"Bevor der Hund hungert, hungere ich"

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Nicht ganz allein. "Die meisten Obdachlosen würden eher auf der Straße bleiben, als ohne ihr Tier in eine Unterkunft zu ziehen", weiß Elisabeth Kury vom Verein "Tiere als Therapie".

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Nicht ganz allein. "Die meisten Obdachlosen würden eher auf der Straße bleiben, als ohne ihr Tier in eine Unterkunft zu ziehen", weiß Elisabeth Kury vom Verein "Tiere als Therapie".

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Hunde bellen, Stimmen sind zu hören. Ein Kleinbus parkt unter der Schnellbahnüberführung am Bahnhof Praterstern, gleich neben dem Lieferanteneingang eines Supermarktes. Ein Zug donnert gerade oberhalb durch, doch das beeindruckt Michael Ruttner kaum. Er kennt die Umgebung, und auch an den Lärm hat er sich bereits gewöhnt. Gemeinsam mit seiner Frau Renate und der Tierfreundin Erika baut er einen Klapptisch vor dem Kleinbus auf, öffnet die Heckklappe des Wagens und lädt Kartons aus. Der Sozialmarkt für obdachlose Tierhalter öffnet wieder seine Pforten.

Seine Klienten lassen nicht lange auf sich warten: Spitzmischling Gina etwa ist neun Jahre alt. Ihre Augen sehen sich um, ihre Nase schnuppert neugierig. Nicht nur sie, auch ihr Besitzer kennt hier bereits alle: Michael und sein Team, andere Hunde und deren Besitzer. "Ich schaue mich heute mal um. Vielleicht ist wieder etwas Passendes für uns dabei", erzählt der Mann. Geduldig wartet er mit Gina beim Klapptisch, bis sie an der Reihe sind. "Sie ist meine Begleiterin", betont er. Anfang des Jahres wurde er von seiner Firma als Mitarbeiter im Vertrieb gekündigt. Heute muss er mit der Sozialhilfe seine Lebenskosten bestreiten: Miete, Strom und Gas zahlen, Lebensmittel kaufen. Für Gina bleibt kaum etwas übrig. Hier aber findet er immer etwas, das er für seine "Lebensgefährtin" braucht.

Die Vierbeiner sind los

Seit Jänner dieses Jahres organisiert Michael Ruttner beim Bahnhof Praterstern ein Projekt für obdachlose und mittellose Tierhalter. Hier verteilt er einmal im Monat Katzen-oder Hundefutter an Bedürftige und Obdachlose. Auch Leinen, Beißkörbe oder Spielzeug warten hier auf die Vierbeiner. Ruttner klettert immer wieder in den Transporter, holt Nachschub an Tierfutter, sortiert nach. Tatsächlich reißt der Strom an Tierbesitzern und Vierbeinern auch heute nicht ab. Alle, die kommen, stellen sich beim Klapptisch an. Michaels Frau Renate erfasst in ihrem Ringordner jeden. Der Ordner ist mittlerweile dick: Über 200 Hilfsbedürftige sind darin erfasst. Renate legt sie unter dem Namen der Tiere ab -vermerkt ihr Alter und die Rasse. "Ich brauche Futter für Heide und Athos", sagt ein Klient zu ihr. Seite um Seite arbeitet sich Renate durch den Ordner, bis sie die entsprechende Karteikarte des Besitzers findet. "Letztes Mal gab es viele Neuregistrierungen", erinnert sie sich. "Unser Projekt kommt eben an und findet den Weg zu den Bedürftigen." Auch zu jenen, die mittlerweile auf der Straße leben müssen.

"Ich frage die Hundebesitzer, wie es ihrem Vierbeiner geht -und versuche dadurch, ins Gespräch zu kommen", ergänzt ihr Mann Michael. Die Hunde werden von den Besitzern umsorgt, sie sind das einzige, was viele noch haben. Verwahrloste oder unterernährte Hunde habe er hier noch keine gesehen. Brauchen die Tiere jedoch einen Tierarzt, vermittelt er seine Klienten an das "Neunerhaus" weiter, eine Hilfsorganisation für Obdachlose im fünften Wiener Gemeindebezirk, wo mehrmals pro Woche auch ein Veterinärmediziner ehrenamtlich ordiniert.

Haustiere als Lebensgefährten

Doch weshalb halten Obdachlose oder Bedürftige häufig Haustiere, obwohl sie sie kaum versorgen können? "Als Randgruppen werden sie von der Gesellschaft abgelehnt oder ausgeschlossen", erklärt Elisabeth Kury vom Verein "Tiere als Therapie" (TAT) an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Ein Haustier hingegen schenkt Zuneigung und wertet nicht nach menschlichen Kriterien; auch akzeptiert es seinen Halter bedingungslos und hält ihm die Treue. Das erhöhe die Bindung zwischen Tier und Mensch, so Kury. Auch den gesellschaftlichen Status erkenne ein Tier nicht. Vor allem Hunde sind sozial lebende Tiere, sie suchen daher die Beziehung zum Menschen. "Viele dieser Menschen denken: Ich kann wenigstens für mein Haustier sorgen -wenn schon nicht für mich. Das fördert bei vielen Obdachlosen und Bedürftigen den Selbstwert", so Kury. Für viele ist das Haustier der letzte Lebensinhalt -und oft auch ein Partner, der ihnen "zuhört". Die meisten Obdachlosen würden daher eher auf der Straße bleiben, als ohne ihr Tier in eine der Wohnungslosenunterkünfte einzuziehen, weiß die Expertin. Vor zwei Jahren rief der Verein TAT deshalb gemeinsam mit der Volkshilfe ein Wohnprojekt ins Leben, bei dem Obdachlose auch ihre Hunde, Katzen oder Vögel in die Miniwohnung mitnehmen durften. Auch ins "Neunerhaus" dürfen obdachlose Menschen mit ihren Tieren einziehen. "Wir waren die erste Obdach-und Wohnungsloseneinrichtung, die Tiere in ihren Unterkünften zugelassen haben", sagt Nikolaus Kunrath vom "Neunerhaus".

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