Zwangsehe ohne Visionen

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Wer zu spät kommt, den bestrafen die Wähler. Wer sich solange mit der Regierungsbildung Zeit gelassen hat wie diesmal SPÖ und ÖVP, muß nun alles tun, um Neuwahlen zu vermeiden. Der Pakt war zwar zu Redaktionsschluß dieser Furche-Ausgabe noch nicht perfekt, aber unvermeidlich: keine Liebesheirat (das war die rot-schwarze Koalition nie), nicht einmal eine Vernunftliaison, sondern eine Zwangsehe ohne Visionen.

Als unglaubwürdig haben sich in den letzten Wochen Politiker aus allen Lagern erwiesen, aber es liegt in der Natur der Sache, daß am meisten an den Regierenden hängenbleibt. Wer erwartet denn von Klima und Schüssel noch mutige Reformen, die sie in den eigenen Parteien durchsetzen und den Wählern als überzeugende Lösungen verkaufen können?

Ob die wichtigsten Förderer dieser Neuauflage von Rot-Schwarz, Bundespräsident Thomas Klestil und der Eigentümer der Kronen Zeitung, Hans Dichand, von den gleichen Motiven geleitet wurden, ist die Frage. Klestil ging es - wie vielen Österreichern - offenbar in erster Linie darum, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern und Österreichs Reputation im Ausland nicht zu gefährden. Bei Dichand muß man angesichts der sonstigen Linie seines Blattes argwöhnen, er wolle Jörg Haider nur umso sicherer zu einem triumphalen Sieg bei der nächsten Nationalratswahl verhelfen. Und ein solcher ist angesichts des Zustandes von SPÖ und ÖVP sehr wahrscheinlich.

Insofern könnte sich der jetzige Erfolg der Haider-Verhinderer als Pyrrhussieg erweisen, dem spätestens im Herbst 2003 - wenn das jetzige Bündnis überhaupt so lange hält - ein Desaster der Regierungsparteien folgt. Aber nichts wäre so falsch wie die Haltung, dieses Szenario als absolut unvermeidlich anzusehen. Der Fall Rosenstingl ist nur ein Beispiel dafür, wie sich auch die große Oppositionspartei ständig Blößen gibt und sich noch keineswegs nachhaltig als Regierungspartei qualifiziert hat. Wenn SPÖ und ÖVP ordentlich die Ärmel hochkrempeln, Altlasten rasch entsorgen, alles, was nach Skandal riecht, vermeiden oder sofort schonungslos bereinigen und sich bis zur nächsten Wahl an der Spitze personell erneuern, könnten sie auch dann mit einem blauen Auge davonkommen.

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