Zwischen Flaute und Tropensturm Wie Klimapolitik die Welt bewegt

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Die Klimadiskussion hat nicht nur zu neuen Ideen der Stadtentwicklung geführt. Sie entscheidet auch bei US-Präsidentenwahlen mit. Daran sollten sich die Delgierten in Doha erinnern.

Der Mensch, so sagt der weise Volksmund, sei ein Gewohnheitstier - und wenn das stimmt, dann kann man daraus ableiten, dass die Medien als Zuspitzer und Informationsaufbereiter der Gesellschaft "exponentielle“ Gewohnheitstiere sind, oder wie man ja auch sagt "zum Quadrat“. Dieser Tage ist das schön zu beobachten, da periodisch und einträchtig Bilanz gezogen wird anlässlich des jährlich wiederkehrenden "Weltklimagipfels“. Einmal im Jahr also wird resumiert und kritisiert und Ausblick gehalten - und das in millionenfacher Ausfertigung. Ist es also vorwärts gegangen mit dem menschlichen Streben, den Klimawandel aufzuhalten? Im vergangenen Jahr, in den vergangenen 20 Jahren etc.?

Ernüchternde Bilanzen?

Schnell wird dem Konsumenten klar, dass gilt, was er schon zu hören gewohnt ist: "Eine ernüchternde Bilanz“ paart sich da mit der Kritik an den üblichen Verdächtigen USA, China und Indien, nicht zu vergessen die jeweilige nationale Statistik, die sich "sehen lassen kann“ (etwa Deutschlands minus 24 Prozent Treibhausgase) oder eben nicht (Österreichs plus 4,7 Prozent). Garniert wird das noch mit dem Foto jenes Eisbären, der von Scholle zu Scholle springt und die Feststellung untermalt: "Kaum Aussichten auf Einigung beim Klimagipfel“, was sich meist in Wochenfrist bewahrheitet.

Und doch ist es nicht so. Vom Klimagipfel einmal abgesehen, hat die Debatte um die Erderwärmung einen immer größer werdenden Einfluss auf Gesellschaft und Politik. So überraschen einerseits die relativ geringen Steigerung des CO2-Ausstoßes in den Vereinigten Staaten, die mit verstärkter Klimagesetzgebung in den US-Bundesstaaten zu tun hat. Andererseits wirken die steigenden Treibhausgaswerte der großen Schwellenländer schon einigermaßen ernüchternd (sie reichen von 286 Prozent für China bis zu 104 Prozent für Brasilien). Gerade am Beispiel Chinas lässt sich ablesen, dass die Position als neuer Weltmarktführer in der Produktion von Windturbinen und Solarzellen rein gar nichts mit Klimapolitik zu tun hat. In pro Kopf Werten hat China mittlerweile zur EU aufgeschlossen.

In den westlichen Staaten nimmt das Klimaargument dagegen immer breiteren politischen Raum ein. Es hat beispielsweise Stattliches zu Barack Obamas Wiederwahl als US-Präsident beigetragen. Obama, als Vertreter einer entschiedenen Klimagesetzgebung an den Republikanern gescheitert, wurde kurz vor den Wahlen durch den desaströsen Sturm vor New York bestätigt. Die Debatte hat also hohen Stellenwert, der von den US-Wahlen bis zu den Glühbirnen und den geschilderten Entwürfen nachhaltigen Wohnens in den Städten der Zukunft reicht.

Hurrikans und Klimaerwärmung

Trotzdem hat die zugehörige Klimaforschung immer noch ein Problem der Glaubwürdigkeit. Doch auch da gibt es Fortschritte. So ist es einem Forscherteam erstmals gelungen, festzustellen ob einzelne extreme Klimaphänomene wie Hurrikans im Atlantik und Hitzewellen in Afrika ihren Ursprung in der globalen Erwärmung haben oder nicht.

Die Wissenschafter beschäftigten sich dabei mit allen seit 1950 aufgezeichneten Phänomenen. Ein erwartetes Ergebnis: Die Klimaerwärmung ist Tatsache. Mit über 90-prozentiger Sicherheit sinkt die Zahl der sehr kalten Tage, während die Zahl der sehr warmen Tage ansteigt. Für lokale oder regionale Wetterphänomene gibt es weniger Gewissheit: So besteht laut Bericht nur "geringe Gewissheit“, dass Flutkatastrophen, wie etwa jene in Pakistan vor einem Jahr auf die Klimaerwärmung zurückzuführen sind. Die langanhaltenden Dürren in Ostafrika sind hingegen mit bis zu 66 Prozent Wahrscheinlichkeit keine einmaligen Ereignisse, sondern entsprechen, laut IPCC, einem lang anhaltenden Klimatrend.

Gerade die Geschichte vom Sturm "Sandy“ vor New York als Menetekel der Klimakatastrophe ist wissenschaftlich nicht haltbar. "Es gibt nur geringe Sicherheit, dass es den langfristigen Trend einer zunehmenden Tropensturmhäufigkeit gibt.“ Die Argumente werden Obama bei seinen Klimaverhandlungen mit dem Kongress trotzdem nicht ausgehen. Aufrecht bleibt die Voraussage des IPCC, dass New York und 17 andere US-Großstädte in mehr als 100 Jahren Opfer des steigenden Meeresspiegels werden könnten.

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