Personalquerelen verstellen den Blick auf größere Problemstellungen. Das gilt ungeachtet des Aberwitzes um die Büroleitung von Generaldirektor Alexander Wrabetz auch für den ORF. Die mögliche Bestellung von Niko Pelinka ist ein Indiz für den Mangel demokratiepolitischer Kultur im Land, die Bilanzen auf dem Publikums- und Werbemarkt sind ein existenzielles Alarmzeichen. Der ORF-Seheranteil sank 2011 auf 36,4 Prozent, die Werbeeinnahmen fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen schrumpften gegenüber 2010 um rund ein Fünftel.
Angesichts von 47,6 Prozent 2006 unter Vorgängerin Monika Lindner mag der Rückgang bei den Quoten ein weiterer Imageschaden für Wrabetz sein: Die wahre Herausforderung ist aber der Einbruch bei den Spots. 2009 landeten erstmals mehr Werbemillionen im Privatfernsehen als im ORF-TV, 2012 werden es doppelt so viele sein. Das hat drastische Auswirkungen auf den Programmerhalt. Während sich der ORF 2000 - mit 56,4 Prozent Fernsehmarktanteil - noch fifty-fifty aus Gebühr und Werbung finanzierte, liegt das Verhältnis heute bei 3:1.
Mehr als 20 Prozent Einnahmenwachstum für Privat-TV bei gleichzeitiger Verlagerung aller Mediennutzung zu mobilem Internet zeichnen langfristig den Weg eines rein aus Gebühren finanzierten ORF. Um die entsprechende Akzeptanz der Bürger zu erhalten, benötigt es eine Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Auftrags mit Bedacht auf die besondere Situation neben dem zehnmal größeren gleichsprachigen deutschen Nachbarn. Es geht vor allem um die Funktion des Identitätsstifters und -bewahrers in einer voll integrierten EU.
Dafür gibt es keine offensive Strategie. Wrabetz wirkt als Verwalter eines überkommenen Zustands statt Gestalter einer neuen Visitenkarte Österreichs in Europa. Sein Vorzimmerproblem ist lediglich ein Ausweis solchen Kleingeists.
Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst
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