Zwischen Kunst und Kasse

Werbung
Werbung
Werbung

Die Uraufführung von Peter Turrinis "Mein Nestroy" in der Josefstadt.

Eine Theaterkonditorei mit Faschingskrapfen und Ballett-Tütüs beschwört Josefstadt Neo-Hausherr Herbert Föttinger mit seiner Eröffnungspremiere von "Mein Nestroy". Die Worte "Das Theater in der Josefstadt ist zurzeit das geilste Theater in Wien" legt Autor Peter Turrini seinem Nestroy in den Mund. Na ja. "Na ja": Das ist auch die Haltung von Turrinis Nestroy, wenn ihn seine Lebensgefährtin Marie Weiler mit all seinen Gspusis konfrontiert. Eine davon ist Nestroys Ex-Frau Wilhelmine Nespiesny (Katharina Pichler), bei ihm "eine Strichkatzmamsell", die sich tief dekolltiert hinter den Kulissen als "Spätheimkehrerin ins Eheleben" profiliert.

Zotig ist es, dieses Auftragswerk, ganz im Nestroy'schen Sinn, der in seinen Extempores am Carltheater all das unterbrachte, was die Theaterzensur bei der Lektüre gewiss nicht hätte durchgehen lassen. Föttinger inszeniert ein Theater der Derbheiten, er lässt halbnackte Tiroler Ringerinnen, Männer im Ballettröckchen und Jodlerinnen auftreten. Eine davon ist jene Marie Weiler, mehr als dreißig Jahre Nestroys Lebensmensch. Doch jene Form der Kuriositätenschauen und Spezialitäten gab es tatsächlich dort nicht, in jenem beliebten Vorstadttheater des Carl Carl (Andreas Wimberger).

Rund um die Beziehung Nestroy-Weiler ist Turrini eine dynamische Tragikomödie gelungen, ein Stück, das hinter die Kulissen, in die Gassen, Hinterbühnen, Logen und Schnürböden schaut. Die Spiegelkabinette von Rolf Langenfass leuchten jeden Winkel aus, bis hin zur Selbstbeobachtung des Publikums.

Der Nestroy des Karl Markovics ist ein Zerrissener und Zwangsneurotiker, ein verzweifelter Schauspieler-Dichter, der vergeblich seinen Weg in den Olymp der Bühnen sucht. Das ist auch die stärkste Szene, wenn Wolf-Dietrich Sprenger als Theaterdiener Augustinus Fitl vor dem schwarzen Tor des Burgtheaters Nestroys Einlass verhindert. Er zeichnet das traurige Bild des Nationaltheaterbeamten, der an den Wochenenden heimlich ins Carltheater lachen geht.

Sandra Cervik spielt die Weiler als gestrenge Geld-und Menschenverwalterin, die ihren Nestroy rund die Entstehung des 1833 uraufgeführten "Lumpazivagabundus" diszipliniert. Mit mütterlicher Pragmatik kommandiert sie ihn herum ("Trink lieber einen Hustentee"), richtet ihren schwarzen Turban zurecht, den sie erst, nachdem sie ihren Nestroy ins Grab gebracht hat, ablegt und schmiert die doppelköpfige Theaterzensur (Josef Bilous und Peter Scholz als siamesische Theaterpolizei) mit Faschingskrapfen.

Zwischen Kunstanspruch und Kassendruck startet Föttinger mit einem Konsensstück.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung