gelang eine spannende Realisierung eines kurzweiligen, bühnenwirksamen Stückes. Ob die Übernahme durch die Staatsoper ein dauerhaftes Revival bedeutet, bleibt abzuwarten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung