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Die Heilungschancen

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dieFurche: Wie wirken sich Panikanfälle auf die Betroffenen aus?

Peter Berger: Die Panikstörung ist ein Krankheitsbild. Im Vordergrund steht eine plötzliche Angstattacke, die auch mit körperlichen Symptomen einhergeht wie Herzklopfen, Beklemmungsgefühl und Schwindel. Die Betroffenen haben das Gefühl, daß sie zusammenbrechen und sterben müssen. Sie gehen dann meist zuerst zu einem praktischen Arzt oder in die Notfallaufnahme eines Krankenhauses. Wenn die Attacken dann häufiger auftreten und die Betroffenen zunehmend verunsichert sind, beginnen sie, Situationen und Orte zu meiden, wo Attacken auftreten und ein schnelles Wegkommen nicht möglich ist.

Es entwickelt sich ein regelrechtes Vermeidungsverhalten, eine sogenannte Agoraphobie. Das kann soweit gehen, daß sich diese Menschen nicht mehr alleine aus dem Haus trauen. Sie können nicht mehr mit den öffentlichen Verkehrsmittel fahren, in einer Schlange stehen. Sie meiden beispielsweise das Gedränge in einem Einkauszentrum.

dieFurche: Welche Hilfe können diese Menschen von Ihnen erwarten? berger: Wir untersuchen sie und stellen fest, ob es sich um eine Panikstörung handelt. Es geht eigentlich zuerst einmal darum, den Patienten aufzuklären. Oft ist es so, daß Menschen schon jahrelang daran leiden. Erst danach können wir eine Behandlungsmethoden empfehlen.

Man hat in den letzten Jahren herausgefunden, daß bestimmte Medikamente hilfreich sind. Und zwar sind das nicht Beruhigungsmittel, wie man früher gemeint hat, sondern Mittel aus der Gruppe der Antidepressiva. Der Patient muß diese Medikamente einige Wochen lang nehmen, da die Wirkung nicht sofort eintritt. Sinnvoll ist es, sie über mehrere Monate hinweg zu verwenden.

Das setzt natürlich eine gewisse Häufigkeit und Schwere der Störung voraus. Auch Formen der Psychotherapie haben sich bewährt, vor allem die kognitive Therapie. Dabei geht man auf den Kreislauf der Angst ein. Beispielsweise, wenn jemand Herzklopfen spürt, kann er sich in seiner Angst denken, daß er einen Herzinfarkt bekommt. Das verursacht wiederum Angst. Die Angst selber macht auch Symptome, etwa Herzklopfen. Das ist ein Teufelskreis, der sich immer mehr steigert, bis zur panischen Angst. Mit der kognitiven Therapie geht man auf diesen Kreislauf ein, Bei Vermeidungsverhalten sucht der Therapeut mit dem Patienten jene Situationen auf, die er vorher gemieden' hat. So gewöhnt er sich daran und baut allmählich die Angst davor ab.

dieFurche: Gibt es Heilungschancen?

Berger: Früher hat man alle Ängste in einem Topf geworfen. Heute betrachtet man sie isoliert und kann dadurch gezielter behandeln. Die Rr-folgsrate liegt bei 80 Prozent. Bei den restlichen Patienten ist es schwieriger. Da sind die Probleme meist sehr kom -plex. Es sind oft andere Störungen, etwa Depressionen, mit im Spiel.

dieFurche: Wie können Angehörige von Panik-Patienten helfen? BERGER: Die Angehörigen sollten verstehen, daß die Panikstörung eine Krankheit ist, die eben auch sehr viele Menschen betrifft. Oft fühlen sich die Angehörigen aber sehr belastet, weil sie den Patienten begleiten müssen, sich von,der Arbeit frei nehmen müssen und ähnliches.

Das Gespräch führte

Monika Kunit.

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