Zwischen Kollaboration und Widerstand

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Der britische Regieveteran Mike Newell bringt in "Deine Juliet" Mary Ann Shaffers Briefroman "The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society" filmisch gekonnt auf die Leinwand.

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Der britische Regieveteran Mike Newell bringt in "Deine Juliet" Mary Ann Shaffers Briefroman "The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society" filmisch gekonnt auf die Leinwand.

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Von den britischen Kanalinseln nahm die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren meist nur Notiz, wenn es um Steuervermeidung und den Kampf dagegen ging. Eine davon, Guernsey, ist für die so bedachte wie romantisch verwickelte Komödie "Deine Juliet" allerdings etwas ganz anderes: ein Ort der Sinnsuche und Überwindung des Traumas Zweiter Weltkrieg.

Die Normalität, die sich im London des Jahres 1946 langsam wieder einstellt, behagt der jungen Bestsellerautorin Juliet Ashton (Lily James) nicht. Draußen werden die Häuser frisch gestrichen, drinnen spukt bei ihr noch der Horror des Bombenkraters, wo einmal ihre Wohnung war. Ganz glücklich machen sie weder der amerikanische Verehrer mit seinen gemeißelten Gesichtszügen noch die durchtanzten Nächte noch der Erfolg, den sie mit einem Werk unter Pseudonym hatte, das keine Herzensangelegenheit war. Feuer und Flamme ist sie aber, als sie der Brief eines Fremden erreicht: Der "Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society" habe ein unbekanntes Buch, in dem ihre Adresse stand, so viel bedeutet wie ihr, und man sei damit über ein paar schwere Stunden gekommen.

Nach einiger Korrespondenz hin und her verschiebt sie ihre Lesetour, nimmt gerade noch den Antrag ihres Amerikaners am Kai an und schifft sich ein nach Guernsey, vorerst in der Hoffnung, einen Artikel über den Verein zu schreiben. Eigentlich sind ihr die Leute aber schon jetzt ans Herz gewachsen. Und es könnte ihnen weh tun, wenn sie tiefer nach deren Geschichte und dem Geheimnis um den Verbleib der von den Deutschen verschleppten Elizabeth bohren würde.

Deutsch besetzte britische Inseln

Die historische Besonderheit, dass Guernsey und die anderen Kanalinseln von Juni 1940 bis zur Kapitulation im Mai 1945 als einzige britische Territorien unter deutscher Besatzung standen, ist der Hebel, um zu einer selteneren Sicht auf bekannte Themen anzusetzen. Die Frage von Kohabitation, Kollaboration und Widerstand verbindet sich in dieser leicht kriminalistisch angehauchten Erzählung mit jener von Gemeinschaft und Überlebensgemeinschaft in der Not.

Wobei "Deine Juliet" wohl eine insgesamt reflektiertere Menschensicht vertritt als die Zeit, in der der Film spielt, nicht nur beim differenzierten Bild von den deutschen Besatzern -der Volksmund nannte damals Frauen, die sich mit ihnen einließen, "Jerry-bags".

Vorsichtig verklausuliert und immer auf individueller Ebene gehalten, versucht der Film einen vom Menschen, nicht vom Stereotyp ausgehenden Blick auf die Welt, auch wenn es zu viel Wohlwollen erfordern würde, ihn zum Beispiel vom Frauenbild her als modern zu bezeichnen. Eher schaffen der britische Regieveteran Mike Newell ("Mona Lisas Lächeln") und seine Drehbuchautoren ein charmantes, im formelleren Umgangston der Zeit gehaltenes Unterhaltungsstück, das auf seine Weise mit Rückblenden und dem Klinkenputzen für neue Informationen seine Vorlage, den gleichnamigen Briefroman von Mary Ann Shaffer, umsetzt.

Es sind daran weniger die breiten Striche, die doch unverhohlen nach Publikumstauglichkeit spähen, als Kolorit und Details, die es von der Masse abheben: Seitenhiebe etwa auf das kleinliche Verhalten brüskierter Verehrer, oder die von Katherine Parkinson empathisch gespielte Junggesellin Isola, die eben nicht zur spleenigen Kräuterhexe gestempelt wird. All das und seine im Moment hoch im Kurs stehende Hauptdarstellerin Lily James versteht Mike Newell in Watte zu packen und einen Film zu machen, der möglichst niemanden vor den Kopf stößt, sondern höchst freundlich unterhält.

Dass die Welt, wie sie ist, damit am Ende nur bedingt verhandelt werden kann, steht auf einem anderen Blatt.

Deine Juliet (The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society) GB/USA 2018. Regie: Mike Newell. Mit Lily James, Michiel Huisman. Constantin. 124 Min.

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