Zwei Finanzminister. Eine Zeitreise

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Mit seiner konservativen Budgetpolitik schuf Finanzminister Stephan Koren (1968-1970) jedenfalls alle Voraussetzungen für die nachfolgende Ära budgetärer Großzügigkeit.

"Die ganze Geschichte" nennt Yanis Varoufakis sein packendes Buch mit dokumentarischen Erinnerungen an jenes erste Halbjahr 2015, in dem er als griechischer Kurzzeit-Finanzminister gegen die Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds ankämpfte. Mit seiner so rasanten wie provokanten Solofahrt durch die Wirrnisse der Eurokratie kam der exzellente Ökonom und passionierte Motorradfahrer einem Kompromiss mit den Gläubigern zum Greifen nahe. Dann aber erhöhte der binnen weniger Wochen zum Weltstar des Nonkonformismus aufgestiegene Varoufakis seinen Einsatz -und pokerte am Ende zu hoch. Seine Manöver um den angedrohten und dann doch nicht vollzogenen Euro-Ausstieg kosteten die ohnehin leidgeprüfte griechische Bevölkerung viel zusätzliches Geld, Wachstum und Beschäftigung. Erst heute nähert sich Griechenland wieder einem volkswirtschaftlichen Normalzustand.

Anpassung der Maastricht-Kriterien

Außer Zweifel steht jedoch, dass es ausreichende Gründe für Kritik an der Eurokratie gab und gibt. Denn es dauerte schmerzhaft lange, bis nach dem Schock der von der Finanzkrise ausgelösten Staatsschuldenkrise ein taugliches Kriseninstrumentarium entwickelt werden konnte. Auch ist die Kernfrage noch immer offen, wie die Spielregeln für das zulässige Maß an Staatsschulden ("Maastricht") in hoch verschuldeten Ländern so angepasst werden können, dass Budgetsanierung und Wachstum miteinander vereinbare Ziele bleiben.

Mitten im Grübeln zu Fragen der "richtigen" Verschuldung kommt mir eine sehr weit zurückliegende Zeit in den Sinn, in der schon eine 12,5-prozentige Staatsschuldenquote als unverantwortlich hoch erschien. Es war Professor Stephan Koren, der vor 50 Jahren, im Februar 1968, seinen berühmten "Paukenschlag" verkündete. Mit erhöhten Verbrauchssteuern einerseits und Wachstumsimpulsen andererseits versprach er, das Budget wieder in Ordnung zu bringen. Allerdings trug sein aus heutiger Sicht geradezu utopisch solider, letztlich unpopulärer Plan dazu bei, dass die unter Kanzler Josef Klaus alleinregierende ÖVP zwei Jahre darauf die Nationalratswahlen verlor.

Mit seiner konservativen Budgetpolitik schuf der spätere Präsident der Nationalbank jedenfalls alle Voraussetzungen für die nachfolgende Ära budgetärer Großzügigkeit. Hannes Androsch, sein damaliger Nachfolger als Finanzminister, lässt sich in einer Koren-Gedenkschrift als unverdächtiger Zeuge mit dem Satz zitieren: "Seine Maßnahmen [ ] haben bewirkt, dass wir in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre inklusive Bahn, Post, Straßen-und Hochbau praktisch ein Nulldefizit hatten."

Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt und die Antworten von heute im europäischen Umfeld wieder ganz anders aussehen müssen: Wie spannend wäre doch eine Zeitreise, in deren Verlauf sich erkunden ließe, mit welchen Konzepten ein Stephan Koren heute, angesichts einer auf 78,3 Prozent angestiegenen Staatsschuldenquote, in die finanzpolitische Arena steigen würde!

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