Zwischen unwirklich und wirklich

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Im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten werden unter dem programmatischen Titel "Irrealigious!“ künstlerische Positionen an der Schnittstelle von Innen- und Außensicht auf das Phänomen Religion gezeigt: keine abgesicherte Nabelschau.

"Im Anfang war das Bild.“ Auf diese Weise paraphrasierte Österreichs streitbarer Bildhauer Alfred Hrdklicka die Einleitung zum Johannesevangelium. "Und das Bild war bei Gott, und das Bild war Gott“, ginge es im Text dann weiter. Natürlich steht dem das so genannte Bilderverbot entgegen und außerdem stammt diese Umschreibung nicht aus dem inneren Kreis des Christentums, sondern von außerhalb. Andererseits hat zumindest der Katholizismus eine lange Geschichte einer äußerst erfolgreichen Eingemeindung des Bildes in die eigenen Belange hinter sich. Und ob bei einem Blick von außen die Unbefangenheit den Nachteil der ungenauen Kenntnis von Einzelheiten aufwiegt oder ob dann nicht doch über etwas gesprochen wird, von dem man kaum etwas versteht, lässt sich nicht generell entscheiden. Genauso fraglich bleibt aber auch, ob bei einem Blick von innen die Detailkenntnis immer gleich zu einem überzeugenden Ergebnis führt, oder ob nicht die Betriebsblindheit genauso ihren Tribut einfordert.

Trotziges Beharren

Das Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz ist seit langen Jahren ein Garant dafür, dass künstlerische Präsentationen genau die Schnittpunkte zwischen dem Blick von außen und dem Blick von innen thematisieren und damit einen unvergleichlich größeren Mehrwert erzielen als dies bei einer frömmlerisch abgesicherten Nabelschau der Fall wäre. Derzeit geschieht dies unter dem programmatischen Titel IRREALIGIOUS! - wobei weder das A in der Mitte des Wortes noch das Rufzeichen am Ende aus Tippfehlern entstanden ist. Ganz im Gegenteil, der auffordernde Hinweis spielt auf die Herausforderung an, mit der die künstlerischen Blicke von außen die Menschen innerhalb der unterschiedlichen Religionen konfrontieren und aus der biedermeierlichen Kuscheleckenspiritualität aufscheuchen (wollen). Und das eingeschmuggelte A kippt mit dem dadurch entstehenden Sprachspielwort eine bloße Ablehnung alles Religiösen in die dialektische Spannung von "unwirklich-wirklich“, die das Verhältnis zwischen religiösen und weltlichen Glaubenssystemen genauso bestimmt wie zwischen Religion und Kunst. "Im Ineinander, Gegenüber und im Spannungsfeld der Parallelsysteme Religion und Kunst ist ein Blick zu heben, der die Destruktionen nachmodernen Denkens noch erinnert. Das ist durchaus ein trotziges Beharren auf alten Gräben in scheinbar viel leichter gewordener Rede - denn Leichen im Keller rächen sich“, schreibt Johannes Rauchenberger, der Leiter des Kulturzentrums, im Ausstellungskatalog. Die Resultate dieses Ansatzes entpuppen sich dann weder als gnadenlos noch als blasphemisch, sondern schlicht als mit bestechender Aufrichtigkeit errungene Analyseergebnisse.

Dann regt eben im Projekt von Marianne Maderna eine Bildfolge, in der der Paradiesapfel sich über die Zwischenstation eines Heiligenscheins zu einer Tiara entwickelt, und der Text des dazugehörigen Liedes mit dem Vers "I am Pope! I am hu-man, wo-man!“ zum Nachdenken an. Zenita Komad erinnert mit ihrer Installation mit dem Appell "Verzeih mir“ und den Ergänzungen mit "Ich“ und "allen Anderen“ an die Schnittfläche von Kunst und Religion in Form von Heilung, Poesie und Gebet. Fundamentalistische Fernsehprediger werden als Fratze der Religion vorgeführt, Danica Daki´c lässt Hände unterschiedlicher Hautfarbe über den heiligen Büchern der Weltreligionen in segnender Pose schweben, und Anna und Bernhard Blume loten die traditionelle Bildfolge des Kreuzweges in rein formaler Hinsicht aus und fragen in einer zweiten Serie: "Leiden Märtyrer um recht zu haben?“

Unterbrechungen zum Innehalten

Wilfried Gerstel durchschoss Metallplatten, um auf diese Weise das "Vater Unser“ und die "erste Sure des Korans“ aufzuschreiben. Das Duo 0512 macht in einem Sonogramm das Wort "Allah“ sichtbar, während Peter Ablinger den Rosenkranz mit Autoklavieren zu Gehör bringt. Andere Positionen überdrehen Zerrbilder der Religion aus der Alltagskultur ins Wahnwitzige oder bauen Unterbrechungen zum Innehalten ein. Die allenthalben beschworene Wiederkehr der Religion(en) bekommt so einen angemessenen, entzerrenden Spiegel vorgehalten. Über allen wirklichen Landschaften aber, unwirklich im Bild anwesend, schwebt beruhigend die weiße Engelsgestalt. Allerdings ohne Kopf - dieser befindet sich wohl außerhalb des uns zugänglichen Bilderrahmens.

Irrealigious! Parallelwelt Religion in der Kunst

Kulturzentrum bei den Minoriten

Mariahilferplatz 3/I, 8020 Graz

bis 15. 1., Di-Fr 10-17, Sa u. So 11-17 Uhr

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