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Wider die sprachlose Medizin

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Das Vertrauen zum behandelnden Arzt ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Doch immer öfter gerät der Glaube an die „Götter in Weiß” ins Wanken. Warum?

Die Teilnehmer des Pharmig-Ge-sundheitsdialogs zum Thema „Sprachlos - Verarmt die Medizin an der Kommunikation?” diskutierten eine der Hauptursachen für dieses „gestörte” Vertrauensverhältnis: Das Arzt-Patienten-Gespräch.

Alle waren sich einig: Arzt und Patient reden aneinander vorbei. Sie können sich nicht verständlich machen. Während für den Patienten der Wunsch nach Nähe und Angenom-mensein als Mensch, mit all seinen Ängsten und Fragen im Mittelpunkt steht, ist dem Arzt der Befund und die Durchsetzung seiner Verordnung wichtig.

„Ärzte lassen nicht erzählen, sie stellen Fragen, sie benützen zu viele Fachausdrücke, sie unterbrechen die Patienten” sind oft geäußerte Kritikpunkte am ärztlichen Gespräch. Dahinter Gefühllosigkeit, mangelnde Anteilnahme oder Desinteresse zu vermuten wäre jedoch falsch (siehe dazu auch FURCHE Nr. 41 /Seite 4).

Für Johanna Lalouschek vom Institut für Sprachwissenschaften der Universität Wien, liegt die wichtigste Ursache für den „sukzessiven Erwerb der Sprachlosigkeit” in der Ausbildung der Ärzte: Nicht der Mensch stehe im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, kritisierte Lalouschek, sondern die erkrankten Organe. Daher gehe es im Studium vorrangig um die Aneignung von Expertenwissen und Fachwortschatz.

Das ärztliche Gespräch werde hingegen nicht gelehrt. Wen wundert es daher, daß sich die Arzt-Patient-Kommunikation in einem Bahmen bewegt, „der mit ärztlichen Tätigkeiten wie Diagnose und Therapie gefüllt ist”?

Ein Umstand, der für beide Teile gleichermaßen unbefriedigend ist. Der Patient fühlt sich mit seinen Problemen alleingelassen.

Der Arzt wiederum nimmt sich die Möglichkeit, aus den Erzählungen des Patienten die Diagnose herauszufiltern und daraus dann eine „maßgeschneiderte” Therapie abzuleiten.

Um dieser gelernten Sprachlosigkeit entgegenzuwirken, muß beim Studium von Beginn an eine begleitende Gesprächsschulung Teil der medizinischen Ausbildung werden”, forderte die Sprachwissenschaftlerin Lalouschek abschließend.

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