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Lady Diana, eine wie wir

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Harald Mathe, Organisationspsychologe und Vizepräsident des Berufsverbandes österreichischer Psychologen über ein Phänomen:

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Harald Mathe, Organisationspsychologe und Vizepräsident des Berufsverbandes österreichischer Psychologen über ein Phänomen:

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DIEFURCHE: Milliarden Menschen haben via TV am Begräbnis der britischen Prinzessin teilgenommen. Ist dieses Ausmaß an Anteilnahme überhaupt noch rational zu erklären? Harald Mathe: Sie war jemand, der die Öffentlichkeit an ihren Gefühlen und persönlichen Problemen hat teilnehmen lassen. Dadurch hat es sehr starke Projektions- und Identifikationsmöglichkeiten gegeben. Vieles, was sie erlebt und durchgemacht hat, kennen unendlich viele Menschen aus eigener Erfahrung.

DIEFURCHE: Kritiker sagen, ihre zahlreichen sozialen Engagements seien doch bloß Fototermine gewesen. Kann ein Mensch sich so verstellen? mathe: Viele Prominente zeigen soziales Engagement oder behaupten das. Sie hat allerdings sehr authentisch gewirkt, das heißt, in ihrem körpersprachlichen Verhalten hat sie glaubwürdig dieses Engagement verkörpert. Allein dadurch hat sie sich schon von so vielen abgehoben. Viele' Menschen sind es aber nicht gewohnt, daß solch ein Verhalten „von oben” kommt, noch dazu von so weit oben. Sie müßte schon eine sehr gute Schauspielerin gewesen sein, um glaubhaft darzustellen, daß ihr an diesen Kranken, Hilflosen, Schwachen, Kindern wirklich etwas gelegen ist.

DIEFURCHE: Es geht bei dieser Begeisterung nicht bloß um die Huldigung einer „schönen, mildtätigen, hohen Frau”, einer Art weltlichen Mutter Teresa?

Mathe: Man hat ihr geglaubt, was sie tat und sagte. Besonders glaubwürdig wurde es empfunden, daß sie lieben konnte. Sowohl ihre Kinder als auch andere. Auch das hat ebenfalls Identifikationsmöglichkeit geboten.

DIEFURCHE: Kann man sich solche „wahren Gefiihle ” nicht antrainieren? M ati ie: Langfristig verstellen? Das geht sehr schwer! So etwas über so viele lahre durchzuhalten, ist kaum vorstellbar.

DIEFURCHE: War die sichtbare Ohnmacht gegenüber mächtigen Strukturen auch etwas, was sie mit vielen Menschen gemeinsam erlebte? Mathe: Das kommt dazu. Viele Menschen verspüren so etwas oder ähnliches. Wenn dann jemand erfolgreich dagegen ankämpft, dann bietet er natürlich ganz besondere Identifikationsmöglichkeiten. Es geht hier aber auch um eine Art Ventilfunktion. Es lebt ja der Großteil der Menschen in dem Gefühl, sehr mächtigen, undurchschaubaren Strukturen ausgeliefert zu sein, von denen sie manipuliert und beeinflußt werden. Man konnte durch Lad}'Diana sicher auch ein Stück des eigenen Frustes, der eigenen Belastung loswerden.

DIEFURCHE: Spielt die Frage nach dem Sinn des Lebens da auch hinein? mathe: Viele Menschen erleben die Welt zunehmend durch rationale Zwänge geprägt. Auch im Management wird zunehmend die Sinnfrage gestellt. Etwas, was in dieser Deutlichkeit relativ neu ist und an Bedeutung zunehmen wird. Was tue ich, ohne daß sich das beispielsweise in Geld ausdrücken muß? Natürlich übt dann jemand, der sich bewußt anderen Menschen zuwendet, eine ganz besondere Faszination aus.

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