Zwischen erstem Papst und letztem Christen

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Der heilige Petrus wie der heilige Franziskus dürften ob des derzeitigen Papstfindungsmodus schmunzeln. Oder sich - gleich vielen Katholiken - über Überraschungen freuen.

Ein neuer Papst mit dem irritierend "neuen“ Namen Franziskus lenkt auf bemerkenswerte Weise den Blick zurück in die Kirchengeschichte: nicht nur auf Franz von Assisi, den Adolf Holl in origineller Beobachtung den "letzten Christen“ nennt, sondern auch auf Petrus, der in ähnlich origineller Weise gelegentlich "der erste Papst“ genannt wird. Beide hätten sich wohl über diese Einstufung gewundert. Vielleicht hätten sie herzlich gelacht …

Die Art und Weise, wie in der katholischen Kirche ein Papst gewählt wird, ist einerseits durch jahrhundertealte Traditionen geprägt und andrerseits durch Regeln bestimmt, die fast allem widersprechen, was man in einer aufgeklärten, auf Mitsprache, Demokratie und Selbstbestimmung bedachten Welt beachten müsste. Allein wenn man aufzählt, wer aller von diesem Aufsehen erregenden Wahlvorgang ausgeschlossen ist, kann man kaum das Schmunzeln unterdrücken: zuerst die Hälfte der 1,2 Milliarden Mitglieder, weil sie Frauen sind, sodann fast alle übrigbleibenden Mitglieder, weil sie verheiratet sind oder in einer Partnerschaft leben.

Aus dem winzigen verbleibenden Rest filtert das autoritäre System der katholischen Hierarchie soweit, dass etwa 100 hochgebildete und hochangesehene Männer übrigbleiben, die im derzeit herrschenden Kirchenbetrieb in höchste Leitungspositionen gekommen sind, allesamt im Greisenalter oder knapp davor. Da die Wahlmänner ausschließlich von bisherigen Päpsten ernannt wurden, bestimmen die Vorgänger indirekt ihre Nachfolger. Man könnte das eine spirituelle Erbmonarchie nennen. Und als aufmunternde Pointe: Es gibt doch tatsächlich Überraschungen.

Heiliger Bettler und dekorativer Bischof

Die Überraschung dieser Tage begann mit dem Namen. Obwohl er einen der bekanntesten und beliebtesten Heiligen bezeichnet, wählte bisher kein Papst diesen Namen. Franz von Assisi verkörperte geradezu das Gegenteil dessen, was man bisher an Päpsten erlebte. Der heilige Bettler Franziskus und der dekorative Bischof von Rom zeigen die große Spannweite dessen, was im Katholizismus als heilig gilt. Päpste zeigten sich bisher in erlesene Gewänder gehüllt, mit wertvollen Preziosen geschmückt, Stab und Brustkreuz, Mitra und Pallium, Fischerring - die roten Schuhe nicht zu vergessen.

Doch das war nun tatsächlich am Abend des 13. März 2013 in aller Welt televisionär zu besichtigen: Da trat ein Mann in schlichten Straßenschuhen auf die Loggia zu St. Peter, nur mit dem obligaten weißen Talar bekleidet und mit einem schlichten Metallkreuz dürftig dekoriert. Plötzlich war spürbar, was im frommen Kirchenlatein "servus servorum dei“ genannt wird: Diener der Diener Gottes. Oder biblisch geredet: Wer unter euch der Erste sein will, soll der Diener aller sein. Seither wartet die katholische Welt - und nicht nur sie - in welcher Weise der angesehenste und bekannteste Religionsführer der Erde seiner Kirche und damit auch der Menschheit dienen wird: der Papst als Kirchendiener.

Das Beispiel Johannes’ XXIII.

Um es knapp zu sagen: Die Programmatik im symbolstarken Auftritt des neuen Papstes scheint kaum erfüllbar. Sie würde nämlich den totalen Herrschaftsverzicht bedeuten. Man fragt sich: Bleiben künftig die markanten Herrschaftsins-trumente des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870 - Unfehlbarkeit und Jurisdiktionsprimat - weggesperrt in der Waffenkammer des Vatikans? Bei den kirchenrechtlich diktatorischen Vollmachten des Papstes kann man sich kaum vorstellen, wie man eine Kirche zugleich kraftvoll regiert und ihr auch demütig dient.

In der jüngeren Kirchengeschichte gibt es nur ein Beispiel, von dem ähnliches gesagt werden kann: Johannes XXIII. Er gestattete der Kirche, in einem von ihm einberufenen Konzil sich selbst zu regieren. Und er verteidigte die Wünsche der Bischöfe gegen die Pläne der römischen Kurie, die Kirchenversammlung in wenigen Wochen mit bereits vorgefertigten Dokumenten schnell durchzuziehen. Die dagegen protestierenden Bischöfe und Kardinäle wurden gehört, das Konzil tagte durch drei Jahre in vier Perioden und schaffte die erste große Kirchenreform seit Luthers Reformation. Fast möchte man sagen: Es können noch Wunder geschehen in den heiligen Mauern des Vatikan. Man wird doch noch wünschen dürfen.

Der Autor ist Akademiker- und Künstlerseelsorger der Diözese sowie Rektor der Ursulinenkirche Linz

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