Zwei Bücher über die Liebe und das Essen

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Ein aphrodisisches Kochbuch von Isabel Allende und ein eher etwas anspruchslos gekochter Roman von Marlene Faro.

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Ein aphrodisisches Kochbuch von Isabel Allende und ein eher etwas anspruchslos gekochter Roman von Marlene Faro.

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Mit der Pille für den Mann machen sich die Technokraten nun auch in den Betten breit. Alles ist planbar und funktioniert. Eine verkürzte Sicht der Welt, die auch das Ende von männlichem Bemühen und Pädagogik einzuläuten scheint. Denn wen es bislang sein Liebesverlangen über alle Maßen auszukosten verlangte, der mußte sich eben bemühen und zum Beispiel lernen, wie Kochkünste das Liebesverlangen zu beflügeln vermögen.

Isabel Allende arrangiert mit ihrem gleichnamigen Buch eine "Feier der Sinne" und ist weit davon entfernt, einen einfachen Ratgeber nach dem Motto "man nehme und genieße die folgenden Stunden ..." vorzulegen. Denn neben dem Essen ist das beste Stimulans der Erotik eine Geschichte, "erzählt zwischen zwei für die Liebe frisch gebügelten Laken". So ist dieses Buch eben kein Kochbuch, sondern auch ein Geschichtenbuch über die verschiedenen Versuche in anderen Kulturen und in der Vergangenheit, Leidenschaft anzufachen. Als Leitlinie für die Auswahl der Gerichte hielt sich das Team um Allende an heutige Möglichkeiten: "In unseren Tagen sind Leute dünn gesät, die Muße zum Brotbacken haben oder über den Schädel eines Gehenkten verfügen. Zweck der Aphrodisiaka ist es, die sinnliche Liebe anzuheizen, aber wenn wir mit der Herstellung Zeit und Energie verschwenden, kann ihre Wirkung nur recht dürftig ausfallen... Haifischflossen, Pavianhoden und ähnliche Ingredienzien kommen hier nicht vor, weil sie in den umliegenden Supermärkten nicht aufzutreiben waren." Wer in den Kapiteln über "Beschwörung der Düfte", "Sünden des Fleisches" oder "Aphrodisische Pflanzen" geschmökert hat, ist reif für die Rezepte. Bereits das Blättern beflügelt die Gedanken, wenngleich auch die irdischen Schritte kalkuliert werden wollen, denn wo bekommt man die nötigen Zutaten. Ein kurzer Blick beruhigt, rund um den Naschmarkt in Wien dürfte Mann und Frau zu jeder Jahreszeit fündig werden.

Bei jedem Gang finden sich auch Drei-Minuten-Gerichte, denn "in der Liebe wie in der Küche sollte man nichts übereilen, aber bisweilen ist keine Zeit für das ganze Kamasutra". Die Wirkung der Speisen soll, sagen die Testpersonen, die Allende zitiert, phänomenal sein. In einigen Fällen genügte es, das Buch mit dem gut lesbaren Titel auf dem Tisch liegenzulassen, damit die aphrodisische Kraft wirkte: "Die Gäste begannen einander an den Ohren zu knabbern, noch bevor wir das Essen auftrugen." Robert Shekter hat das Buch sinnenfroh illustriert.

Wie es sich mit Köstlichkeiten und den dazu passenden Weinen leben läßt, erfahren wir aber auch im Roman "Die Frau des Weinhändlers" der österreichischen Autorin Marlene Faro. Die Restauratorin Agnes ist mit ihrem Simon, einem Gourmet und Weinkenner, der diese Leidenschaft zum Beruf gemacht hat, glücklich. Sie leben gepflegt, essen ebenso, kennen keine Sorgen, dafür aber alle französischen Leckerbissen. Es ist eine gehörige Provokation, dieses Leben so zu schildern, daß die Leserin und der Leser aufpassen müssen, diese Creme des gehobenen Mittelstandes nicht fast sympathisch zu finden. Eine banale Geschichte, hart an der Grenze zum Trivialen, denn die feinen Essen in den Restaurants oder die nach Hause bestellten Leckerbissen sind nichts gegen die einfache Küche des Herrn Melchior, Agnes' einzigen Freundes, mit dem sie auch sprechen kann. Der Kontrast zwischen Luxusleben und ihrer Arbeit in Sankt Petersburg und die wochenlange Trennung von ihrem Mann tun ein Übriges zur Erkenntnis, die uns schon in vielen Romanen serviert wurde: Gutes Essen ist nicht alles und gibt dem Leben keinen Sinn. Der Abschied vom Gourmet ist unausweichlich. Eine Antwort auf die Heile-Welt-Geschichten?

Dank der Ironie Faros schwingt sich die Trivialgeschichte zu einem Stück gut geschriebener Alltagsliteratur für einen schwülen Sommer auf. Ihre Wirkung als Schutz vor dem allmächtigen Diktat der Weinkenner und Gastrokritiker in den Medien und bei privaten Tischrunden ist wahrscheindlich mit dem von Gelsensprays zu vergleichen: Vielleicht hilft's...

Eine Feier der Sinne Von Isabel Allende, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1998, 328 Seiten, geb., öS 364, Die Frau des Weinhändlers Roman von Marlene Faro, Reclam Verlag, Leipzig 1998, 166 Seiten, öS 117,-

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