Sein Vortrag trug den Titel „Was bedeutet ethisches Benehmen?“ und der bekannte Redner ging auch gleich mitten in die Praxis. Und wie könnte es bei Carl Djerassi anders sein: Der österreichisch-amerikanische Chemiker von der Stanford University, auch als „Vater“ des hormonellen Verhütungsmittels in Pillenform bekannt, versuchte anhand der Reproduktionsmedizin ethische Fragen der Wissenschaft aufzuzeigen. Djerassi war Gastredner bei der Auftaktveranstaltung der neu konstituierten Bioethikkommission am Dienstag in Wien.
Anhand von Auszügen aus seinen Theaterstücken machte Djerassi sämtliche Dilemmata deutlich, die sich ergeben, wenn etwa wie bei der sogenannten „Icsi“-Technik eine Eizelle von einer ausgewählten Samenzelle befruchtet wird. Ursprünglich als Maßnahme gegen die Unfruchtbarkeit des Mannes entwickelt, würden doch die ethischen Aspekte dieser Technik vor allem die Frauen betreffen, so Djerassi. Als Beispiele nennt er die Auswahl des Geschlechts.
Er stellte auch die brisante Frage, ob die neuen Technologien in die Gesellschaft hineinwirkten oder die Gesellschaft diese Technologie einfordern würde.
Fragen, die keine leichten Antworten zulassen und in all ihren Facetten Gegenstand jenes Gremiums sind und waren, das am Dienstag offiziell in einer fünften Amtsperiode seine Tätigkeit aufgenommen hat: die Bioethikkommission. Sie soll den Bundeskanzler in ethischen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen beraten, die sich im Bereich Humanmedizin und Humanbiologie stellen.
Als Vorsitzende wurde die Juristin Christiane Druml bestätigt. Ihre Stellvertreter sind Markus Hengstschläger, Genetiker von der Medizinischen Universität Wien, sowie der Philosoph Peter Kampits von der Uni Wien.
Wie auch Carl Djerassi betont die Vorsitzende der Bioethikkommission, Christiane Druml, wie wichtig die Genderfrage sei. Sehr viele Themen der Bioethik würden mit dem Körper der Frau zu tun haben, sagte sie im Gespräch mit der FURCHE (siehe das Interview rechts). Die Behandlung dieser Aspekte dürfte nun noch stärker eingefordert werden, sind doch nun statt zehn zwölf Frauen in der Kommission.
Sie bekräftigt im FURCHE-Interview ihre Forderung nach einem eigenen Forschungsgesetz.
Der im März veröffentlichten Empfehlung zur Stammzellenforschung sind bisher noch keine weiteren für die Öffentlichkeit konkreten Schritte gefolgt, wie etwa ein gesetzlicher Rahmen. Druml deutet Unzufriedenheit an, indem sie sagt, dass einerseits das Mandat zu Ende sei, wenn eine Empfehlung veröffentlicht wurde, dass aber andererseits auch die ehrenamtlichen Mitglieder viel Zeit und Mühe hineinstecken würden und auch Auswirkungen ihrer Arbeit sehen wollten. Bisher hat nur ein Papier der Kommission Eingang in ein Gesetz oder eine Verordnung gefunden: die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für Embryonen, die bei der künstlichen Befruchtung außerhalb des Mutterleibs anfallen.
Im Frühjahr hatte die Kommission eine umstrittene Empfehlung für die Stammzellenforschung veröffentlicht, die aber von fünf Mitgliedern nicht geteilt wurde.