Zurück zur „Natur“

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Alternative Bestattungsarten wie Baum- oder Seebestattung finden immer mehr Zuspruch, das traditionelle Begräbnis sehen manche verschwinden.

Songs aus dem Musical „Mamma Mia“, weiße Kleidung und Prosecco bei der Bestattung: All das ist bei den individuellen Naturbeisetzungen nicht ungewöhnlich und etwa Elisabeth Zadrobilek aus Niederösterreich – nach „jahrelangem Kampf um eine Genehmigung“ – nun möglich. Seit April 2008 organisiert sie Wasserbestattungen auf der Donau in Niederösterreich. Im darauf folgenden Oktober gründete sie den „Wald der Ewigkeit“ in Wien-Mauerbach, in dem zersetzbare Urnen Verstorbener unter den Wurzeln von Bäumen begraben werden: „Viele wollen auf keinen Friedhof mehr, sie wollen die Freiheit für ihre irdische Hülle.“

Alternativen zum kirchlichen Begräbnis scheinen im Aufkommen begriffen zu sein: „Das mit der Erdbestattung gewachsene Brauchtum um Tod und Begräbnis hat sich schon verändert und wird zum Teil verschwinden“, stellt die katholische Kirche etwa in der „Rahmenordnung der Diözese Innsbruck zur Begräbniskultur“ (dioezesefiles. x4content.com/page-downloads/begraebniskultur.pdf) fest. Auch Reiner Sörries prognostiziert in seinem kürzlich erschienenen Buch „Ruhe sanft. Kulturgeschichte des Friedhofs“ (Butzon & Bercker 2009, w 25,60): „Gräber wird es auch in Zukunft geben. Dass der Friedhof in der Weise, wie wir ihn kennen, Bestand haben wird, scheint dagegen unwahrscheinlich. Zumindest wird es neben dem herkömmlichen Friedhof eine Vielzahl alternativer Beisetzungsmöglichkeiten geben, wie sich dies seit Beginn des 21. Jahrhunderts abzeichnet.“ Jürgen Sild, Pressesprecher der Bestattung Wien, erkennt eine „leichte Zunahme auf niedrigem Niveau“ bei individuellen Begräbnissen, konkrete Zahlen dazu gebe es aber keine.

Differierende Ansichten

Die Bewertungen neuer Formen wie Baum- und Seebestattungen oder etwa das Transformieren der Asche zu einem Erinnerungsdiamanten, der etwa als Schmuckstück getragen werden kann, gehen stark auseinander. Sie sind geprägt von grundsätzlich differenten Ansichten über Sterben und Tod. Sieht Zadrobilek die Naturbestattungen als Fortschritt und „Zeichen der Zeit“, ist die katholische Kirche in Bezug auf anonyme Bestattungen oder so genannte „Friedwälder“ skeptisch.

Auf die Idee gekommen, eine Firma zu gründen, ist die Pionierin in Sachen Naturbestattung durch einen familiären Todesfall. „Ich habe gesehen, dass es zum Thema Tod im Internet überhaupt nichts gibt – weder Hilfestellungen noch Infos über Alternativen zu Erdbestattungen.“ In ersten Schritten gründete sie die Plattform www.begraebnis.at und rief 2005 die Firma „Naturbestattung“ ( www.naturbestattung.at) ins Leben. Bevor sie ihren privaten „Wald der Ewigkeit“ in Österreich realisieren konnte, organisierte sie die Verstreuung der Asche auf einer Wiese in Pressburg. Die Motive hinter einer Baumbestattung würden variieren: „Für manche bedeutet das: Der Baum nimmt die Asche als Nährstoff auf, im Frühling kommt man vielleicht in den Blättern wieder. Die eigene Vergänglichkeit ist dann nicht mehr so präsent“, erklärt Zadrobilek. Seit vergangenem Jahr organisierte sie 33 Bestattungen auf der Donau und 22 im „Wald der Ewigkeit“. Mit einer kirchlichen Feier hat die Zeremonie, bei der Zadrobilek selbst eine Grabrede hält, wenig gemein: „Manchmal spielen wir komplett moderne Musik, die in einer Aufbewahrungshalle nicht gut rüberkäme. Etwa Songs aus ‚Mamma Mia‘, weil die Verstorbene das gerne hörte. Bei einer Feier wurde mit Prosecco angestoßen – auf die Art ‚Mach’s gut, wo du jetzt bist!‘“. Auch würden – je nach Wunsch – Fürbitten gesprochen werden, die dann verbrannt zur Asche des Verstorbenen kommen können. „Eine Verabschiedung soll ein Event sein. Man kann das nicht wiederholen. Die Menschen gehen mit diesen Bildern nach Hause“, betont sie und schmunzelt: „Unsere Verabschiedungen entsprechen dem, wie der Mensch gelebt hat. Wenn er bei uns wäre, würde er sagen: Super, so hab ich mir das vorgestellt.“ Manchmal begleitet auf Wunsch der Angehörigen ein Priester die Zeremonie, feiert aber keine Messe. Oder er übernimmt die Leichenverabschiedung vor der Kremation, denn die bietet Zadrobilek nicht: „Für mich ist der Leichnam ein furchtbares Thema, nur eine irdische Hülle. Der Mensch ist ja nicht mehr da.“ Mit dem Körperlichen würden viele Kunden nichts mehr anfangen können: „Unter der Erde zu verfaulen, ist ein unangenehmer Gedanke. Einäschern ist umweltfreundlicher für das Grundwasser, platzsparender, sauberer.“

Naturbestattung „unchristlich“?

Pfarrer Sebastian Huber aus Tulfes in Tirol ist Koautor der Rahmenordnung zur Begräbniskultur und kann mit den Motiven hinter der Naturbestattung aus christlicher Sicht nur wenig anfangen. „Wenn der Gedanke ist, man komme zurück in den Kreislauf der Natur, es komme zur Reinkarnation, dann ist die christliche Hoffnung auf Auferstehung eigentlich nicht vorhanden. Wollen die Angehörigen dann überhaupt einen Gottesdienst? Denn die Hintergründe dieser Form der Feier entsprechen eigentlich nicht dem Christentum.“

Über den möglichen Ablauf alternativer Zeremonien kann Huber nur schmunzeln: „Die Frage ist: Wie gehen wir mit Trauer um? Trauer ist da. Überspielen wir sie, wird sie uns wahrscheinlich einholen.“ Das Rituelle eines Begräbnisses, wie das Hinablassen des Sarges, würde die Trauernden stützen. In Anbetracht fröhlicher Musik oder eines Zuprostens am Grab meint Huber: „Ist das wirklich Trauer oder erstmal nur Behübschung? Ich muss mich fragen, ob das der Sache denn entspricht.“ Gegen eine individuelle Gestaltung der Messe habe der Geistliche nichts: „Als Erinnerung an den Verstorbenen zu Beginn oder am Ende der Messe kann man schon ‚Mamma Mia‘-Klänge spielen. Mitten in der Feier ist dafür aber wenig Platz: Ich bete zu Gott und dann erklingt mir diese Musik! – Das entspräche der Sache nicht.“

Ein wesentlicher Punkt, mit dem Jürgen Sild von der Bestattung Wien das vorsichtige Behördenvorgehen bei der Gesetzeslockerung erklärt und den Pfarrer Huber als unerlässlich empfindet, ist, einen Ort für die Trauer zu haben. Huber: „Anonyme Bestattungen oder Aschenverstreuungen entsprechen nicht der Wirklichkeit eines Menschen. Wir haben viele soziale Beziehungen und unser Umfeld hat das Recht, sich von uns verabschieden zu können. Einen Ort der Trauer zu haben, hilft bei der Aufarbeitung und dient der Erinnerung.“

War es vor Jahrzehnten noch normal, den Verstorbenen zu Hause aufzubahren, verschwinde dieser Brauch weitgehend. Dabei sei ein persönlicher Abschied durch Berühren, etwa wenn die Angehörigen ein Kreuz mit Weihwasser auf die Stirn des Verstorbenen machen, sehr wichtig, findet der Pfarrer. Es solle nicht zu schnell eingesargt werden: „Das ist doch das Normalste im Leben. Wir nehmen heute viel intensiver Abschied als früher, umarmen, küssen uns. Jetzt, im Angesicht des Todes, schiebt man das plötzlich weg?“

Die Kirche sieht sich durch die veränderte Bestattungssituation vor neue Herausforderungen gestellt. Wie will sie der neuen Richtung zum Individualismus entgegentreten? Pfarrer Huber schmunzelt: „Ich würde sagen: Durch schön gefeierte Begräbnisse.“

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