Zwischen Genie und Wahnsinn

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Vor zehn Jahren starb Klaus Kinski. Zwei Bücher erinnern an einen der größten deutschen Schauspieler.

Stets schwankend zwischen Genie und Wahnsinn, zog er das Publikum mit seiner expressiven und fordernden Darstellung in seinen Bann. Er schrie, er litt, er wurde eins mit seiner Rolle, so wie das Leben und die Kunst eins für ihn waren: Klaus Kinski, dessen Todestag sich am 23, November zum zehnten Mal jährt. "Er wurde geliebt oder gehasst. Und von Anfang an spielte oder war er das nicht zu zügelnde Untier, dem man sich mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu näherte", schreibt Ina Brockmann in dem von ihr zusammen mit Peter Reichelt herausgegebenen Kinski-Bildband, der heuer anlässlich des Todestages und des 75. Geburtstages erschien.

"Klaus Kinski - ich bin so wie ich bin" widmet sich nicht dem exzessiven Exzentriker - unzählige Frauengeschichten gehören ebenso zu seiner Biografie wie zertrümmerte Luxusrestaurants oder Prügeleien mit der Polizei - sondern dem Schauspieler. Einem der größten Deutschlands, wie Brockmann betont.

Die Bühne war Kinskis Leidenschaft, mit seinen Rezitationsabenden - zum Beispiel der Balladen von François Villon - löste er wahre Massenhysterien aus. Doch seine nach damaligen Maßstäben radikalen Rolleninterpretationen gepaart mit seiner Kompromisslosigleit und seinem schwierigen Charakter machten ihn zusehends zum Paria der Bühnenwelt. "Er verfuhr hemmungslos mit den bis dahin völlig unantastbaren Schätzen des Bildungsbürgertums, strich ganz Passagen und kombinierte nach Belieben", sagt Brockmann. Die Folge: niemand wollte das Enfant terrible noch engagieren. Nur ein einziges Mal stand er auf der Bühne des Wiener Burgtheaters: 1956 als Torquato Tasso. Für seine Textänderungen wurde er als "Kulturschänder" bezeichnet, vor allem aber warf er nach der Vorstellung dem Publikum Kusshändchen zu - ein damals nicht zu überbietender Frevel.

1962 war die Bühnenkarriere des am 18. Oktober 1926 in Ostpreußen geborenen Schauspielers zu Ende, doch als Filmschauspieler wirkte er bis an sein Lebensende, fast immer als dämonischer Bösewicht am Rande des Wahnsinns. Zu seinen insgesamt etwa 150 Streifen zählen cineastische Meisterwerke wie die Filme mit dem Regisseur Werner Herzog ("Nosferatu", "Woyzeck", "Fitzcarraldo"), zahlreiche Italo-Western ("Für ein paar Dollar mehr") und absoluter Trash. Ein besonderes Kapitel in der Karriere des Filmschauspielers Kinski ist seine Mitwirkung an zahlreichen deutschen Edgar Wallace-Verfilmungen, denen Joachim Kramp in dem Buch "Hallo! Hier spricht Edgar Wallace! - Eine Geschichte der legendären deutschen Kriminalfilmserie 1959 bis 1972" ein Denkmal errichtet hat.

Alle 40 offiziellen Edgar-Wallace-Filme werden auf 300 Seiten, mit 600 Fotos dokumentiert, kommentiert und - etwa im Fall von "Das indische Tuch" durchaus anfechtbar - bewertet. Ausführlichen Zusammenfassungen - ohne die Schlusspointe zu verraten! - folgen die Entstehungsgeschichten der einzelnen Filme; Einblicke in eine Zeit, als es in Deutschland eine florierende auf ein Massenpublikum abzielende Filmwirtschaft gab.

Unvergessen bleiben Wallace-Film-Fans Darsteller wie Elisabeth Flickenschildt, die eiskalte Dame beziehungsweise "Dame", oder Siegfried Schürenberg, der vertrottelte Scotland Yard-Chef Sir John. Unübertroffen bleibt jedoch Klaus Kinski, dessen zwischen Empfindsamkeit und Geisteskrankheit changierende Figuren nur zwei Mal das Ende des Films erlebten. In "Die Blaue Hand" (1967) biss nur einer der beiden von ihm dargestellten Zwillingsbrüder ins Gras, allein den Streifen "Das Gesicht im Dunkeln" (1969) überlebte die von Kinski verkörperte Figur. "Das Gesicht im Dunkeln", "einerseits beinahe Meisterwerk, und andererseits stümperhaftes Machwerk" (Kramp), bedeutete Kinskis erste Edgar-Wallace-Hauptrolle, war allerdings sein letzter Wallace-Film.

In jener Zeit soll Kinski als Filmschauspieler sehr diszipliniert und hochprofessionell gewesen sein, bestätigt Kramp. Später änderte sich dies wieder. Vor zwei Jahren legte Werner Herzog ein sehr persönliches Filmporträt des Schauspielers vor, mit dem vielsagenden Titel: "Mein liebster Feind".

KLAUS KINSKI - Ich bin so wie ich bin

Von Peter Reichelt und Ina Brockmann

dtv, München 2001

288 Seiten, 350 Bilder, öS 358,-/e 25,70

HALLO! HIER SPRICHT EDGAR WALLACE!, zweite, überarbeitete Auflage

Von Joachim Kramp

Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag, Berlin 2001

308 Seiten, 616 Bilder, öS 364,-/e 25,90

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