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Kinder mit zu vielen Müttern und Katern

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Von den vielen (Adoptiv-)Eltern nicht bewußten Problemen und Ängsten von Adoptivkindern ist hier die Rede.

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Von den vielen (Adoptiv-)Eltern nicht bewußten Problemen und Ängsten von Adoptivkindern ist hier die Rede.

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Sieben Adoptivkinder erzählen von den Schwierigkeiten ihrer Identitätsfindung, die nicht selten dadurch erschwert wird, daß die Eltern, die sie aufgezogen haben, nicht gerne über die Adoption sprechen und die Kontaktaufnahme zu den leiblichen Eltern nicht nur nicht wünschen, sondern häufig zu verhindern suchen. Bang stellen sich die adoptierten Kinder immer wieder die Frage, ob sie von ihren aufziehenden und für sie sorgenden Eltern wirklich geliebt werden und ob sie überhaupt nach ihrer Herkunft forschen dürfen, ohne die Ersatzeltem zu kränken.

Wie groß der Leidensdruck ist, belegt am deutlichsten nachvollziehbar der Fall von Katharina Frei, die während ihrer Intematszeit innerhalb von fünf Jahren insgesamt 1.763 Briefe schrieb, die sie jedoch der Lehrerin ihres Vertrauens zur Aufbewahrung gab.

Dieses Buch sollte nicht nur Pflichtlektüre für alle Adoptionswilligen sein, damit sie von den Ängsten, Bedürfnissen, Sehnsüchten und Wünschen der ihnen anvertrauten Kinder mehr wissen, sondern auch für jene, die sich nicht vorstellen können, daß Kinder unbedacht ausgesprochene Sätze der Erwachsenen häufig ganz anders verstehen, als sie gemeint sind. Denn auch davon spricht das Buch: Ein aus Korea adoptiertes Kind wird von vielen Fremden als herzig empfunden, die das dadurch ausdrücken, daß sie sagen: „Dieses Kind würde ich am liebsten stehlen.“ Sofort löst dieser Satz massive Verlustängste aus.

Einer der Adoptierten formuliert: „Adoptierte Menschen vereinen drei Wesensbestandteile in sich: ihr eigenes Selbst, die Wesenszüge ihrer leiblichen Eltern und ihrer Adoptiveltern, Wesenszüge, die naturgemäß zusätzliche Probleme mit sich bringen. Gleichzeitig haben sie aber auch eine ungeheure Chance, diese drei Gegebenheiten in einer neuen Form zu vereinen und daraus Neues entstehen zu lassen. Das erachte ich als Sinn und Aufgabe von uns adoptierten Menschen.“

ADOPTIERT. Lebensgeschichten auf der Suche nach dem Anfang.

Hrsg, von Roland Schürer.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1994.

169 Seiten, öS 99,-.

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