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…nicht gegen die Mütter, sondern für die Kinder

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Die Aussage von Frau Christine Vranitzky über die Kinderbetreuung berufstätiger Mütter hat mehr Wellen geschlagen als erwartet. Viel weniger Beachtung fand der Kommentar ihres Gatten, sie habe „nicht gegen die Mütter, sondern für die Kinder gesprochen“. Ein solch kinderfreundlicher Satz sollte diesen heißen Sommer überleben.

Ein Kleinkinderalltag ständig außer Haus, sodaß Kinder daheim nur mehr gebadet werden und schlafen, raubt diesen das „Nest“, in dem sie sich geschützt entfalten können. Ständig wechselnde Bezugspersonen können Eltern nie ganz ersetzen. Ein Schüleralltag, an dem acht und mehr Stunden verplant sind, verhindert, daß junge Menschen frei und kreativ ihr Leben gestalten lernen.

Liegt aber nicht dann die ganze Last, die „Schuld“, doch wieder bei den Eltern, meist bei den Müttern, die so oft „Alleinerzieher“ sind?

Nein, die wirkliche Schuld liegt bei der Gesellschaft und ihren falschen Strukturen. Rita Süßmuth, früher Familienministerin, heute Bundestagspräsidentin Deutschlands, sagte kürzlich: „Wenn wir nicht lernen, die Gesellschaft von den Familien und insbesonders von den Kindern her neu zu organisie ren, werden wir aus vielen Sackgassen nicht herauskommen.“

Neu zu organisieren wären die Arbeitsmöglichkeiten für Mütter, bis hin zu qualifizierter Teilzeitbeschäftigung. Entlohnung insgesamt müßte familiengerechter werden. Häusliche und erzieherische Arbeit der Frau soll endlich in ihrem Wert für die Allgemeinheit anerkannt werden. Sie leistet einen Beitrag zur sozialen Gesinnung im Volk, der nicht weniger wertvoll ist, als der Beitrag zum Sozialprodukt.

Väter, die mehr Zeit, sogar Vorteile ihres Berufes ihren Kindern opfern, sollten nicht länger als Sonderlinge gelten.

Erwin Ringel hat die Hauptquelle sozialer Fehlhaltungen in der Gesellschaft im Defizit an Liebe Kindern gegenüber, besonders in der Familie, gesehen. Bundeskanzler Vranitzky hat Ringel an seiner Bahre für mahnende Worte gedankt und davon gesprochen, daß er gemeinsam mit ihm in der Zukunft noch manches hätte tun wollen. Eine deutliche politische Initiative „mehr für die Kinder“ wäre gleichsam eine Erfüllung dieses Vorsatzes.

Familienpolitik ist dann kindgerecht, wenn Mütter (und Väter) ihre Aufgaben nicht mehr delegieren müssen, sondern selbst erfüllen können.

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