Zwischen Aneignung und Enteignung

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Von den Schwierigkeiten, das Fremde zu fassen, handelt eine ambitionierte Schau in den Minoriten Galerien im Grazer Priesterseminar.

Den Fremden gibt es nicht, behauptet ausgerechnet der Erfinder der Xenologie, der Wissenschaft vom Fremden, Bonny Duala-M’bedy. Was als Widerspruch daherkommt, entpuppt sich als präzise Beschreibung der Schwierigkeiten, das Fremde fassen zu können. Das Verhältnis von Drinnen und Draußen, von Eigenem und Fremdem ereignet sich immer asymmetrisch, die Prozesse von Ausgrenzung und Eingrenzung erweisen sich als unumkehrbar und pendeln zwischen Aneignung, um das Fremde zu bändigen, und Enteignung als Auslieferung ans Fremde hin und her. Eine ambitionierte Ausstellung in den Minoriten Galerien im Priesterseminar in Graz spürt diesen Unmöglichkeiten mit der Frage, ob andere Bilder möglich sind, ganz konkret nach.

Kunstschaffende führen per se eine nomadische Existenz, die meisten der hier vertretenen sind dies aber auch als Weltenbürger, als freiwillige oder unfreiwillige Migranten. Danica Dakic, Düsseldorferin aus Sarajewo, lässt mehr als sechzig Münder von einer Videowand sprechen, ein Durcheinander, das dann und wann symphonischen Zusammenklang erzeugt. Der Slowake TomáÇs DÇzadoÇn, der nun in Prag lebt, reiste offensichtlich mit einem Wohnwagen an, der aus der schicken Anonymität eines Massenproduktes ausbricht, indem sein Design sich der Außenhaut traditioneller Blockhäuser aus der Slowakei angleicht. Der in Wien lebende Ungar Gyula Fodor stellt an der Staatsgrenze ein Taxi mit verschlossenen Türen auf und niemand weiß, wie der Mitreisende schließlich doch den Weg aus dieser Migrationskapsel gefunden hat.

Mit einer leichten Verschiebung krempelt der Dresdner Via Lewandowsky einen Klassiker aus dem Schwarzwald völlig um, wenn aus einer Kuckucksuhr der Gebetsruf eines Muezzins erklingt. Ganz anders hingegen die Holländerin Lidwien van de Ven, die in ihrem Video einen Einblick in die Omojaden-Moschee in Damaskus gewährt und dort von einem spielenden Kind und Staubsaugergeräuschen im Hintergrund berichtet und damit Stereotypen der Angst ad absurdum führt. Der albanische Mailänder Adrian Paci schnallt sich in seiner Performance ein Dach auf den Rücken und wandert wie ein Einsiedlerkrebs durch undefinierte Umgebungen. Wenn das Dach dabei auf dem Kopf steht, verliert sich die Grenze zwischen Innen und Außen einmal mehr im Ungewissen. Zum Thema passend ist es auch die Abschiedsausstellung für das Priesterseminar als Präsentationsort zukunftsweisender Kunst aus der Gegenwart.

Wie Du mir. Gegenbilder für transkulturelles Denken und Handeln

Minoriten Galerien im Priesterseminar

Bürgergasse 2, 8010 Graz

bis 9. 11., Di–Sa 10–18, So 11–16 Uhr

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